Chronik/Oberösterreich

„Tabubrüche gehören zur Wahlkampf-Strategie“

Was ist ein „echter“ Österreicher, ein „echter“ Europäer, ein Patriot, ein mehrsprachiges Genie, ein Mensch, der Menschenrechte hochhält?

Die Antworten darauf liegen irgendwo in einem Spannungsfeld, das man heute die „europäische Identität“ nennt, sagt Sprachsoziologin und Wittgensteinpreisträgerin Ruth Wodak. Heute, Sonntag, hält sie die Festrede zur Eröffnung des Internationalen Brucknerfests. Wodak stammt aus Wien, arbeitet aber zurzeit als Professorin an der Lancaster University in England. Ihr Spezialgebiet: Sprache und Politik.

Ihr Name stand ganz oben auf der Wunschliste des Linzer Bürgermeisters Franz Dobusch, gilt sie doch als Expertin für ein Thema, bei dem es in Wahlkampfzeiten kein Entrinnen gibt: Die rechtspopulistische Rede und EU-Kritik.

Wir und die „anderen“

Plakate wie „Liebe deinen Nächsten“ zum Beispiel – was sagt die Sprachwissenschaftlerin dazu? „Solche Texte überraschen mich nicht.“ Die FPÖ versuche seit jeher, „den Österreicher“ genau zu definieren und ihn von den „anderen“ abzugrenzen, hat die Forscherin über Jahre hinweg in Analysen festgestellt.

„Es geht den politischen Parteien immer darum, eine eigene Marke zu schaffen. Das macht die FPÖ auf ihren Plakaten mit simplen Reimen, Farben und Personen, die gerne blond sind und blitzblaue Augen haben“, erklärt Wodak und erinnert an Parolen wie „Daham statt Islam“ oder „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“.

Tabubrüche gehörten zur Markenstrategie rechtspopulistischer Parteien, denn die Formel ist einfach: „Maximaler Skandal bringt maximale Aufmerksamkeit.“ Interessant sei dabei die Rolle der Medien – sie seien in einer „No-win-Situation“, sagt Wodak: „Wenn man nicht darüber berichtet, wirkt es, als würde man es akzeptieren. Berichtet man, füttert man die Partei mit Aufmerksamkeit und hilft ihnen indirekt im Wahlkampf.“

Die Wissenschaftlerin beobachtet auch in Großbritannien die Entwicklung des Rechtspopulismus. Die EU- und Einwanderer-kritische United Kingdom Independence Party (UKIP) nehme an Anhängern zu. Auffallenden Zustrom hätten auch präfaschistische Parteien wie „Jobbik“ in Ungarn und „Golden Dawn“ in Griechenland.

Eine gefährliche Tendenz, sagt Wodak: „Dieses nationalistische Denken, das ‚sich abgrenzen‘, hat nichts mit den Werten der EU zu tun, die als solidarisches Friedensprojekt gedacht war. Es ist an der Zeit, die Wertediskussion neu aufzurollen.“