„Neue Uni soll europaweit die Avantgarde der Digitalisierung sein“
Von Josef Ertl
Meinhard Lukas (50) ist Professor für Zivilrecht und seit 2015 Rektor der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU).
KURIER: Hendrik Lehnert, Ihr Rektorskollege in Salzburg, war „total sprachlos“, als er von der neuen Technischen Universität (TU) Linz gehört hat. Er wollte an seiner Universität eine Fakultät für digitale und analytische Wissenschaften gründen. Waren Sie ähnlich sprachlos?
Meinhard Lukas: Sprachlos nicht, aber überrascht. Für mich war die Idee völlig neu. Ich habe mir aber gleich gedacht, Oberösterreich ist der richtige Standort.
Sie hatten geplant, die Johannes Kepler Universität in die Technologische Universität Linz umzuwandeln bzw. umzubenennen. Haben Sie diese Idee mit Bildungsminister Heinz Faßmann schon einmal erörtert?
In unserem Entwicklungsplan, das ist die Sechs-Jahres-Strategie, ist eine klare Profilbildung in Richtung Technologische Universität im Sinn einer Volluniversität vorgesehen. Unser Zugang war und ist, dass Technologie nicht nur ein technisches Phänomen ist, sondern ein gesellschaftliches, wirtschaftliches, rechtliches, ein medizinisches Phänomen.
Jetzt gibt es den Plan, eine eigenständige technische Universität zu gründen, wie immer sie dann auch heißen wird. Das ist noch eine stärkere Profilierung am Standort Oberösterreich. Das ist eine veränderte Situation, bei der aber alle Beteiligten als Gewinner hervorgehen können.
Das macht Ihren Plan zunichte, die Johannes Kepler Universität in eine technologische Universität umzuwandeln.
Klar, es stellt unsere Strategie ein Stück weit auf den Kopf, aber es gibt unglaubliche Chancen, weil neues Geld und ein neuer Schub in die Idee kommen sollen. Aufgabe von Universitäten ist es, agil auf Situationen zu reagieren. Das trauen wir uns. Jetzt wird sich die Strategie der JKU weiter entwickeln. Die technologischen Themen in den Sozialwissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften, den Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, in der Medizin, bleiben ja technologische Themen.
Ich gehe davon aus, wenn das Projekt erfolgreich sein soll, wenn es der große Wurf sein soll, dann muss das eine Verschränkung von TU und JKU sein, bei aller Selbstständigkeit, die die Politik will. Verschränkung heißt dann, dass das Schwesteruniversitäten sind, die sich dem Technologiethema gemeinsam widmen.
Sabine Seidler, Rektorin der Technischen Universität der Wien und Präsidentin der österreichischen Universitätenkonferenz (UNIKO), hält eine TU Linz für nicht sinnvoll.
Man muss verstehen, dass die UNIKO die nicht unberechtigte Sorge hat, dass das budgetäre Folgen haben kann.
Für Linz mehr Geld, für die anderen Unis weniger.
Es wird die Politik gut beraten sein, rasch klarzustellen, dass das nicht eintritt. Denn ansonsten wäre das ein schlechter Start für die Technische Universität. Die Politik muss sicherstellen, dass dafür zusätzliches Geld kommt.
Wie viel müssten das mindestens sein?
Es war von 150 Millionen Euro Jahresbudget im Vollausbau die Rede.
Das erscheint nicht so viel.
Das ist annähernd das Budget der TU Graz. Dieses zusätzliche Budget, das von der Politik genannt worden ist, muss durch frisches Geld abgebildet werden. Das wird einen Teil der Sorge entkräften.
Es darf die Technische Universität Linz, oder wie immer sie auch heißen wird, nicht more of the same sein.
Was sollte inhaltlich an dieser neuen Universität stattfinden?
Sie muss einerseits digitale Avantgarde sein. Sie muss weit vorausdenken, was digitale Entwicklungen betrifft. Und andererseits soll sie eine Universität des digitalen Humanismus sein. Das wäre das Gegenmodell zum Silicon Valley, zum amerikanischen Modell. Eine Universität, die in digitalen Bereichen nicht nur höher, schneller und weiter will, sondern die auch die Folgen der digitalen Transformation für den Menschen im Blick hat und sie kritisch reflektiert.
Das könnte die JKU machen.
Das kann die JKU machen, aber das gehört im technischen Prozess mitgedacht. Das sollten diese beiden Universitäten gemeinsam leisten.
Wenn Ihre Vorstellung umgesetzt werden würde, nämlich zwei Unis, ein Campus, eine Verwaltung, ein LIT (Linz Institute of Technology), dann führt das zur Schlussfolgerung, dass es dafür keine neue Universität braucht, sondern es würde eine Erweiterung der JKU reichen.
Das glaube ich nicht. Es ist das Ziel, die zwei Universitäten in voller Leistungsfähigkeit zu haben, das heißt, ein Maximum an Wirksamkeit des frischen Geldes. Es gibt in Wien und Graz jeweils eine Universität und eine Technische Universität. Es gibt in Lausanne mit dem Polytechnikum ein sehr gutes Beispiel. Sie ist eine der besten technischen Universitäten der Welt und daneben gibt es die Universität Lausanne.
Es kann schon einen Sinn machen, dass die eine Universität die ganz starke Fokussierung im technischen Bereich hat, und in Linz europaweit die Avantgarde der Digitalisierung entsteht, dass Linz der absolute Hotspot der Digitalisierung wird. Und es auf der anderen Seite eine breit aufgestellte Volluniversität gibt. In dieser Dualität kann man sehr wirksam werden, aber man soll nicht alles doppelt machen, was man nicht doppelt braucht.
Auf dem JKU-Campus wurde und wird vieles umgebaut bzw. neu errichtet. Wo soll hier noch Platz für die neue Technische Universität sein?
Es gibt im Westen des Campus ausreichend Platz, um die Idee zu realisieren. Unter der Annahme, dass man die Infrastruktur (Mensa, Verwaltung etc.) gemeinsam nutzt.
Welche Antwort haben Sie von der Politik bekommen, als Sie davon gehört haben, dass eine neue Universität kommen wird?
Das waren sehr vertrauliche Gespräche mit Landeshauptmann Thomas Stelzer und Bundesminister Heinz Faßmann. Ich habe in der Zwischenzeit mit beiden wiederholt geredet. Diese Gespräche stimmen mich sehr positiv, dass hier wirklich ein großer Wurf geplant ist und dass man sich die Latte möglichst hoch legen will.
Das heißt, es müssen internationale Kapazitäten geholt werden. Wenn man sie haben will, muss man sie natürlich entsprechend bezahlen.
Das ist überhaupt keine Frage. Mindestens so wichtig wie das Gehalt sind das Umfeld und die Struktur dieser neu zu gründenden Universität. Für Forscher ist die Frage entscheidend, welche Möglichkeiten sie vorfinden. Die Universität muss so verfasst sein, sodass sie sagen, das können wir an keinem anderen Ort so realisieren.
Es ist eine unglaubliche Chance, so eine Universität neu zu konstituieren. Das ist auch die Chance der Universität, dass man hier Dinge völlig neu machen und neu ausprobieren kann, die man an bestehenden Universitäten nicht machen kann.