Prozess gegen Pflegerin: Will "reflexartig" zugestochen haben
Gegen eine Pflegerin, die mehrmals auf den 83-jährigen Mann ihrer Klientin eingestochen haben soll, ist am Freitag in Linz der Prozess wegen versuchten Mordes eröffnet worden. Die 22-Jährige meinte, reflexartig in Notwehr gehandelt zu haben und erklärte sich nur teilweise der absichtlich schweren Körperverletzung schuldig. Der Staatsanwalt sprach von einem klaren Tötungsvorsatz der Rumänin.
Ausführlich schilderte der Ankläger, was sich am 22. Februar dieses Jahres und auch die Zeit davor in einem Doppelhaus in Leonding bei Linz zugetragen haben soll. Seit Jänner hatte die betagte Gattin des späteren Opfers eine 24- Stunden-Pflegerin von einer Agentur vermittelt bekommen. Das Ehepaar und die in der anderen Haushälfte lebende Tochter waren mit der zugeteilten Rumänin sehr zufrieden.
Ärger über Bezahlung
Nach fünf Wochen stand der obligatorische Wechsel an. So kam die Tochter der Pflegerin am 15. Februar ins Haus. Doch schon nach wenigen Tagen gab es Ärger: Die junge Frau sei "schlampig und unzuverlässig", führte der Staatsanwalt aus. Man habe sich mit der Pflegeagentur darauf geeinigt, dass die 22-Jährige am 22. Februar wieder von der Mutter abgelöst werde. Außerdem einigte man sich angeblich darauf, dass die junge Frau nur 50 statt 60 Euro Entlohnung pro Tag erhalte. Auch die Kosten für An- und Abreise hätte sie zurückzahlen sollen. Unterm Strich wollte die Familie für die sieben Tage vom 15. bis 21. Februar der Angeklagten nur 70 Euro zahlen, worüber die Pflegerin verärgert gewesen sei.
Am frühen Morgen des Abreisetages eskalierte dann die Situation. Der "Opa" sei in der Küche gewesen und holte Teller für das Frühstück aus dem Kasten, als die Rumänin mit einem "klassischen Fleischmesser", das aus dem Haushalt der Tochter der Pflegebedürftigen stammt, in dessen Kopf und Rücken einstach, schilderte der Staatsanwalt. Darauf habe der Pensionist sie an den Haaren gepackt und beide fielen zu Boden. Die Frau habe noch weiter auf den Mann eingestochen, bis sich dieser in den Flur retten und die Pflegerin in der Küche einsperren konnte.
Mit Schneeschaufel bewaffnet
Der Verletzte schaffte es dann zu seiner Tochter in die Doppelhaushälfte. Diese wiederum holte einen Nachbarn zu Hilfe, der "mit einer Schneeschaufel bewaffnet" ins Haus der Pensionisten ging. Doch die Angeklagte war inzwischen durch das Küchenfenster geflohen, auf der äußeren Fensterbank lag die Tatwaffe, beendete der Staatsanwalt die Rekonstruktion der Tat. Die Frau wurde wenig später von der Polizei gefasst.
Der Verteidiger meinte auch, dass die Chemie zwischen der jungen Pflegerin und dem Mann der Klientin nicht gepasst habe. Einen Mordvorsatz seiner Mandantin schloss er allerdings klar aus, so seien auch die sechs Verletzungen nur oberflächlich gewesen. Die Frau habe sicherlich nicht den Tod des Opfers ernstlich in Kauf genommen. Daher geht er von einer teilweisen absichtlichen Körperverletzung aus.
Die Angeklagte selber bestätigte, dass sie mit dem "Opa" nicht ausgekommen sei, er habe auch öfter mit seiner Frau gestritten, da sei sie eingeschritten. Am Morgen des Zwischenfalls in der Küche sei er ganz unvermittelt auf sie losgegangen und habe sie an den Haaren gezogen. "Ich habe ihn weggestoßen und um Hilfe geschrien". Er sei "sehr, sehr zornig und aufgebracht" gewesen. Dann habe sie auf "einem Möbel ein Messer gesehen" und es genommen. Als er sie erneut an den Haaren gepackt und mit Fäusten auf den Rücken geschlagen habe, sei sie kraftlos zu Boden gegangen.
"Aus lauter Angst habe ich gedacht, ich muss mich irgendwie verteidigen, versuchte aufzustehen, schrie laut und habe ihm einmal reflexartig mit dem Messer in die Stirn gestochen", schilderte sie ihre Sicht des Vorfalls. "Es war nicht meine Absicht, ihn zu verletzen", versicherte sie. Auf die Nachfrage der Richterin, wie sie sich die vielen Schnittwunden erkläre, meinte sie, vielleicht habe sie ihn danach noch mit dem "Messer gekratzt oder geschnitten".
Am Nachmittag sind die Gutachter am Wort. Ein Urteil ist erst für den 25. Oktober geplant.