Chronik/Oberösterreich

„In jeder Gemeinde muss mindestens jede Stunde ein Bus fahren“

Severin Mayr (41) ist seit Mai Klubobmann der Grünen im oberösterreichischen Landtag.

KURIER: Wieso liegen die Grünen bundesweit nur bei elf Prozentpunkten? (Wahl 2019: 13,9 %) Verstehen Sie das?

Severin Mayr: Es gibt unterschiedliche Umfrageergebnisse. Sie haben für mich wenig Relevanz, wichtig ist ein gutes Ergebnis bei der Landtagswahl Ende September.

Wie liegen die Grünen in Oberösterreich?

Unabhängig von den Umfragedaten sind wir auf einem guten Weg. Die grünen Themen werden immer relevanter. Seit der Landtagswahl 2015 (Ergebnis 10,3 %) haben sich sowohl die Welt als auch wir uns wesentlich weiterbewegt.

In welcher Weise?

Nicht erst seit den jüngsten schweren Unwetter merken die Menschen, dass die Klimakrise bei ihnen angekommen ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass früher jemals eine fünfstellige Teilnehmerzahl für den Klimaschutz demonstriert hat. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat die Politik in Oberösterreich nachhaltig verändert.

Wie haben die Grünen sich verändert?

Wir haben gesehen, dass es Konsequenz, Ernsthaftigkeit und ein Ziel braucht. Wenn man daran arbeitet, stimmen auch die Wahlergebnisse. Wir nehmen die Verantwortung wahr.

Die Generation Anschober ist schon abgetreten, bzw. ist im Abtreten.

Ich sehe das als fließenden Übergang. Als die Protestbewegung gegen das geplante Donaukraftwerk Hainburg stattfand (1984), war ich noch ein Kleinkind. Viele, die in den 1980er-Jahren die Grünen gegründet und sie in die Parlamente gebracht haben, treten ihre Verantwortung an Jüngere ab. Es kommt nun eine neue Gruppe nach. Ich bin seit 20 Jahren dabei, bin aber anders sozialisiert als die Grünen der 80er-Bewegung, die ihre gemeinsame Mission in der Au begonnen haben.

Fahren Sie ein E-Auto?

Ich fahre überwiegend mit öffentliche Verkehrsmitteln oder ich gehe zu Fuß. Wenn es trotzdem das Auto sein muss, fahre ich mittlerweile elektrisch, und zwar einen ID 3.

Einen Dienstwagen?

Nein, privat. Ich fahre keinen Dienstwagen.

Soll man Verbrennerautos verbieten?

Ich glaube, dass die großen Automobilkonzerne die Entscheidung schon getroffen haben. Die Elektroautos machen bei den Neuanmeldungen bereits mehr als zehn Prozent aus. Die meisten Automobilkonzerne haben schon ein Enddatum für den Verbrenner genannt.

Audi will 2026 damit aufhören, VW 2033 bis 2035.

Auch General Motors will aussteigen, es haben fast alle schon ein Enddatum genannt, das sich zwischen 2026 und 2035 bewegt. Sie machen das nicht nur aus dem Umweltgedanken heraus, sie wollen auch in Zukunft Autos verkaufen. Es deutet vieles darauf hin, dass es die Elektromobilität ist.

Die Industrie und die Energiebranche machen sich für E-Fuels, für synthetische Kraftstoffe stark. Sind E-Fuels für Sie eine Lösung?

Wir brauchen alle fossilfreien, -freien Kraftstoffe, ob das nun Wasserstoff, E-Mobilität oder ob es E-Fuels sind. E-Fuels sind aber bei den Pkw höchst ineffizient. 85 Prozent des Stromeinsatzes gehen verloren, bis sich das Auto bewegt. Hier ist die Elektromobilität deutlich weiter, sie erzielt einen viel höheren Wirkungsgrad. Ich schätze, dass sich bei den Pkw die Elektromobilität durchsetzen wird, E-Fuels werden wir beim Fracht- und Flugverkehr benötigen. Bei den Lkw werden es teilweise die E-Mobilität und teilweise der Wasserstoff sein. Es ist derzeit sehr viel in Entwicklung.

Ihr Landesrat Stefan Kaineder hat angekündigt, bis 2030 der Industrie und Zulieferbetrieben eine Milliarde Euro für den Umbau zu klimaneutraler Produktion zur Verfügung zu stellen. Wie sollen diese Gelder genau eingesetzt werden?

