Chronik/Oberösterreich

„Veranstaltungen absagen, Reisen verbieten“

In einem Interview vom 15. März mit dem KURIER verbreitete der emeretierte Universitätsprofessor Wolfgang Graninger Verschwörungstheorien. Die KURIER Redaktion distanziert sich von den Aussagen von Wolfgang Graninger in dem Interview vom 15. März. Das folgende Interview wurde bereits am 8. März geführt:

 

Wolfgang Graninger ist Infektiologe und emeritierter Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien. Er war Leiter der klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin im AKH. Der 71-Jährige ist als Arzt stark gefragt, seine Vorträge hält er mit „Hirn, Witz, und Herz“ und „pechschwarzem Humor“. Er wohnt in Wien, Salzburg und Altmünster. Aktuell berät er die Stadt Wien in der Causa Coronavirus.

KURIER: Wie ist die Lage?

Wolfgang Graninger: Wir werden von einem Virus gequält, der nicht sehr potent und nicht sehr krankmachend ist. Er erinnert an SARS im Jahr 2003/04. Die Chinesen haben gleich gesagt, das machen wir jetzt nicht wieder, sondern wir sperren das alles ab. Sie haben die Provinz Hubei abgeriegelt. Bemerkenswert war, dass die Abriegelung durch das Militär erfolgt ist, es hat auch gleich zwei Spitäler gebaut.

Vom Wildtiermarkt der Provinzhauptstadt Wuhan hat die Verbreitung von SARS ihren Anfang genommen. Dieser milliardenschwere Markt soll nun wieder die Ursache des Coronavirus sein.

Wir haben nun dieselbe Situation wieder, die Frage ist nun, woher der Coronavirus kommt. Man glaubt, dass er schon im November aufgetreten ist, aber nicht erkannt worden ist. Auffallend war nur, dass alte Leute gestorben sind, junge nicht. Fünf Prozent der Patienten sind dem Virus erlegen. Von 100 mit dem Virus infizierten Patienten waren 80 ohne Symptome, 15 wurden krank.

War das Verhalten der chinesischen Behörden gut?

Es war sehr gut, da können sich alle etwas abschauen. Die Population ist dort sehr dicht, die Befürchtung ist, dass der Virus in andere dicht bevölkerte Gebiete gelangt. Wenn er nach Afrika kommt, ist das für die nächsten paar Jahre ein richtiges Problem.

Ist die Aufregung über den Virus gerechtfertigt?

Nein, sie ist nicht gerechtfertigt, weil die 85-Jährigen generell leichter sterben. Zum Beispiel an ihren eigenen Krankheiten.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation in Österreich?

Es hat sich sehr bewährt, dass jene, die meinen betroffen zu sein, nicht ins Spital oder zum Arzt gehen, sondern anrufen. Dann kommt der Ärztenotdienst, nimmt ihnen einen Nasenabstrich ab und bringt ihn zur Prüfstelle. Diese verfügte früher eine Kapazität von ein paar Hundert am Tag, aber jetzt sind es so viele, dass der Positivbefund nur einen Tag dauert. Der Negativbefund liegt wegen der Bürokratie meist erst nach drei Tagen vor.

Hat Österreich das Schlimmste schon hinter sich?

Die Behörden sind intelligent, denn sie wissen, dass es keine Therapie gibt und es egal ist, ob die Leute zu Hause oder im Spital krank sind. Sie verhindern, dass plötzlich 2000 Leute vor dem Spital stehen, um sich überprüfen zu lassen. Wir wollen den engen Kontakt der Menschen unterein ander vermeiden. Der Pflichtabstand beträgt 2,5 Meter. Der Virus wird durch das Tröpfchen und das Aerosol (Schwebeteilchen, Anm.) übertragen. Deshalb sollen die Kranken einen Mundschutz tragen, damit sie die Tröpfchen nicht hinausschleudern. Wer den Virus nicht hat, braucht keinen Mundschutz, denn er hilft ihm nicht.

Bis jetzt verläuft die Sache in Österreich gut?

Ja.

Warum gehen die Seuchen immer wieder von Zentralasien aus?

Weil dort die Bevölkerungsdichte am größten ist. Und weil sie Schweine und Hühner halten und teilweise mit ihnen zusammen leben.

Müsste man den Chinesen nicht sagen, sie müssen sich nach SARS und dem Coronavirus etwas einfallen lassen?

Sie lassen sich etwas einfallen. Dort sind bereits 80 Prozent der Bevölkerung immun, weil sie den Virus schon gehabt haben, während sich hier die Leute noch große Sorgen machen. Die Chinesen haben nur mehr 120 Ansteckungen pro Monat.

Wann ist Österreich über dem Berg?

Das kann man wegen des Reiseverkehrs nicht sagen. Man müsste alle Grenzen und alle Flughäfen schließen. Da würden alle aufschreien, deshalb sagt man, Sperre nur für jene, die Fieber haben. Bei SARS hat der Herr Hufnagl in einer Studie festgestellt, dass sich der Virus von selbst erledigt, wenn man die großen Flughäfen sperrt.

In der Schweiz wurden alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen abgesagt. Sollte man das in Österreich auch machen?

Das wäre eine richtige Maßnahme. Aber sie ist sehr schwer durchsetzbar, Man muss gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen. Das Wichtigste ist Alkohol, denn das Desinfektionsmittel ist in der Apotheke ausverkauft. Man tränkt Papiertaschentücher in 70-prozentigen Alkohol, man kann auch Brennspiritus nehmen, und wischt sich damit die Hände und das Gesicht ab.

Man sollte auch Kirchen wegen der Übertragungsgefahr meiden (enges Zusammenrücken, Singen, Wangenküsse etc.).

Der Schutz des Gesichtes für die Sanitätsbeamten erfolgt durch Masken, mit einem Sicht- und Mundschutz.

Die Wirtschafts- und Seemacht Venedig hat damals eine 40-tägige Quarantäne (quaranta giorni, Anm.) für einlaufende Schiffe verhängt, um sich vor Seuchen zu schützen. Das war eine kluge Maßnahme.

Jetzt wurde die Quarantäne auf 14 Tage runtergebrochen. Man ist aber draufgekommen, dass es Leute gibt, die den Virus erst am 30. Tag übertragen. Die 40 Tage der Venezianer waren zum Schutz vor der Pest.

Kann man solche Ausbrüche von SARS oder Corona überhaupt verhindern?

Eigentlich ist man dem ausgeliefert. Solange es Reiseverkehr gibt, wird immer wieder die Chance bestehen, dass diese Erkrankung ausbricht. Die Frage ist in welchem Ausmaß. Wegen des Körperkontakts sind alle Sport- und Konzertveranstaltungen, auch unter 1.000 Teilnehmern und Gästen, Gefahrenherde, weil wir den Abstand von 2,5 Metern brauchen.

Es wäre gescheit, alle größeren Veranstaltungen abzusagen?

Ja, und man verbietet alle Reisen. Niemand fährt fort und jeder, der an der Grenze ankommt, muss einen Zettel ausfüllen, wo er war. Denn man kann nicht alle testen. Ein Test kostet übrigens 250 bis 400 Euro. Deshalb kann man auch nicht alle testen, denn dann wären die Krankenkassen bankrott.

Der Virus hat auch gravierende wirtschaftliche Auswirkungen. Die Börsen krachen.

Sie krachen zu Unrecht, denn es ist nichts kaputt, sondern es wird nur verzögert. Die Firmen machen die Gewinne halt einen Monat später. Die Wirtschaft wird wieder anspringen. Deshalb jetzt Aktien kaufen. Denn die Börsen werden wieder steigen.