Chronik/Oberösterreich

„Verstärkt Produktion in Österreich ermöglichen“

Thomas Stelzer (53) ist seit drei Jahren Landeshauptmann von Oberösterreich.

KURIER: Bei unserem Interview zu Jahresbeginn haben Sie gesagt, Sie stehen zum Sparkurs im Landesbudget, würden aber davon abweichen, wenn es schwierige Umstände notwendig machen. Ist es nun aufgrund der Coronakrise soweit?

Thomas Stelzer: Es ist mein Grundzugang, dass man wirtschaftlich gute Zeiten nutzt, um sich stark aufzustellen. Denn dann kann man helfen und überbrücken, wenn es notwendig ist. Wenn es nun Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Arbeitsplätze gibt, ist natürlich der Bund gefordert, aber das Land wird ebenfalls helfen. Deshalb lockern wir auch die Schuldenbremse.

Der Bund ist primär für solche Katastrophen zuständig.

Im Epidemiegesetz ist klar geregelt, dass der Bund die Kosten zu tragen hat. Man kann aber noch nicht sagen, welche Auswirkungen es vor Ort auf die Wirtschaft gibt. Können alle Arbeitsplätze gehalten werden? Das Land wird in geeigneter Weise zur Stelle sein. Das überlegen wir auch.

In welche Richtung soll es gehen?

Auf Bundesebene laufen die Gespräche mit den Sozialpartnern. Sie sollen ein Programm ausarbeiten, Ich möchte das abwarten. Wir werden dort tätig werden, was für Oberösterreich wichtig ist.

Woran denken Sie?

Es gibt die Beispiele aus der Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Wir müssen schauen, dass die Hilfe punktgenau für jene Bereiche und Branchen funktioniert, die sie am dringendsten brauchen.

Das Coronavirus ist nun die größte Krise ihrer bisherigen Laufbahn.

Das bedeutet für uns alle, die in der Zweiten Republik zur Welt gekommen sind, eine Änderung unserer Grundeinstellung und unseres gesellschaftlichen Fortkommens. Manche werden sich erst bewusst werden müssen, was das heißt. Es ändert die Art unseres gesellschaftlichen Gestaltens.

Es ist ein Paradigmenwechsel.

Das kann man so sehen, weil man nicht sagen kann, wir tauchen hier zwei, drei Wochen durch. Das wird uns längere Zeit begleiten und fordern.

Manche sehen in der Coronakrise einen Schlag gegen die Globalisierung und fordern ein Zurückholen der Produktion von China nach Europa.

Europa muss sich als Produktionsstandort wieder stärker aufstellen. Ich verteufle in der momentan schwierigen Lage die Globalisierung nicht, sie hat viel Positives gebracht und uns stark gemacht, aber wie bei allem im Leben gibt es eine zweite Seite. Eine Lehre, die man aus der jetzigen Situation ziehen muss, ist wieder Produktion in Europa zu ermöglichen. Auch in Österreich. Das betrifft den Gesetzgebungsrahmen ebenso wie auch die Ziele, die wir uns setzen. Wir Europäer sind oft überehrgeizig und lagern Teile der Produktion an andere Erdteile aus.

Gibt es für Sie weitere Schlussfolgerungen aus der Coronakrise?

Man sollte auf die Hinweise von Experten früher eingehen. Man hat längere Zeit geglaubt, es betrifft nur China. Jetzt haben wir hier die exponentiell steigenden Zahlen an Infizierten. Die Lehre, früh und rasch zu handeln ist eine Grundweisheit.

Landeseinrichtungen wie das Musik- oder Landestheater haben ihre Vorstellungen absagen müssen und haben dadurch einen höheren Abgang.

Wir haben Einnahmenentfälle, aber es ist eine außerordentliche Situation, die niemand planen konnte. Deshalb müssen wir das entsprechend verkraften.

Sie haben die Kostenexplosion beim Neubau des Museumsdepots von 1,7 auf 4,85 Millionen Euro als Vertrauensbruch bezeichnet. Der verantwortliche Beamte wird demnächst in Pension gehen, damit wäre dann niemand mehr verantwortlich. Man könnte sagen, niemand ist schuld. Man ist aber von Ihnen konsequentes Handeln gewöhnt, wie die Abberufung des Bezirkshauptmannes von Braunau gezeigt hat. Wie wird Ihre Folgeentscheidung aussehen?

Es laufen die dienstrechtlichen Erhebungen und es muss dann die vorgesehenen Konsequenzen geben. Das Wichtigste war für mich, wie man das im Budget so unterbringen kann, dass es nicht zu Lasten der Kunst- und Kulturschaffenden geht. Das ist uns gelungen.

Mich ärgert es deshalb doppelt, weil der Wunsch nach einem zentralem Depot schon unter meinem Vorgänger ein lang gehegter und berechtigter war. Die Bestände waren auf mehrere Standorte aufgeteilt. Jetzt setzen wir nach so einem langen Prozess endlich die Entscheidung dann das.

Sie räumen auf und dann läuft die Sache aus dem Ruder.

Wir haben nun mit Anfang April die Möglichkeit einen Neustart hinzulegen. Es startet unsere Kultur GesmbH mit Professor Weidinger, einem internationalen Mann, an der Spitze.

Sie haben im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg und der Drohung von Präsident Erdogan, die Flüchtlinge in die EU strömen zu lassen, ein Ende der offenen Grenzen gefordert. Ist die bisherige Entwicklung in Ihrem Sinn?

Mit den Flüchtlingen wird ein unwürdiges politisches Spiel getrieben. Es muss Hilfe vor Ort geleistet werden, auch in den syrischen Kriegsgebieten. Meine Grundphilosophie ist, den Menschen möglichst nahe ihrer Heimat Schutz und Hilfe zu bieten, damit die Rückkehr leichter vonstattengehen kann. Insofern halte ich es für den richtigen Weg, dass die Europäische Union mit der Türkei wieder ins Gespräch kommt und dass es Hilfe für die Lager in Griechenland gibt.

Hat es sich die Europäische Union in der Vergangenheit nicht zu leicht gemacht? Nach der Flüchtlingskrise 2015 hat man das Problem an die Türkei abgeschoben und sich nicht mehr um die Kriegsregion und ihre Flüchtlinge gekümmert.

Diese Sichtweise kann man nicht von der Hand weisen. Es sind Milliarden der EU an die Türkei geflossen. Dieser Schritt wurde gesetzt, das war aber nur einer, nicht mehrere. Durch den Rückzug der Amerikaner ist uns erst so richtig bewusst geworden, dass der Nahe Osten ein europäischer Vorhof ist, dass das unsere Nachbarn sind. Wir haben sehr lange damit gut gelebt, dass die USA uns diese Verpflichtung abgenommen haben. Das müssen wir Europäer selbstkritisch sehen.

Das erfordert eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik.

Diese wird zwar von allen befürwortet, sie gerät aber immer wieder ins Stocken, wenn die Problemlage weg ist. Wir sind nicht gut im Draufbleiben auf nachhaltigen Herausforderungen.