Mutter erstach ihren vierjährigen Sohn: Einweisung in Anstalt
Von Jürgen Pachner
Eine sichtlich gebrochene Frau sitzt am Freitag auf der Anklagebank im Landesgericht Linz. Immer wieder wird Judith M. von Tränen übermannt, ihre Stimme zittert. Die 31-Jährige hat ihre wichtigste Bezugsperson verloren – aus eigenem Verschulden. Auch wenn sie sich an ihre Tat nicht erinnern kann.
Am 6. März 2012 soll sie ihren vierjährigen Sohn im Haus der Eltern in Reichenau im Mühlviertel getötet haben. Sechs Mal rammte sie David ein Skalpell in die Brust, der Kleine verblutete. Zuvor hatte sie den Buben mit einem Medikamenten-Cocktail vergiftet. Die toxische Konzentration hätte ausgereicht, ihn umzubringen. Doch Judith M. wollte anscheinend sicher gehen, dass er stirbt. „Er war mein Ein und Alles“, sagt die arbeitslose Lehrerin.
Ihr eigener Selbstmordversuch schlug fehl. Ihre Mutter fand sie gerade noch rechtzeitig leblos auf der Couch – daneben lag ein Brief mit den Worten: „Ich konnte David nicht einfach allein lassen.“ Ärzte retteten ihr Leben.
Nebenwirkungen
Die Frage nach dem Warum beschäftigt das Schwurgericht. Seit Jahren kämpft die Angeklagte gegen massive Panik- und Angstattacken. Mehrmals wechselte sie ihre Ärzte, weil diese angeblich nicht helfen konnten. „Die Tragödie hätte man verhindern können“, glaubt Verteidiger Andreas Mauhart. Er gibt dem Gesundheitssystem eine gewisse Mitschuld. Eine Ärztin soll M. vor der Tat ein starkes Antidepressivum verschrieben, sie über mögliche Nebenwirkungen – speziell eine verstärkte Selbstmordneigung, aber nicht aufgeklärt haben.
Am 6. März verspürte M. den dringenden Zwang sich umzubringen, mit einer Tablette wollte sie sich beruhigen. „Nach der Einnahme hat sich mein Zustand aber noch verschlechtert.“ Ein Sturz aus dem Dachfenster und ein Strick waren die ersten Überlegungen. „Mama, ich will bei dir bleiben“, habe David gesagt. Sie verabreichte dem Sohn Medikamente: „Dann verschwimmt alles.“
Psychiatrie
Gutachter Reinhard Haller attestiert M. eine starke Verzweiflung. Aufgrund einer depressiven Störung und einer Persönlichkeitsstörung sei sie zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen. Ihre Zukunftsprognose fällt ungünstig aus. Er rät zur Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher. Das Gericht stimmt zu – Staatsanwalt und Verteidigung verzichten auf Rechtsmittel.
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