Chronik/Oberösterreich

Wo der seltene Weißrückenspecht nach Futter klopft

Kurz vor den Toren zum Nationalpark Kalkalpen sind am Wegesrand Holzarbeiter damit beschäftigt, Baumstämme zu zersägen und aufzustapeln. Bei der Einfahrt zum Naturresort ist damit Schluss. Hier gibt es keine Menschen mit Motorsägen zu sehen. Die einzigen, die sich bei strahlendem Wetter zeigen, sind Frösche, die gerade aus der Winterstarre erwacht sind, und den holprigen, unasphaltierten Weg in Beschlag nehmen. Beim internationalen Schutzgebiet dürfen keine umgefallenen Bäume aufgearbeitet werden.

Hier tummeln sich auf 21.000 Hektar zwischen Bergen, Hügeln und Schluchten 30 Säugetier-, 80 Brutvogel- und 1500 Schmetterlingsarten, darunter viele, die vom Aussterben bedroht sind. Beispielsweise leben hier 17 der 24 in Österreich vorkommenden Fledermausarten. Daneben streift eine Hand voll Luchse durch das Dickicht oder klopfen seltene Weißrückenspechte auf Bäumen nach Futter.

Totholz

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„Das wichtigste Ziel bei uns ist, dass die natürliche Entwicklung zugelassen wird. Die Stämme, die durch Windwurf oder Lawinenabgänge umfallen, können liegen bleiben. Das trägt zur Vielfalt und zur Weiterentwicklung der Natur bei", sagt Erich Mayrhofer, der Direktor des Nationalparks in der Zentrale in Molln. Schließlich lebe ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten in dem Gebiet in den Bezirken Kirchdorf und Steyr-Land von Totholz.

Als das internationale Schutzgebiet vor 15 Jahren ins Leben gerufen wurde, habe es viele kritische Stimmen zum Projekt gegeben. Denn Teile der Bevölkerung der Region mussten Einschränkungen durch den Wegfall von Jagd- und Fischereimöglichkeiten oder der Forstwirtschaft hinnehmen. Die Stimmung hat sich mittlerweile aber verbessert, glaubt Mayrhofer und fügt hinzu: „Wir sind aber bewusst ein Nationalpark mit Ecken und Kanten. Natürlich gibt es welche, die meinen, das ist rausgeschmissenes Geld. Aber wenn natürlicher Lebensraum schwindet, muss das möglich sein."

Protest

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Die ersten Überlegungen zu dem Gebiet gab es Anfang der 1980er-Jahre, als sich im Hintergebirge eine Protestbewegung gegen zwei geplante Speicherkraftwerke und einen Kanonenschießplatz formierte. Vorwürfe, der Borkenkäfer, der sich am Totholz erfreut, könne sich dadurch ausbreiten, zerstreut der Direktor. „Im Nationalpark ist nicht alles Wildgebiet, es gibt einen Korridor, wo das Insekt bekämpft wird. So sind 75 Prozent des Geländes Wildnisgebiet, auf 25 Prozent wird Management betrieben." Außerdem bringe das Gebiet mit den 350.000 Besuchern und 310 Arbeitsplätzen eine große Wertschöpfung für die Region mit sich. „Wir haben 15 Gebäude generalsaniert und für Nationalpark-Zwecke ausgebaut", sagt der Direktor.

Tourismus

Sein Mitarbeiter und Mitbegründer des Parks, Franz Sieghartsleitner, wirft ein. „Im Süden der Bezirke Kirchdorf und Steyr-Land ist nicht mehr mit großen Betriebsansiedelungen zu rechnen. Hier haben wir in die Bresche springen können, der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor." Immerhin bezeichnet sich auch die Stadt Steyr in der Tourismuswerbung als „Tor zum Nationalpark", was dort nicht nur auf Zustimmung stößt. „In Steyr sieht man bei schönem Wetter vom Tabor aus bis zum Hohen Nock. Außerdem ist die Stadt mit der Region kulturhistorisch verbunden", erklärt Mayrhofer. Das heutige Nationalparkgebiet stand über Jahrhunderte unter dem Besitz der Grafen Lamberg.

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