Die ziemlich fesche Nebelfrau
von Christa Koinig
Im Herbst mache ich gern lange Spaziergänge. Oft scheint noch die Sonne, aber meist sind die Tage regnerisch und trüb, oder es ist gar nebelig. Da fällt mir jedes Mal ein Gedicht ein. „Wer hockt hinterm Berge, verhutzelt und grau? Die alte Hex’, die Nebelfrau.“ Das geht mir nicht aus dem Sinn, ist denn diese Nebelfrau wirklich eine verhutzelte, graue, alte Hexe? Neugierig wie ich bin, habe ich mich auf die Suche begeben. Zunächst konnte ich nichts sehen, es war viel zu nebelig. Aber ich war zuversichtlich, dass ich diese Nebelfrau finde. Auf meinem Weg durch dicke Nebelschwaden bin ich einer seltsamen Gestalt begegnet. Sie war fesch. Aber es war eigenartig, irgendwie konnte ich sie nur verschwommen sehen. Wir haben uns freundlich gegrüßt. Sie hat mich gefragt, ob sie mich ein Stück begleiten darf. Klar habe ich Ja gesagt, wer verzichtet schon auf eine hübsche Begleitung.
Immer zu Streichen aufgelegt
Wir sind ein Stück des Weges gemeinsam gegangen und ich habe ihr erzählt, dass ich im Puppentheater der Lausbub bin, der immer zu Streichen aufgelegt ist. Sie hat mir erzählt, dass sie Tautropfen einsammelt, sie mit Luft und Sonnenstrahlen vermengt und dieses Gemisch als weiße Wolken ganz hoch hinauf in den Himmel schickt. Im Herbst sei das aber nicht so einfach, weil die Luft abkühlt und kalte Luft nicht so leicht aufsteigen kann. Also müssen diese Wolken auf dem Boden bleiben und schon ist der Nebel da. Plötzlich hat uns ein Sonnenstrahl getroffen, und das geheimnisvolle Wesen war verschwunden. Da war ich ganz sicher, ich bin der Nebelfrau begegnet. Jetzt weiß ich auch, nicht alles Unheimliche muss alt, grau und verhutzelt sein.
Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters