Chronik/Oberösterreich

"Risikoavers und zu bequem"

Christian Just ist seit Kurzem Österreichs Vertreter beim Internationalen Währungsfonds IWF in Washington. Er folgte dem aus dem Bezirk Braunau stammenden Johann Prader nach, der diese Funktion mehr als 25 Jahre innehatte und der kürzlich in Pension ging. Als ihn eine oberösterreichische Delegation unter der Führung von Wirtschaftslandesrat Michael Strugl besuchte, zeichnete Just ein sachlich-kritisches Bild der Lage in Europa und Österreich. "Der Euroraum sollte eine Nachfrage gestalten und mehr in die Infrastruktur investieren", empfiehlt er. "Weiters sollten Strukturreformen angegangen werden."

Internationalisierung

Österreich profitiere vom Aufschwung in Deutschland nicht so stark. Als Probleme sieht er das Bildungssystem, wo zwar viel Geld hineingesteckt werde, aber nicht sicher sei, was der Mehrwert sei. Die Internationalisierung fehle. Bei den Studenten gebe es zu wenig Bereitschaft ins Ausland zu gehen. Das Pensionsalter sollte erhöht werden, es müsse aber für die älteren Arbeitnehmer auch Arbeitsplätze geben. Österreich sei gut bei den alten, herkömmlichen Industrien, aber nicht bei den neuen Zweigen. "Wir sind risikoavers, wir sind zu bequem geworden." Der Internationale Währungsfonds sei an Österreich wegen der starken Bankenengagements in Osteuropa nach wie vor stark interessiert. Die Pleite der Hypo Alpe Adria schade dem Ansehen Österreichs.

Ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro (Grexit) würde Just "mit großer Sorge" sehen. Dabei ist er auch selbstkritisch: "Wir haben in Griechenland viel zu lange zugeschaut." Es sei immer gutes Geld nachgeworfen worden. Der Strukturwandel in der griechischen Wirtschaft sei nicht gelungen. In der Bürokratie seien alle an Besitzstandswahrung interessiert.

Sorgen bereitet Just auch die Situation in Frankreich. "Was passiert, wenn Marine Le Pen stärkste Partei wird?"

Just findet, dass Europa zu wenig reformfreudig ist. "Die Krise im Euroraum hat nicht lange genug gedauert, um zu grundlegenden Reformen zu kommen. Es hätte einer Änderung der Verträge bedurft.

Nach dem Gespräch mit Christian Just traf die oberösterreichische Delegation mit Axel von Trotsenburg, dem Vizepräsidenten der Weltbank für den Bereich Asien und Pazifik, zum Mittagessen im Metropolitan Club zusammen. Trotsenburg verwies auf die Verschiebung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Während China und Ostasien heute bereits 28 Prozent der Weltwirtschaft repräsentierten, würden es in 25 Jahren bereits mehr als 50 Prozent sei. Der Anteil Europas an der Weltwirtschaft werde von heutigen 19 Prozent auf 12 Prozent zurückfallen. Allein das siebenprozentige jährliche Wachstum von China mache das doppelte BIP Österreichs aus.

Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Erstens: "Europa kann die Herausforderungen nur geeint bewältigen." Zweitens: "Österreich muss wesentlich weiträumiger denken. Es wickelt 70 Prozent seines Handels rund um seine Grenzen ab. Wie kann es in der EU und außerhalb Europas stärker tätig sein?" Die Ausbildung sollte besser in der Wirtschaft integriert und darauf ausgerichtet sein, was international gebraucht werde. Aufgrund der hohen Lohnkosten bestehe Europas Chance primär im technologischen Vorsprung.

USA/Europa

Lars Hänsel, Leiter des US-Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte, die USA sähen in Europa noch immer den engsten Partner. Die Zukunft liege nicht unbedingt im bilateralen Verhältnis, sondern in der Frage, was man gemeinsam auf Basis gemeinsamer Werte in dritten Ländern tun könne. Die USA erwarten, dass die Europäer ihre militärischen Kapazitäten ausbauen und zwei Prozent des BIP für die Verteidigung ausgeben.