Chronik/Oberösterreich

„Politik der kleinen Schritte“

Franz Gasselsberger (52) ist Generaldirektor der Oberbank.

KURIER: Ihr Lauftrainer, der ehemalige Marathonrekordhalter Gerhard Hartmann, schildert Sie als Vorbild an Selbstdisziplin. Woher rührt diese Charaktereigenschaft?

Franz Gasselsberger: Wahrscheinlich habe ich das in die Wiege gelegt bekommen. Insbesondere von meinem Vater. Er hat mir diese Kerntugenden wie Pflichtbewusstsein, Termintreue und Pünktlichkeit beigebracht. Dazu kamen die Lehrer in der Volksschule. Ich hatte entsprechende Lehrmeister bzw. Vorbilder. Das muss einem aber auch liegen. Ich kann es auch nicht erklären, aber es ist halt eine meiner Stärken.

Diese Selbstdisziplin hat Sie ganz nach oben geführt.

Ich habe immer eine Politik der kleinen Schritte verfolgt. Als ich 1995 meinen MBA gemacht habe, traf ich ich in Atlanta einen der Vorstände von Coca-Cola. Ich fragte ihn, wie man so eine Spitzenfunktion erreicht. Er antwortete, man müsse seinen Weg Schritt für Schritt gehen und zugleich mit beiden Beinen am Boden stehen. Man darf den Kopf nicht zu viel in der Höhe haben und die Bodenhaftung nicht verlieren. Mit einer Politik der kleinen Schritte kommt man auch ans Ziel. Vielleicht nicht so schnell, aber sicher. Das sieht man auch an der Politik der Oberbank, die eine des organischen Wachstums ist. Wir haben jährlich acht bis zehn Filialen gegründet, in den vergangenen fünf Jahren 50. Man muss nicht ein anderes, überteuertes Unternehmen kaufen. Die Vorsicht ist auch eine Eigenschaft, die mich bei all den Überlegungen auszeichnet. Man darf das Bestehende nie gefährden.

Welche Vision treibt Sie an?

Mein berufliches Lebensziel habe ich dann erreicht, wenn ich die Oberbank irgendwann einmal jemand übergeben kann, der so denkt wie ich. Es ist das Schönste auf der Welt, ein unabhängiges Unternehmen zu führen. Es soll die Selbstständigkeit des Unternehmens gewahrt bleiben. Das ist mein Auftrag und die ganz große Überschrift, von der sich alle Handlungen ableiten lassen. Mein Vorgänger hat dem Haus diese Freiheit gebracht. Vielleicht kann ich dieser Freiheit noch ein Stück hinzufügen. Am Ende der Tage wird nicht gefragt, ob der Gewinn ein bisschen höher ist oder die Filialen ein bisschen mehr sind, sondern das Entscheidende ist die Bewahrung der Unabhängigkeit des Unternehmens. Das ist meine Leitlinie.

Gibt es in Österreich zu viele Banken?

Ja.

Wie viele Banken sind zu viel?

Es ist eine Tatsache, dass wir im OECD-Raum die größte Bankendichte haben. Das ist für die Kunden nicht zum Nachteil. Die Margen im Kreditbereich sind für die Kunden besonders günstig. Wir stellen unsere Kosten dauernd auf den Prüfstand, damit wir unsere Produktivität erhöhen. Als Bank muss man sich wie jedes andere Unternehmen die Frage stellen, ob etwas fehlen würde, wenn es sie nicht gäbe. Das ist in Wahrheit die Existenzberechtigung unseres Hauses. Wir wollen am Bankenmarkt immer als Alternative gesehen werden.

Die westliche Welt steckt in einer Schuldenkrise. Es sind viele Menschen privat verschuldet. Ist in Österreich die Privatverschuldung zu hoch?

Nein, das glaube ich nicht. Es ist kürzlich eine Untersuchung veröffentlicht worden, welche Hypothekarkredite auf einen Österreicher entfallen. Sie sieht sehr gut aus. Außerdem gibt es bei uns traditionell eine hohe Sparquote, die in den vergangenen Quartalen auf 7,5 Prozent deutlich zurückgegangen ist. Sie lag immer bei rund zehn Prozent. Das hängt sicherlich mit dem niedrigen Zinsniveau zusammen. Es fließt viel Geld in den Konsum. Das hilft der Wirtschaft. Die Sparer verwenden ihr Geld aber auch für die vorzeitige Rückzahlung ihrer Privatkredite. Das ist eine Entwicklung, die wir in der Vergangenheit so nicht gesehen haben.

Der amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff meint, die Europäer stehen wegen der Staatsschuldenkrise vor einem verlorenen Jahrzehnt.

