„Oktocopter“ bewahrt Rehkitze vor dem Tod durch die Klinge
Jäger Ernst Moser streift durch das hohe Gras zu einer Stelle, die ihm ein GPS-Gerät anzeigt. Dort, verdeckt von grünen Halmen, liegt ein Rehkitz – nur wenige Tage alt. Behutsam hebt er es auf und trägt es an den Rand der Wiese. Dann kommt die Mähmaschine und zerhäckselt sein Versteck auf wenige Zentimeter. Hätte Moser das Kitz nicht gefunden, wäre es jetzt Tierfutter.
Der Babyboom beim Wild kollidiert besonders nächste Woche mit den landwirtschaftlichen Mäharbeiten, da Schönwetter erwartet wird, erklärt der oö. Landesjägermeister Sepp Brandmayr. „Die Kitze werden von den Rehen ins hohe Gras gelegt. Wenn sie Angst haben, kauern sie sich zusammen und werden leicht übersehen.“ Die Dunkelziffer der Rehkitze, die in den geburtenstarken Monaten Mai und Juni über die Klinge springen, sei hoch: „Die Maschinen sind mit ihrer Schnittbreite von bis zu zwölf Metern so effektiv und schnell, dass die Landwirte oft gar nicht merken, wenn sie ein Reh zerhacken. Darum werden längst nicht alle Fälle gemeldet. Der Schaden für die Jagdwirtschaft ist jedenfalls beträchtlich.“
Testphase
Ein so genannter Oktocopter, ausgestattet mit einer Infrarot- und einer Normalkamera, soll Hunderte Bambi-Leben retten. Entwickelt wurde er in drei Jahren Arbeit von Forschern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, der Technischen Universität München und der Firma ISA. Als Berater in der derzeitigen Testphase steht ihnen der erfahrene Jäger und Biologe Moser aus Bad Zell im Mühlviertel zur Verfügung. Der Prototyp wirkt vielversprechend: „Pro Hektar braucht der Flieger etwa drei Minuten. Der Zeitfaktor ist für die Landwirte ein wesentlicher, weil sie bei Schönwetter ja sofort mähen müssen.“
Der Oktocopter sucht die Wiese aus 40 Metern Höhe mit Infrarot auf Lebewesen ab. Per GPS wird die Stelle markiert. Ein Helfer sucht dann das Tier und bringt es für die Dauer der Mäharbeiten weg. Ein Vorgängermodell, das nur am Boden angewendet wird, soll laut Moser bereits mehr als 6000 Kitze vor dem Tod bewahrt haben.
2015 soll das Fluggerät in Serie gehen und etwa 7000 Euro kosten. Ob es den Bauern das wert ist? Agrarlandesrat Max Hiegelsberger ist vorerst skeptisch: „Wenn es sich als praxistauglich erweist, sind Jäger und Landwirte gleichermaßen gefragt, ihren Beitrag zu leisten.“