Chronik/Oberösterreich

"Nicht länger zulasten der jungen Generationen"

Klaus Pöttinger (53) ist geschäftsführender Gesellschafter der Pöttinger Landmaschinenfabrik und seit 2004 Präsident der  Industriellenvereinigung.

KURIER: Beim Gang in Ihr Büro ist mir aufgefallen, dass Ihr Unternehmen über eine eigene Kaizen-Abteilung verfügt (Kaizen ist eine japanische Lebens- und Arbeitsphilosophie, in deren Zentrum das Streben nach ständiger Verbesserung steht).
Klaus Pöttinger: Es gibt pro Jahr 5000 Verbesserungsvorschläge. Jeder Mitarbeiter macht pro Jahr   fünf Vorschläge, wie  sein Umfeld billiger, qualitativer, ergonomischer etc.  verbessert werden kann. Hingegen sind die Veränderungsprozesse bei der öffentlichen Hand so träge, dass die Produktivitätsentwicklung sehr zurückgeblieben ist. Das ist der Grund, warum wir 54 Prozent  für die öffentliche  Hand ausgeben müssen und die Schweizer mit 44 Prozent auskommen.

Sie haben kürzlich gemeint, man müsse der Politik sagen, die Party ist vorbei.  Man  müsse in die Konflikte hineingehen und sie lösen. Wo sehen Sie die Konflikte?
Konflikt eins ist jede Strukturentscheidung.   Das betrifft sehr oft Amtsinhaber. Bürgermeister  wehren sich gegen  Gemeindezusammenlegungen mit der Begründung,  da hätte ich ja alles falsch gemacht, wenn ich plötzlich überflüssig wäre. Konflikt  zwei betrifft die Pensionen.  1970 haben wir 43 Jahre gearbeitet und  34 nicht. Heute haben wir 35 Arbeitsjahre und 48 Nicht-Arbeitsjahre. Konflikt drei ist die Umverteilung: Wir haben 1,9 Millionen Transferzahler und drei Mal so viel Transfer-Bezieher. Jeder  Leistungsträger sorgt also für drei Begünstigte. Hier liegen  Konflikte vor, die wir nicht  mehr zulasten zukünftiger Generationen lösen können.  

Die Landes-SPÖ hat  sehr scharf auf Ihre Äußerungen reagiert. Sie meint, der Staat  könne sich die Privilegien der Industrie nicht mehr leisten, wie zum Beispiel  die Exportförderung oder  die Gruppenbesteuerung, bei der dem Staat zwischen 350 und 500 Millionen Euro entgehen würden.
Österreich ist ein kleines Land. Wenn ich 300 km entfernt einen neuen Standort eröffne, bin ich schon im Ausland. Jeder neue Standort macht Verluste. Das steigert nicht den Wert eines Unternehmens. Die Gruppenbesteuerung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich unsere Betriebe im Export und in der Marktbearbeitung im Ausland entwickeln können. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz der Ökonomie, dass wir bei steigendem Wohlstand immer mehr exportieren müssen.  Wir können nur im Export wachsen.  Die SPÖ hat gesagt, dass wir zu viel exportieren und deshalb von diesen Märkten abhängig seien. Wir bewegen uns  mit diesen Retro-Strategien in die falsche Richtung, nämlich rückwärts. Das bedeutet Rückschritte im  Einkommen.

Ernst zu nehmende Ökonomen meinen, die Schulden lassen sich nicht allein durch Sparen, sondern nur durch Wachstum abbauen.
Es ist ganz wichtig, dass wir Wachstum bekommen. Investitionen der öffentlichen Hand haben einen Multiplikator von eins. Investitionen von Privaten einen  von 4,5. Wir sind sehr enttäuscht, wie die Diskussion derzeit läuft. Wir sollten den privaten Sektor motivieren mehr zu investieren.  Wir wollen  besser leben und mehr konsumieren.  Wenn wir stärkeres Wachstum haben wollen, müssen wir mehr exportieren. Derzeit wird jeder, der in Österreich investieren will,  verunsichert. Wir dürfen jene nicht entmutigen, die investieren wollen.

Landeshauptmannstellvertreter Josef Ackerl fordert,  dass die Millionäre mehr zur Sanierung des Budgets beitragen sollen.
Aber sie tragen  ja schon wesentlich mehr bei. Zehn Prozent der Einkommenssteuerzahler Österreichs zahlen 60 Prozent der Einkommenssteuer. Wie weit soll das Rad noch gedreht werden?  Die Zeiten sind aus Sicht der Industrie durchwachsen.

Was ist positiv, was ist negativ?
Positiv ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Industrie  und die Konjunktur. Die vielgescholtene private Realwirtschaft erweist sich als extrem robust, während die Staatsanleihen abstürzen. Negativ ist, dass nicht über Strukturreformen gesprochen wird, sondern dass  die Reichen und damit die Leistungsträger stärker besteuert werden sollen. Das ist frustrierend und demotivierend. Wenn Sie ein Mensch mit viel Vermögen wären und Sie hätten die Wahl zwischen Österreich und einem anderen Land, dann würden die meisten aus Vorsicht und Vernunft das andere Land wählen.

Sie wollen Gemeindezusammenlegungen. Aber  alle Abstimmungen enden negativ.
Zwei Indikatoren sprechen dagegen.  Bei den Messen in Ried und Wels bin ich sehr oft auf dieses Thema angesprochen worden. Und zwar neun zu eins für Zusammenlegungen.  Mehr als 80 Prozent der Oberösterreicher sagen, es gibt zu viele Gemeinden. Eine Zusammenlegung braucht aber mehrere Jahre Vorbereitung.  Zuerst   muss man informieren, dann diskutieren  und erst am Ende sollen die Schlussfolgerungen gezogen werden.    Das geht nicht so schnell. Im Fall von Hagenberg geht es um eine Ersparnis von 500 Euro pro Familie. Nun soll es ja statt einer Fusion von drei Gemeinden eine Kooperation von vier Kommunen geben. Mit diesem Ergebnis bin ich auch zufrieden.

Ihnen geht die  Verwaltungsreform nicht weit genug.  Wo soll gespart werden?

Wir müssen in die  Strukturen hinein. Meine Meinung deckt sich ausnahmsweise mit der  Position einer Sozialdemokratin,   nämlich von Nationalratspräsidentin Barbara  Prammer. Sie tritt für die Abschaffung der Bezirkshauptmannschaften ein. Gemeinden sollen größer werden, sie können einen Teil der  Aufgaben der Bezirkshauptmannschaften übernehmen. Den anderen Teil übernimmt das Land.
Wenn die Menschen in der Lage sind, von Grieskirchen nach Linz zum Einkaufen oder ins Kino zu fahren, dann kann man doch nicht erwarten, dass jede öffentliche Leitung in Fußgehweite  zu  leisten ist. Das Gericht braucht man durchschnittlich einmal im Leben,    die Gemeinde besucht man  einmal im Jahr.   Das gilt auch für die Strukturen im Gesundheitswesen.     So ehrlich müssen wir sein. Oder wir sagen, wir wollen das unbedingt haben, dann müssen wir auch dafür zahlen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Pühringer? Ist es nicht durchwachsen? Auf der einen Seite Lob, auf der anderen Seite Kritik.
Das Verhältnis ist ausgezeichnet. Am ehesten lässt  es sich so beschrieben: Wir haben dieselben Ziele,  vielleicht mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

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