Die Amerikaner sind dann klug und weise, wenn es um die Beurteilung von anderen geht. Wenn man amerikanische Zeitungen liest, gewinnt man den Eindruck, der Untergang Europas ist nahe. Dabei sind die Verschuldungskennzahlen der USA um ein Vielfaches schlechter als die der Europäer. Auf der anderen Seite gibt es niemanden in Europa, der nicht erkannt hat, dass man die Situation sehr, sehr ernst nehmen muss. Wir waren im Oktober und November in einer sehr ernsten und schwierigen Situation. Die Liquidität der Staatsanleihen war sehr angespannt. Das Vertrauen der internationalen Kapitalmärkte war auf einem Tiefpunkt. Die Politik hat nun den Märkten signalisiert, dass entschlossen gehandelt wird. Die Situation wird volatil bleiben, aber die eingetretene Beruhigung wird sich 2012 fortsetzen.

Es gibt neuerliche Belastungen für die Finanzwirtschaft. Die Regierung hat die Finanztransaktionssteuer beschlossen.

Jedes isolierte Vorgehen eines Staates ist kurzsichtig. Die Vermögenszuwachssteuer ist jetzt weitestgehend von den Kunden verdaut. Sie hat auch mit dazu geführt, dass ausländische Investoren ihr Geld von der Wiener Börse abgezogen haben. Die Finanztransaktionssteuer tut einem Kapitalmarkt, der ohnehin schon kritisch beäugt wird, einfach nicht gut. Sie ist schädlich. Es gibt hier nicht den Anreiz in heimische Papiere zu investieren. Das führt nicht zu einer Stärkung des Standortes Österreich. Das war möglicherweise ein politischer Kompromiss, aber g’scheit ist er nicht.

Österreichs Banken sind in Osteuropa sehr stark engagiert. Die damit verbundenen Risiken haben Österreichs Rating belastet. Die Oberbank ist in Ungarn, Tschechien und der Slowakei vertreten. Ist das Osteuropa-Geschäft zu riskant?

Man muss unterscheiden zwischen den einzelnen Ländern. Es gibt risikobehaftete wie Ungarn oder Rumänien und es gibt sehr attraktive wie Tschechien, Polen oder die Slowakei. Es hat hier ungesunde Wachstumsraten im Kreditgeschäft von jährlich zehn, 20 und noch mehr Prozent gegeben. Manche haben zu wenig auf die Liquidität und die Refinanzierung durch die Kundeneinlagen geschaut. Es wurden andere Banken zu teuer gekauft. Zu schnell wachsen, zu teuer kaufen und die Grundprinzipien des Bankgeschäftes nicht beachten, das geht einfach nicht. Dafür muss man die Rechnung bezahlen.

Welche Konsequenzen zieht die Oberbank aus dem Osteuropageschäft?

Wir haben letzten Endes alles richtig gemacht. Man kann auf den osteuropäischen Markt nicht verzichten. Wir sind wirtschaftlich sehr eng mit unseren Nachbarländern verknüpft. Man kommt in Osteuropa auch nie zu spät. Es war im nachhinein gesehen richtig, zuerst nach Bayern zu gehen, wo wir seit 20 Jahren aktiv sind. Bayern ist unser wichtigster Wirtschaftspartner. 2004 sind wir nach Tschechien gegangen, 2007 nach Ungarn, 2009 in die Slowakei. Wir haben diese Märkte so wie unsere Heimmärkte bearbeitet. Mit der Gründung von Filialen riskiert man nicht viel. Man kommt nicht so schnell voran wie wenn man eine andere Bank kaufen würde, aber man riskiert nicht so viel. Diese Strategie hat sich bewährt.

Karriere: Der Marathonmann

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Lebenslauf:

Franz Gasselsberger (geb. 12.4.1959) stammt von einem Bauernhof in Ampflwang ab. Er studierte in Salzburg Jus und trat 1983 in die Oberbank ein. 1986 wurde er Geschäftsstellenleiter in Altheim. 1994 absolvierte er die Internationale Managementakademie. 1998 kam er in den Vorstand. 2005 wurde er Generaldirektor. Mit seiner Frau Gerti hat er drei Töchter. Hobbys: Halbmarathon, Bergsteigen.

150 Filialen:

Die Oberbank hat 150 Filialen (Stand Ende 2011): 99 in Österreich, 22 in Bayern, 18 in Tschechien, sechs in Ungarn und fünf in der Slowakei. Das Kerngeschäft findet aber immer noch in Oberösterreich und Salzburg statt. Die Filialen in Wien sollen in absehbarer Zeit auf 30 aufgestockt werden. Die Einlagen stiegen 2011 auf 11,3 Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss stieg auf 104 Mio. Euro nach Steuern.

 

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