Chronik/Oberösterreich

„Sollten auf Qualität von tollen Operetten setzen“

KURIER: Wie lautet Ihr erstes Resümee nach der Eröffnung?
Heinz Haunold: Die Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Es war sehr gut, dass man die Öffentlichkeit so einbezogen hat. Ich bin bei den nächtlichen Aufführungen von „La Fura dels Baus“ herumspaziert und überall hat man gehört, da gehe ich jetzt einmal hinein und das schaue ich mir an. Es ist wichtig, das Ganze breiter zu öffnen, nur dann haben wir eine Chance mit so einem Projekt.

Die auswärtigen Kritiker sind vom Haus angetan, die Aufführungen erhielten jedoch nur durchschnittliche Bewertungen. Mit der Provinzbühne ist es aber nun vorbei, wir spielen in einer anderen Liga.
Die Erwartungen verlangen ein höheres Niveau. Aber das dauert. Nicht nur wir vom Bruckernorchester brauchen Zeit, auch das Publikum braucht Zeit. Beim Rosenkavalier hört man schon wieder anders als vor zwei Wochen. Man nimmt die Musik anders wahr. Hören und Zuhören sind Prozesse, die man lernen muss. Klang ist für mich das Wichtigste. Deshalb kommt für mich als Erstes der Zuschauerraum, dann kommt lange nichts, dann die Bühne und dann der Orchesterprobensaal.

Das Haus steht vor zwei Erwartungshaltungen. Einerseits wollen die 1000 Sitzplätze gefüllt sein, andererseits soll man künstlerisch qualitativ auf europäischem Niveau spielen.
Das Niveau muss über Österreich hinaus reichen, aber ich bin doch so egoistisch, dass ich sage, es ist schon das Theater der Oberösterreicher. Wir müssen an unser Publikum denken. Wenn nun gesagt wird, jetzt braucht man nicht mehr nach Salzburg oder Wien fahren, dann sage ich: Lassen wir die Kirche im Dorf.
Man soll weiter nach Salzburg und Wien fahren, aber Linz ist eine zusätzliche Möglichkeit, hochwertiges Theater zu erleben. Wir sollen Programme bieten, die die Menschen in Schärding, Passau, Vöcklabruck , Gmunden und Braunau reizen. Die Leute sind ja interessiert, denn sie fahren auch nach Bochum oder Hamburg ins Musical. Warum sollen sie nicht nach Linz kommen? In die Operette oder in die Oper. Ich bin optimistisch. Die Menschen sind dazu bereit, das haben wir bereits gesehen.

Mit den Musikschulen und der Bruckneruniversität ist Oberösterreich sehr gut aufgestellt.
Absolventen der Musikschulen werden nicht nur Musiker, sie werden auch früh zum Zuhören erzogen. Sie sind ein wesentlich geschulteres Publikum als in anderen Teilen Europas. Das erzeugt auch wieder Leistungsbereitschaft, denn sie erwarten sich mehr. Sie können mehr, sie hören besser, sie haben mehr Vergleichsmöglichkeiten. Sie sind erst bei einem ganz anderen Level zufrieden als das Publikum in anderen Teilen Europas.

Der Einzugsbereich für das neue Musiktheater ist eingeschränkt. Oberösterreich ist ja nicht so groß.
Er ist viel weiter, als man glaubt. Dazu gehört Bayern hinauf bis nach Regensburg, dazu gehört Südböhmen. Das sind schon mehr als zwei Millionen Menschen, die für das Musiktheater ein potenzielles Publikum sind. In Dresden, Leipzig und in der Schweiz wird zum Teil mit Überraschung, Neid, aber auch mit viel Zustimmung auf uns geschaut, dass wir uns in Oberösterreich so etwas zutrauen.

Vor welchen Herausforderungen stehen wir?
Einerseits das Wirtschaftliche, es zu füllen, andererseits sich zwischen Salzburg und Wien zu positionieren, ein eigenes Profil zu entwickeln. Ein erstrebenswertes Ziel wäre aus meiner Sicht auf die wunderbare Qualität einer tollen Operette zu setzen. Das wird auch in Wien nicht ausreichend geboten. Früher hat man immer gesagt, das ist kitschig und zweitklassig. Es gibt jedoch grandiose Stücke, zum Beispiel den Zigeunerbaron, Zarewitsch, die Fledermaus, die lustige Witwe. Es gibt mindestens noch weitere 20, 30 Top-Stücke.

Jetzt fahren alle zu Harald Serafin ins Burgenland, oder?
Der gute Serafin war bei der Eröffnung und beim Rosenkavalier in Linz, es gefällt ihm hier. Er ist in einem fortgeschrittenen Alter. Ich sehe in Wien keine hochwertige Pflege der Operette. Hier hätte Linz eine Chance. Das wäre eine der vielen Nischen. Man könnte auch mehr Musik von Giuseppe Verdi spielen. Damit könnte man das Musiktheater locker füllen.