Musik als Einstiegsdroge in die Naziszene
"Eine Dorfdisco in Ostdeutschland: Der Sänger grölt Gewaltparolen ins Mikro, das Publikum hebt die Arme zum Hitlergruß, brüllt "Sieg Heil". Und dann singen alle mit: Blut muss fließen, knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."
Rechtsrock-Konzerte, auf denen sich Neonazis ungehemmt austoben können, sind in Deutschland keine Seltenheit. Über Jahre hinweg hat der Journalist Thomas Kuban in der rechten Szene recherchiert, sich als Neonazi verkleidet und mit der Knopflochkamera auf Dutzenden einschlägigen Konzerten gefilmt. Ein Teil des Materials fand Eingang in Peter Ohlendorfs Film "Blut muss fließen – Undercover unter Nazis", der am Donnerstag auf Einladung von KZ-Verband und kommunistischer Jugendorganisationen in der Linzer Tabakfabrik gezeigt wurde.
"Jugendliche werden kaum politische Veranstaltungen besuchen oder Flyer lesen. Aber mit Musik sind sie erreichbar", erklärt sich Ohlendorf die demagogische Kraft des Rechtsrock, der ab den 1980ern von England nach Deutschland überschwappte.
Die Songtexte sind alle ähnlich gestrickt: Sie predigen Hass und Gewalt gegen Juden, Minderheiten und Ausländer, beschwören Heimat, Rasse und Volk und huldigen dem Nationalsozialismus. Adolf Hitler, steig hernieder, und regiere Deutschland wieder heißt es in einem Lied. "Bei den Konzerten passiert etwas, das mit Feiern und Alkohol beginnt und sich dann emotional aufschaukelt. Schlussendlich geht es um Radikalisierung, jemanden zu vertreiben und umzubringen. In dieser Szene ist der nationalsozialistische Untergrund groß geworden", meint Ohlendorf.
Zögerliche Behörden
Und was tun die Behörden? "Zu wenig", sagt der Regisseur. Die Hintermänner, alles andere als "dumme Nazis", hätten sich durch das jahrelang zögerliche Verhalten des Staatsschutzes gut organisieren können, eng verflochten mit dem rechtsextremen Netzwerk "Blood and Honour". "Man darf nicht vergessen, dass Rechtsrock ein richtig gutes Geschäft ist. Denken sie an den Eintritt, das Merchandising, den Alkohol", sagt Ohlendorf.
Dass gerade junge Menschen für die Botschaften der Rechtsrocker empfänglich sind, zeigen die gut besuchten Konzerte und der gewinnträchtige CD-Verkauf – meist illegal unterm Ladentisch oder über das Internet. "Es gibt eine große Verunsicherung durch die Globalisierung, ein Bedürfnis nach Heimat und Sicherheit. Und letztlich entscheidet auch das Angebot. Die Nazis sind am flachen Land oft als einzige präsent, und irgendwann geht man hin."
Von der Verunsicherung der Menschen profitiere auch die Bewegung "Pegida" (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands), meint Ohlendorf. "Man kann auf die Straßen gehen und seinen Unmut äußern. Eines geht aber gar nicht: Bei Pegida spielt wieder ein Faktor eine Rolle, den wir schon einmal hatten. Es wird eine religiöse Gruppe herausgegriffen, über die man sagt, die sind schuld, dass es uns schlecht geht, dass es Terror gibt. Auch der Faktor Neid spielt eine große Rolle", erinnert der Regisseur an die Verfolgung der Juden. "Bei Pegida darf man einfach nicht mitlaufen, weil da erwiesenermaßen Nazis dabei sind." Zum Glück gebe es in Deutschland mittlerweile eine sehr starke Gegenbewegung.