Unterschätzte Gefahr zu Silvester
Trotz Warnungen durch Ärzte und Verbots durch die Behörden kommt es zu Silvester durch Knallkörper zu teilweise schweren oder gar tödliche Verletzungen. Binnen Sekunden wird das Leben des Betroffenen und seiner Angehörigen meist gravierend verändert.
„Ein Fall, der sich genau vor 30 Jahren ereignet hat, sollte als Warnung dienen“, sagt Erwin Kepic (57), Leiter der Tatortgruppe vom Landeskriminalamt OÖ. Am 1. Jänner 1991 starben um 0.20 Uhr 17-jährige Zwillinge auf einer Wiese bei Grieskirchen durch die vorzeitige Explosion eines selbst gebauten Riesenböllers. Ein weiterer 17-Jähriger überlebte lebensgefährlich verletzt.
Milchkanne gesprengt
„Den Anblick werde ich nie vergessen“, sagt auch ein damals alarmierter Gendarmerie-Beamter dem KURIER, der mit Kepic und weiteren Ermittlern der Kriminalabteilung kurze Zeit später am Unglücksort war. „Diese Neujahrsnacht war die Schlimmste, die ich je im Dienst erlebt habe. Die beiden jungen Chemie-HTL-Schüler hatten eine zehn Liter fassende Milchkanne aus Metall mit selbst hergestellten Sprengstoff gefüllt und mit einem Silvesterkracher zur Detonation gebracht, weil zunächst die Zündschnur nicht funktionierte.“ Die Folgen waren entsetzlich. Ein weiterer 17-jähriger Freund der drei Explosionsopfer blieb unverletzt. „Ihm war die ganze Situation zu gefährlich und er stellte sich rund 100 Meter von der Milchkannenbombe weg“, sagt der pensionierte Gendarm.
In den vergangenen 30 Jahren starben laut Statistik Austria insgesamt 21 Menschen durch Explosionen von Feuerwerkskörpern. Von 2000 bis 2019 gab es in ganz Österreich elf Tote, der bisher letzte in Oberösterreich starb 2019 in Eberschwang. Alle Opfer waren erwachsene Männer oder Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. 98 Prozent der im Krankenhaus behandelten Verletzten sind Männer, Frauen sind ganz selten betroffen. Meist sind diese Opfer von „im Spaß“ geworfenen Knallkörpern. „Speziell den jungen Männern fehlt es oft am Gefahrenbewusstsein und korrektem Wissen über den Umgang mit pyrotechnischen Produkten. Und meist ist Alkoholkonsum an den Unglücken mitbeteiligt, die mit Brand- und Splitterwunden, Kopf- und Augenverletzungen bis zu Amputationen von Fingern oder Händen enden“, sagt der für das Innviertel zuständige Leitende Notarzt Thomas Meindl (56) vom Klinikum Schärding.
Dauerfolgen
„Verletzungen durch Feuerwerkskörper oder selbst gebastelten Sprengkörpern werden hinsichtlich der Schwere und Dauerfolgen von Betroffenen meist unterschätzt“, sagt Wolfgang Huber (55), Handchirurg im Unfallkrankenhaus Linz. „Schwerere Verletzungen der Finger oder der Hand sollten unbedingt in einem mikrochirurgischen Spezialzentrum behandelt werden“. Das UKH hat jedes Jahr am 31. Dezember und 1. Jänner Mikrochirurgiedienst für ganz OÖ. Jedes Jahr werden an diesen Tagen Patienten mit Sprengverletzungen oft zehn Stunden oder länger operiert.
Junge Opfer
Genaue Statistiken von Verletzungen durch Knallkörper existieren nicht. Expertenschätzungen gehen jährlich von rund 1.000 Betroffenen aus, die leichtere Verletzungen oder ein Knalltrauma erleiden, das jedoch bis zu einem dauerhaften Gehörverlust führen kann. Rund 25 Prozent der Opfer sind unter 15 Jahre alt, sie dürften die Kracher gesetzlich gar nicht besitzen. Kugelbomben erzeugen ein Feuerwerk mit beeindruckendsten Effekten, sind aber die gefährlichsten Silvestersprengkörper. Sie sind in Österreich zwar verboten, werden aber dennoch häufig illegal eingeführt und gezündet. Die Polizei stellt jedes Jahr Dutzende Kugelbomben sicher.