Chronik/Oberösterreich

"Zeit des Solistendaseins vorbei"

Bund, Länder und Gemeinden, alle sind verschuldet. Der KURIER sprach mit Landeshauptmann Josef Pühringer, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

KURIER: Alle reden von der Notwendigkeit des Schuldenabbaus. Das Land Oberösterreich macht aber im Budget 2012 neue Schulden.
Josef Pühringer: Das stimmt in diesem Zusammenhang nicht, denn im Budget 2012 steigern wir die Ausgaben um 1,57 Prozent, das sind 71,4 Millionen Euro, und die Einnahmen um 40 Millionen. Das heißt, dass wir uns bei den Ausgaben extrem zurückgehalten haben. Der Grund, warum wir uns trotzdem neu verschulden müssen, sind ausschließlich die Mindereinnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise. Uns fehlen gegenüber der Prognose von 2008 213 Millionen Euro. Hätten wir dieses Geld, hätten wir einen Überschuss von 70 Millionen Euro.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise gibt es ja schon seit einigen Jahren. Müsste man nicht einschneidender einsparen?
Das würde negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Große Investitionen, die bereits begonnen wurden, würden sich verzögern und sie kämen dadurch den Steuerzahler teurer als eine Finanzpolitik, die zwar jetzt vorübergehend Schulden aufnimmt, die aber das Ziel eines ausgeglichenen Budgets für die Jahre 2015 und 2018 im Auge behält.

Vor einer sehr angespannten Finanzsituation stehen auch die Gemeinden, der Großteil kann den ordentlichen Haushalt nicht mehr ausgleichen. Was geschieht zu ihrer Entlastung?
Die Sprengelbeiträge, die die Gemeinden für die Spitäler leisten müssen, sind in den vergangenen Jahren jeweils zwischen fünf und zehn Prozent gestiegen. Sie werden im kommenden Jahr nur um 0,4 Prozent steigen. Einerseits wirkt die Spitalsreform, andererseits haben wir sehr gute Einnahmen bei der Gebietskrankenkasse und beim Bund gehabt. Deshalb wird der Zuwachs nur 0,4 Prozent betragen.

Gemeindebundpräsident Johann Hingsamer will die Beiträge zur Spitalsfinanzierung von den Gemeinden weghaben.
Genau das ist es nicht. Die Spitalsreform wird langfristig wirken. Hier wird es eine starke Entlastung der Gemeinden geben.

Die Argumentation der Gemeinden ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass sie hier keinen Einfluss haben und nur zahlen dürfen.
Es kann niemand diese Last von einigen Hundert Millionen Euro übernehmen, weder der Bund noch die Krankenkasse noch die Länder. Das müsste in einem neuen Finanzausgleich geregelt werden.

Die Unzufriedenheit der Bürgermeister, die sie schon mehrfach geäußert haben, wird bleiben.
Wenn wir unseren Weg der Reformen weitergehen, die Spitalsreform, die Verwaltungsreform, wenn wir auch im Sozialbereich gewisse Größenordnungen in der Ausweitung einhalten, können wir den Gemeinden nachhaltig helfen. Es ist bereits vereinbart, dass wir im nächsten Jahr keinen Euro von den aushaftenden Kanal- und Wasserdarlehen zurückfordern. Das macht 303 Millionen Euro aus.

Das Land will künftig nur mehr gemeinsame Projekte mehrerer Gemeinden fördern. Das heißt, es gibt dann gemeinsame Schwimmbäder, Schulen, etc.
Die Zukunft liegt in der Kooperation und nicht im Solistendasein. Das ist keine Frage. Eigene Schulen wird es dann geben, wenn die Gemeinde entsprechende Schülerzahlen aufweist. Aber Schwimmbäder, Veranstaltungssäle, Bauhöfe sind typische Beispiele für Kooperationen. Wir stellen uns auch gemeinsame Verwaltungen vor. Warum soll man die Verwaltung nicht von zwei, drei Gemeinden zusammenlegen, wie dies schon an verschiedenen Orten praktiziert wird? Das funktioniert sehr gut. Natürlich tut das manchmal weh, aber Verwaltung schafft keine Identität. Gemeindezusammenlegungen soll es nur geben, wenn die Bevölkerung bei einer Volksbefragung zugestimmt hat.

Die ÖVP lehnt Steuererhöhungen ab. Aber angesichts der Notwendigkeiten müssen dann Leistungen gekürzt werden. Was soll gestrichen werden?
Es müssen Reformen durchgeführt werden. Wenn schwarze Wolken am Konjunkturhimmel stehen, ist es das falsche Zeichen an Wirtschaftstreibende , mit neuen Steuern zu operieren. Wir brauchen Bestärkung und keine Entmutigung durch neue Steuern. Ich muss die Kosten mit Reformen in den Griff bekommen. Wir haben mit der Spitalsreform ja gezeigt, dass es hier um große Summen geht. Es sind 2,3 Milliarden. Man muss sich alle Bereiche kritisch anschauen. Ich bin überzeugt, dass in den Reformen ein ordentliches Einsparungspotenzial liegt.

Bereitet Ihnen die Bundes-ÖVP nicht Sorgen?
Natürlich. Aber nicht nur die der ÖVP, sondern die Gesamtperformance der Regierung macht mir Sorgen. Der Turbo muss noch eingeschaltet werden. Obwohl es jetzt im Herbst vor allem durch die Kooperation mit den Ländern besser geworden ist. Es ist bei den Verwaltungsgerichtshöfen und der Schaffung des Bundesamts für Migration einiges passiert. Aber das muss weitergehen. Das ist auch die einzige Methode. Die Regierung muss etwas zusammenbringen, damit die Opposition nicht der Gewinner ist.
Man muss der neuen Führung Zeit geben. Michael Spindelegger ist unter schwierigsten Bedingungen gestartet. Er ist einer der kompetentesten Politiker, die ich kenne. Er ist in dieser schwierigen Zeit sicherlich eine gute Entscheidung. Wir müssen ihn allerdings noch weit stärker im Erscheinungsbild der Menschen als einen korrekten und versierten Politiker positionieren.