Man muss die Industrie ganz intensiv begleiten, dass der Ausstieg aus der fossilen Energie gelingt. Oberösterreich ist in manchen Bereichen Weltmarktführer, wenn ich beispielsweise an die Pelletskessel denke. Bei dieser Raumwärme bleibt die gesamte Wertschöpfung in der Region. Man muss diese Firmen bei der Forschung unterstützen. Damit wir das Silicon Valley der erneuerbaren Energie werden. Die voestalpine muss große Investitionen tätig zur Herstellung von CO2-freiem Stahl. Sie braucht die volle Unterstützung der Politik, damit die Arbeitsplätze in der Region bleiben.

Der Umstieg in Richtung Klimaneutralität bedeuten für die Menschen finanzielle Belastungen, zum Beispiel höhere Strompreise, höhere Energiekosten, weil bepreist wird und so unter anderem die Benzin- und Dieselpreise steigen werden. Was wollen Sie machen, dass die finanziell Schwächeren nicht unter die Räder der Klimaneutralität geraten?

Richtig teuer wird es, wenn Österreich die Klimaziele verfehlt. Es drohen bis 2030 Strafzahlungen von neun Milliarden Euro. Es muss sehr viel bewegt werden, damit Strafzahlung verhindert und die Kosten für die Klimaschäden bei den Verursachern hängen bleiben. Es wird in Zukunft das teurer werden, was das Klima zerstört, und es wird das günstiger werden müssen, was dem Klima hilft. In einem Flächenbundesland wie Oberösterreich sind viele auf das Auto angewiesen, damit sie zur Arbeit kommen. Die Steuerreform, die gerade in Wien verhandelt wird, muss zu einer Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen führen. Zum Beispiel durch einen Öko-Bonus. Es kommt jetzt mit hohem finanziellen Einsatz der Republik das Klimaticket, das das Bahnfahren günstiger macht. Gleichzeitig wird es teurer, mit einem Diesel-SUV durch die Innenstädte zu fahren.

Wie hoch wird die Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise durch die CO2-Bepreisung sein?

Wir werden die Klimaziele auch dann meilenweit verfehlen, wenn man jeden Diesel-Pkw durch ein E-Auto ersetzen. Wir brauchen eine umfassende Verkehrswende, damit die Abhängigkeit vom Pkw sinkt. Derzeit ist man in weiten Teilen Oberösterreichs darauf angewiesen, dass dasAuto vor der Garage steht, mit dem man zur Arbeit kommt. Es gibt Haltestellen, wo nur einmal im Tag ein Bus stehen bleibt. Manche brauchen auch ein Zweit- oder Drittauto. Das sind enorme finanzielle Belastungen, denn das Auto kostet im Schnitt 350 Euro pro Monat.

Ihre Antwort auf die Frage nach der Erhöhung des Diesels bzw. Benzin durch die CO2-Steuer ist noch offen.

CO2 und damit Klimazerstörung wird einen Preis bekommen. Man kann diese Frage nicht losgelöst von der Ökologisierung der Pendlerpauschale und von einer Entlastung der Pendler bei der Steuerreform diskutieren. Die Frage der Bepreisung wird in Wien derzeit diskutiert.

Sie fordern mehr Geld für den öffentlichen Verkehr. Wie viel sollte dafür in der nächsten Legislaturperiode (2021 bis 2026) eingesetzt werden?

Es wird vom Bund für den öffentlichen Verkehr in Oberösterreich so viel investiert wie überhaupt nie zuvor. Allein die ÖBB investieren in den nächsten fünf Jahren zwei Milliarden Euro. Der Bund zahlt 200 Millionen Euro für die Stadtbahn mit. Es muss ein anständiges Busangebot in den Regionen geben. Jede Gemeine muss eine Mobilitätsgarantie anbieten, dass man nicht länger als eine Stunde auf einen Bus wartet. Mindestens jede Stunde muss ein Bus fahren. Das werden paradiesische Zustände im Vergleich zu dem, was wir jetzt in Oberösterreich noch haben. Wenn nur einmal im Tag ein Bus fährt, wird die Fahrt zum Arzt zum Tagesausflug. Das ist kein öffentlicher Verkehr, sondern ein öffentliches Ärgernis.