Chronik/Oberösterreich

„Wir leiden unter Rückschritt“

Erika Kirchweger ist die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Diözese Linz.   Diese ist mit rund 50.000 Mitgliedern österreichweit am stärksten, sie ist in 95 Prozent der Pfarren vertreten. Die Linzerin ist auch Obfrau des Vereins „Land der Menschen  –  aufeinander zugehen“.  Kirchweger hat diese Woche einen Protestbrief an Alfred Hartl, den Bürgermeister von Bad Leonfelden, geschrieben, in dem sie ihn zum „Weg der Besinnung, der Offenheit und Barmherzigkeit“ aufruft.

KURIER: Viele Frauen treten aus der Kirche aus, weil ihnen die Gleichberechtigung verweigert wird.  Wie kann man es als Frau in diesem Männerverein noch aushalten?
Erika Kirchweger:  Es gibt in unserer  Gesellschaft sehr viele   Männervereine, in denen man es sehr schwer aushält. Da ist die Kirche nur einer von vielen.

In der dienenden Funktion sind die Frauen schon willkommen.
So ganz kann ich das nicht nachvollziehen.   Im II. Vatikanischen Konzil hat sich das Kirchenbild  sehr stark verändert. Die Laien werden als gleichwertig gesehen.  In der Liturgie können Frauen bestimmte Ämter ausüben. Frauen sind in der Kirchenverwaltung in führenden Positionen.   

Dann sind die Frauen zufrieden?
Nein, zufrieden sind wir noch lange nicht. Viele Frauen werden in der Gesellschaft ungleich behandelt. Ich bin für die Institution Kirche, wie sie sich heute darstellt, nicht  so optimistisch. Sie hat aber die Chance, dass sie sich in so manchen gesellschaftlichen  Belangen mehr auf ihren Ursprung, auf ihren Auftrag aus dem Evangelium  besinnt.

Nämlich?
In Verbindung mit Gott zu bleiben und für die Schwachen und Armen einzutreten.  Da hätte die Kirche sehr wohl etwas zu sagen.

Der Papst und die Bischöfe sagen, Jesus habe nur Männer zu Aposteln berufen und deshalb könne eine Frau nie Priesterin werden.

In der Theologie ist das längst ausdiskutiert, dass man sich darauf nicht berufen kann, dass Jesus zum Beispiel ein Mann war.  Die zwölf  Apostel sind ja als Symbol für die 12 Stämme Israels berufen worden.     Man kann das nur vom Menschsein her sehen und    nicht vom Mannsein.

Die Herren sehen das ein bisschen anders.
Manche Herren. Jene, die Entscheidungsmacht in der Kirche haben, haben tatsächlich diese Einstellung.

Ein Argument, das gegen die Priesterweihe der Frau angeführt wird, ist, dass dies zu einer Protestantisierung der römisch-katholischen Kirche führen würde. Wer damit nicht einverstanden sei, sollte zu den Protestanten wechseln.
Das ist eine vereinfachende Art, Katholischsein und Protestantischsein zu definieren. Das hängt an anderen Punkten als an der Frauenordination.
Die Katholische Frauenbewegung fordert ja immer  wieder die Priesterweihe für die Frauen.
Wenn man von der gleichen Würde von Mann und Frau ausgeht, wenn man davon ausgeht, dass wir als getaufte Christinnen und Christen an der königlichen und prophetischen Würde Jesu Christi teilnehmen, dann muss das gleich gelten für Männer wie  Frauen.
 Auch im Konzil ist gesagt worden, dass das gilt. Nur bei der Priesterweihe ist man diesen Schritt nicht weitergegangen. Das ist eine offene Wunde in der Kirche.

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus, dass sich das ändern wird?
Die Kirche hat sich über die Jahrhunderte immer wieder weiterentwickelt. Zwar sehr langsam, immer hintennach, aber irgendwann hat sie eingesehen, dass sie sich bewegen muss. So lange das Kirchenrecht nur geweihten Männern Entscheidungsmacht gibt, wird sich nicht sehr viel ändern. Es muss sich auch etwas an den Personen ändern, die an der Macht sind.


Die Arbeit an der Basis der Kirche wird ganz stark von Frauen getragen. Diese Hingabe ist bewundernswert bei der gleichzeitigen Verweigerung der Gleichberechtigung.
In den Pfarren der Diözesen gibt es schon sehr viele Wortgottesdienstleiterinnen.  Es gibt verschiedenste Dienste wie Lektorinnen und Kommunionhelferinnen, die durch das Konzil entstanden sind. Wir Frauen sind heute selbstbewusster.
Wir müssen aber auch das herrschende Amtsverständnis der katholischen Kirche hinterfragen. Nachdem hier in der Kirche ein Rückschritt zu spüren ist, leiden darunter viele Frauen. Es treten auch viele  aus.
Ich erlebe in der Kirche aber auch Gemeinschaften, die lebensfördernd sind. Wir sind vom Land in die Stadt gekommen, in die Dompfarre. Es hat sich hier eine Kleinkinderrunde entwickelt. Es hat Pfarrcafés gegeben, bei denen wir Leute kennengelernt haben. Wir haben hier Lebenshilfe gefunden. Das ist für mich lebensfördernde Kirche, dass sie  die Menschen dort trifft, wo sie etwas zum Leben brauchen.

Viele  Pfarren haben keinen eigenen Pfarrer mehr, sie werden vielfach von Frauen geleitet.
Die Seelsorgeteams sind gemischt. Aber mehr als 50 Prozent der Pfarrgmeinderäte sind Frauen. Das ist ein Zeichen, dass ihnen die Kirche ein Anliegen ist, weil sie in ihrer Kirche vor Ort Lebensräume finden.

Was ist vom II. Vatikanum noch nicht realisiert?

Die Frauenfrage. Es gibt aber auch noch andere Themen. Für das Konzil war das Ingangsetzen eines Dialogs wichtig. Daraus sind zum Beispiel die Synoden und Räte entstanden, die mitgestalten. Diese Gremien sind aber immer nur beratend, aber nicht mitentscheidend. Diese Synoden können zum Beispiel bei der Bischofsbestellung nicht mitbestimmen. Die Ortskirchen wurden durch das Konzil gestärkt, aber sie erhielten keine Entscheidungsbefugnisse.
  Das Konzil war ein Anfang, es sollte ja ständig  weitergeführt werden.  Die Kirche müsste sich ständig erneuern und verändern. Das tut sie zu wenig. Jetzt merkt man einen Stillstand.
 Es ist verboten, über die Ordination von Frauen zu reden. Das ist Dialogverweigerung. Dialog ist aber ein Auftrag aus dem Konzil heraus. Wir lassen uns den Dialog nicht verbieten.