Chronik/Oberösterreich

Rabl: „Einen Wechsel nach Wien kann ich nicht ausschließen “

Andreas Rabl ist seit 2015 Bürgermeister von Wels – mit 63.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Oberösterreichs. Bei der Gemeinderatswahl im Herbst katapultierte der 49-Jährige seine FPÖ auf 46 Prozentpunkte, er selbst wurde im ersten Wahlgang mit 60 Prozent als Bürgermeister bestätigt.

KURIER: Sie sind an Corona erkrankt. Wie haben Sie die Krankheit erlebt?

Andreas Rabl: Symptomlos, ein leichter Schnupfen. Ich wäre jederzeit arbeitsfähig gewesen, hätte mich die Quarantäne nicht sechs Tage zu Hause gefangen gehalten.

Wie geht es der Stadt mit Corona?

Zahlenmäßig geht es uns gut. Wir haben sehr niedrige Werte, nur ein Welser ist auf der Intensivstation. Die Krankenhausauslastung ist sehr niedrig. Ein Problem sind die Corona-Maßnahmen, weil sie schwere Beeinträchtigungen für Handel und Gastronomie bringen. Wir können als Messestadt keine Großveranstaltungen durchführen. Das trifft uns wirklich hart.

In welchem Ausmaß?

Die Messe verzeichnete im vergangenen Jahr einen Abgang von drei Millionen Euro. Wir bekommen keine Unterstützungsgelder, weil sie im Eigentum der Stadt ist. Wenn nur ein Prozent jemand anderem gehören würde, bekämen wir sie. Diese Ungleichbehandlung fechten wir nun beim Verfassungsgerichtshof an. Der Umsatz ist in der Stadt um 20 Prozent zurückgegangen.

Der Corona-Kurs Ihres Bundesparteiobmannes Herbert Kickl ist auch in der FPÖ umstritten. Wie geht es Ihnen mit seiner Politik?

Kickl hat durchaus sehr pointiert Widersprüchlichkeiten in der Corona-Politik aufgezeigt. Der Lockdown für Ungeimpfte war zum Beispiel nicht evidenzbasiert. Warum darf man in Spar-Märkte gehen, wo sich die Menschen in Massen drängen und in eine Boutique, wo ein Einziger drinnen steht, darf man nicht hinein?

Sie sind also mit Kickls Kurs zufrieden?

Die FPÖ fährt einen richtigen Kurs. Die Artikulierung erfolgt ab und zu sehr akzentuiert. Das resultiert auch daher, dass Kickl in Wien in einer Oppositionsrolle ist. In Oberösterreich ist das anders, weil wir in einer Regierungsverantwortung sind. Hier muss man anders formulieren.

Formulieren Sie anders als Kickl?

Ja, das tue ist. Ich muss schauen, dass die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet. Wir haben in Wels eine Konzentrationsregierung, wo man zusammenarbeiten muss und soll. Das nehme ich sehr ernst. In Wien haben wir das nicht, da gibt es eine klare Opposition und Regierung. Jeder formuliert dort seine Positionen. Das führt zu einer Polarisierung, die schlecht ist. Ich halte es für eine fatale Entwicklung, dass man mit einer moralischen Überheblichkeit auf die Ungeimpften zeigt, sie verurteilt und teilweise aus der Gesellschaft ausschließt. Das ist eine völlige Fehlentwicklung.

Ein Auseinanderdriften gibt es auch in der FPÖ. Die einen halten Impfen für wichtig und gut, die anderen demonstrieren ununterbrochen dagegen.

Es gibt eine große Einigkeit in der Ablehnung des Impfzwangs. Bei der Frage, wie wir es mit der Impfung halten, hat es eine klare Linie gegeben: Es ist die höchstpersönliche Angelegenheit eines jeden. Ich habe es immer für einen Fehler gehalten, eine Heilbehandlung zu einer politischen oder ideologischen Frage zu machen. Ein Auseinanderdriften der FPÖ in der Impffrage sehe ich nicht.

