Seppy aus dem Linzer Puppentheater: Wann verblassen Erinnerungen?
von Christa Koinig
In unserem Puppentheater spielen ganz viele Figuren mit, die aus den verschiedensten Materialien angefertigt wurden. Da gibt’s Holzköpfe, manche Figuren sind aus Papiermaschee, die Neueren sind sogar aus einer Art Gummi gemacht und können den Mund auf- und zuklappen oder mit den Ohren wackeln.
Ich gehöre zu den ältesten Puppen, obwohl ich immer noch ausschaue wie ein kleiner Bub. Aber ich kann nicht mit den Augen klimpern und auch sonst nicht recht viel mit meinem Gesicht machen. Ich schaue immer gleich aus.
Ein großes Geheimnis
Diese neueren Puppen, die sogar Grimassen schneiden können, bilden sich ganz schön viel ein und sind ziemlich arrogant. Sie meinen, sie sind etwas Besseres. Mir macht das aber gar nichts aus, ich gönne ihnen diese Freude. Ich kenne da nämlich ein großes Geheimnis. Diese Puppen wird es nicht recht lange geben, denn mit der Zeit werden sie pickig und klebrig und lösen sich irgendwie ganz auf. Dann liegen sie herum und schauen ziemlich jämmerlich aus.
Reparieren kann man sie kaum. Und irgendwann sind sie dann ganz weg. Manchmal denke ich noch an sie, aber langsam verblassen sie ganz aus meiner Erinnerung.
Eine kluge Antwort
Doch da fällt mir ein, dass auch ich einmal verschwinden könnte. Ob sich dann jemand an mich erinnert? Wie lange erinnert man sich an jemanden, den man einmal gern gehabt hat?
Meine Omama, die stets eine kluge Antwort parat hat, habe ich daher gefragt: „Omama, wie ist das, wenn ich einmal weg bin, oder wenn es uns alle nicht mehr gibt, wird man sich an uns erinnern?“ „Ich weiß es nicht“, hat sie gesagt, „ich weiß es wirklich nicht.“ Und das ist vielleicht die klügste Antwort von allen.
Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters