Chronik/Oberösterreich

Nazi-Stollen: Wahrheit soll ans Tageslicht

Andreas Sulzer ist ein hartnäckiger Mann. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Linzer Filmemacher mit den Stollen, die die Nationalsozialisten ab Ende 1943 in St. Georgen an der Gusen, Bezirk Perg, von KZ-Häftlingen zur geheimen Rüstungsproduktion in die Erde treiben ließen. In der Anlage mit dem Tarnnamen "Bergkristall" wurde unter anderem das Düsen-Jagdflugzeug "Messerschmitt Me 262" gefertigt. Doch das sei nicht die ganze Wahrheit, meint Sulzer. Seine Recherchen würden beweisen, dass das Stollensystem deutlich größer gewesen sei, als derzeit bekannt.

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Bei einem Infoabend Mittwochabend präsentierte der Filmemacher Fotos, die kurz nach Kriegsende aufgenommen wurden. Darauf sind unter dem Stollen "Bergkristall" die Eingänge zu zwei weiteren Anlagen zu sehen. Bisher gingen Historiker von nur einer Röhre aus. "Die Anlage hatte wahrscheinlich sogar fünf Etagen", meint Sulzer. Durch ein Pumpsystem hätte es keine Probleme mit dem Grundwasser gegeben.

Dafür, dass die SS unter der Führung von General Hans Kammler in den Stollen nicht nur Düsenflugzeuge herstellen ließ, gibt es weitere Indizien. So kamen am Bahnhof von St. Georgen kurz vor Kriegsende hunderte Waggons mit angeblich brisanter Ladung an. Wohin sie verschwand, ist unbekannt. Außerdem ist der Name "Bergkristall" eng verknüpft mit beinahe allen namhaften NS-Rüstungsbetrieben. Auch Uran und andere gefährliche Stoffe könnten ihren Weg in die Mühlviertler Stollen gefunden haben und noch heute dort gelagert sein.

Atombombe?

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Gerüchte, wonach Hitlers Schergen in St. Georgen an der Atombombe forschten, sind freilich reine Spekulation "Wir sind den Opfern eine seriöse Aufarbeitung schuldig", sagt der Grazer Historiker Stefan Karner. Am 5. November tritt erstmals ein Expertengremium aus Historikern, Geologen und Behördenvertretern zusammen.

St. Georgens Bürgermeister Erich Wahl (SPÖ) begrüßt das neu entflammte Interesse an "Bergkristall": "Wir müssen die Indizien ernst nehmen. Auch in Hinblick auf eine Gefährdung der Bevölkerung." Wasser- und Bodenproben seien bisher aber immer unbedenklich gewesen.