Die FPÖ profitiert kaum von der coronakritischen Politik. Profiteur ist die MFG, die beispielsweise bei der Gemeinderatswahl vor einer Woche in Waidhofen an der Ybbs 17 Prozentpunkte erzielt hat. Diese Tendenz hat sich schon bei der Landtagswahl gezeigt.

Jemand, der Politik nur mit dem Schielen auf Wahlerfolge betreibt, wird über kurz oder lang scheitern. Die FPÖ war immer eine Partei, in der der Wert der Freiheit höchste Bedeutung hat. Wenn die Grund- und Freiheitsrechte gefährdet sind, muss man sich dagegen positionieren. Die Situation in Waidhofen ist eine spezielle, ich hätte die Frage unseres Spitzenkandidaten nach dem zuletzt gelesenen Buch nicht so beantwortet (Hitlers Mein Kampf, Anm.d. Red.).

Man wird sehen, wie die großen Wahlgänge ausgehen. Tatsache ist, dass die Regierungsparteien ÖVP und Grüne massiv für ihre Corona-Politik abgestraft worden sind. Das Problem haben nicht wir, sondern die Regierung. Die FPÖ hat sich nach allen Umfragen bei 20 Prozent plus stabilisiert. Bei den letzten Wahlen lagen wir bei 16 Prozent und waren eher im Trudeln.

Welche Koalition wird nach der nächsten Nationalratswahl folgen? Die FPÖ wäre ein möglicher Koalitionspartner, aber alle Parteien sagen, mit Kickl wollen wir nicht.

Sinn jeden politischen Handelns muss es sein, Verantwortung zu übernehmen, weil man nur in der Regierung die Möglichkeit hat, Gesellschaft und Staat nach den eigenen Vorstellungen zu formen. Kickl war vor 2017 Generalsekretär und er ist durch kantige Formulierungen aufgefallen. Als es um die Regierung ging, hat man ihn trotzdem angelobt. Daran ersieht man, wie Wahlergebnisse zu Änderungen in der Einstellung zu einer Person führen können. Als es um die Ablöse von Kanzler Kurz und die Bildung einer Minderheitsregierung ging, haben sowohl Pamela Rendi-Wagner als auch die Grünen sehr wohl mit Kickl gesprochen. Dieser angebliche Ring, mit Kickl nicht, ist schnell aufgebrochen worden. Die Machtpolitik zeigt uns, dass derartige Einschätzungen schnell über Bord geworfen werden. Ich erinnere an den ÖVP-Politiker Andreas Khol, der gesagt hatte, die FPÖ stünde außerhalb des Verfassungsbogens. Ein Jahr später war die FPÖ mit der ÖVP in der Regierung.

FPÖ-intern werden Sie als der Mann gehandelt, der die Freiheitlichen in eine allfällige Regierung führen könnte. Das wäre doch ein schöner Höhepunkt Ihrer Karriere.

Namen werden immer wieder genannt. Wir sind so weit weg von einer Regierungskoalition. Bürgermeister in Wels zu sein, ist schon ein Höhepunkt einer Karriere. Es gibt in Wels noch viel zu tun.

Das ist kein Nein zu einem Wechsel nach Wien.

Vor Kurzem hat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gesagt, man weiß nicht, was in fünf Jahren ist. Deshalb kann man es auch nicht generell ausschließen. Das gilt auch für mich.

Sie haben 2015 die Vorherrschaft der SPÖ in Wels gebrochen, nun haben Sie die ÖVP zertrümmert. Obwohl Manfred Haimbuchner und Sie einen ähnlichen Kurs verfolgen, hat die Landes-FPÖ zehn Prozentpunkte verloren, Sie haben zugelegt. Was sind die Gründe für Ihren Erfolg?

