Nach 70 Jahren SPÖ-Regentschaft steht Wels vor politischer Wende
Von Jürgen Pachner
Nach fast 16 Jahren als Welser Stadtchef wird sich Peter Koits (SPÖ) nach der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am 27. September in die Polit-Pension zurückziehen.
Der 74-Jährige hat lange – viele meinen zu lange – die Geschehnisse der Messestadt geprägt. Vor allem die vergangenen sechs Jahre bewerten selbst wohlmeinende Genossen hinter vorgehaltener Hand als Epoche des Stillstands und des Durchlavierens. Dadurch, dass Koits bis zum letztmöglichen Tag im Amt bleibt, versagte er dem langjährigen Kronprinzen Hermann Wimmer, von der Poleposition aus in den Wahlkampf zu starten.
"Dass man als amtierender Bürgermeister einen größeren Vorteil hätte, liegt auf der Hand", sagt SPÖ-Spitzenkandidat Wimmer mit hörbarer Bitterkeit in der Stimme. Dass das Einvernehmen zwischen ihm und dem Vorgänger nicht mehr zum Allerbesten bestellt war, pfeifen die Spatzen vom Rathausdach.
Frust
Die Ausgangslage scheint für den 62-jährigen Wimmer nicht allzu günstig. Der Betrugsskandal (eine Mitarbeiterin soll 377.000 Euro abgezweigt haben, Anm.) und ein mögliches Kontrollversagen rund um das städtische Erlebnisbad Welldorado haben viel Frust erzeugt. Auch ein enger Verwandter des SPÖ-Finanzreferenten soll involviert sein. An den Stammtischen gibt man der roten Führungscrew eine Mitschuld daran, dass der Kriminalfall jahrelang unentdeckt blieb.
Familiensilber bleibt
FPÖ-Spitzenkandidat Andreas Rabl scharrt angesichts der für ihn günstigen Stimmungslage bereits ungeduldig in den Startlöchern. "Ich will Bürgermeister werden", verkündet er jedem, der es hören will. Ein Wunsch, der nicht mehr realitätsfern ist.
"Nach 70 Jahren SPÖ-Misswirtschaft ist Wels abgesandelt", sagt Rabl. Der hohe Migranten-Anteil (23,7 Prozent), die Drogenproblematik und die Arbeitslosenstatistik (7,8 Prozent) führt er als Belege an. Die Mehrheit der Bevölkerung sehne einen Wechsel herbei. 2009 hatte die FPÖ bei der Gemeinderatswahl bereits 29,24 Prozent erreicht, die SPÖ 35,7. Bei der Bürgermeister-Stichwahl zog Bernhard Wieser (FPÖ) gegen Koits knapp den Kürzeren.
Rabl: "Auch im Bildungsbereich ist Feuer am Dach – die Hälfte der Schulkinder kann nicht Deutsch." Sollte er Bürgermeister werden, will er eine Magistratsreform durchziehen. "Die Verwandlung in ein modernes Service- und Dienstleistungszentrum wäre dringend nötig." Dass er aber beabsichtige, einzelne Magistratsbereiche und städtische Betriebe (wie das E-Werk, die Müllabfuhr und Tagesheimstätten) zu privatisieren, bestreitet er massiv. "Ich würde vom Familiensilber nichts verscherbeln."
Zünglein an der Waage im Kampf um den Stadtchef-Posten will ÖVP-Vizebürgermeister Peter Lehner sein. Auch wenn seine Partei vermutlich nicht viel auf das Ergebnis von 2009 (21,33 Prozent) draufsetzen kann, hofft er auf einen Einzug in die Stichwahl. "Dort könnte ich Rabl schlagen. Wimmer hat gegen ihn keine Chance."
Auch die grüne Spitzenkandidatin Elke Mayerhofer hofft auf einen Politwechsel in Form von mehr Zusammenarbeit: "Die vergangenen sechs Jahre waren für Wels leider verlorene Jahre."