Es ist einfacher, als Nummer eins die Erfolge, die man hat, darzustellen. Der Amts- und Bürgermeisterbonus ist nicht zu unterschätzen. Er kommt auch dem Landeshauptmann zugute. Deshalb war die Ausgangslage eine unterschiedliche. Wir haben uns sehr stark auf Welser Themen fokussiert. Regionale Themen sind anders als überregionale. Wir haben ein sehr präsentes Team, das alle Bereiche abdeckt. Unsere Gemeinderäte sind in den Vereinen verankert und übernehmen dort Führungsaufgabe. Wir sind als FPÖ in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es gibt keinen Grund zu sagen, hier gibt es rechtsextreme Problemstellungen, die man bei anderen vermuten könnte oder die herbeigeredet werden.

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Wir lösen Probleme pragmatisch. Ohne große ideologischen Scheuklappen. Wenn es darum geht, die Stadt grüner zu machen, ist das kein Privileg der Grünen, wir als Freiheitlichen machen das mit Hausverstand und pflanzen 2.000 Bäume. Probleme kann man lösen, wenn man viel mit und unter den Leuten ist. Wir haben eine soziale Ader, wir haben den Gemeindebau saniert.

Welche Pflöcke wollen Sie in den nächsten fünf Jahren einschlagen?

Es sind drei große Pflöcke. Wir machen den ganz großen Park, den Central Park, mitten in Wels, indem wir das Messegelände verlegen und eine neue Messehalle bauen. Die neue grüne Lunge hat genau mit dem zu tun, von dem wir reden.

Der zweite Punkt ist, dass wir in Wels schuldenfrei sein wollen. Das schaffen wir in vier Jahren. Wir sind kerngesund und erwirtschaften auch in Corona-Zeiten Überschüsse. Die Verwaltungsreform funktioniert.

Wir wollen drittens die Kinderbetreuung so ausbauen, dass jedes Kind, von der Krabbelstube bis zum Kindergarten, einen Platz hat. Damit werden viele Probleme auf einen Schlag gelöst. Die Frauen können arbeiten gehen, ohne sich Sorgen um die Kinder machen zu müssen. Alleinerziehende werden aus ihrer Sozialmisere geholt. Das ist zu lange eine ideologische Frage gewesen, auch in unserer eigenen Partei. Man muss sich vom alten Familienmodell lösen.

Die neue Technische Universität wird in Linz angesiedelt, Wels geht leer aus. Sind Sie enttäuscht?

Alle reden von Dezentralisierung und vom Wasserkopf Wien. Das Gleiche gilt für Oberösterreich. Sobald es um konkrete Projekte geht, werden 1.000 Gründe angeführt, warum das nicht möglich ist. Ich frage mich dann immer, wie das in Deutschland geht, wo sehr viele Institutionen in verschiedenen Städten sind. Bei der Technischen Universität haben natürlich Faktoren für Linz gesprochen, aber aufgrund der verkehrsgünstigen Lage wäre Wels wegen der Bahnhofsnähe als Standortfaktor unschlagbar gewesen. Das verkehrstechnische Thema ist in Linz ungelöst. Ich habe dem Landeshauptmann gesagt, dass einzelne Städte bestimmte Institute aufnehmen könnten. Es wäre zum Beispiel das Thema Energie für Wels sehr passend.

Wir müssen aufpassen, dass die Technische Universität nicht die Fachhochschulen kannibalisiert. Wo sollen die 5.000 zusätzlichen Studenten herkommen? Derzeit gehen von zehn Studenten sieben nach Wien oder Graz. Vor allem wegen des besseren Lebensflairs. Linz hat hier nach wie vor einen Standortnachteil. Nur wegen einer zusätzlichen Universität werden die Leute nicht in Oberösterreich bleiben. Der Markt der Studenten bleibt im Wesentlichen gleich. Es ist ein bisschen blauäugig zu glauben, dass die Studenten nun in Massen in Linz bleiben.