Mit der Tochter auf dem Regiestuhl
Von Daniel Voglhuber
Schriftsteller Erich Hackl hat die Feder gegen den Regiestuhl eingetauscht. Gemeinsam mit Tochter Libertad, die auch hinter der Kamera stand, hat er im Film „Der Heimwehträger" das Leben des Autors, Dramaturgen und österreichischen Honorarkonsuls in Uruguay, Fritz Kalmar (1911 bis 2008), beleuchtet. Dieser musste Österreich 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlassen und nach Lateinamerika fliehen.
„Ich habe seine Wohltaten in Uruguay lange beobachtet. Dort hat er sich für politisch Verfolgte der Militärdiktatur eingesetzt, sie im Gefängnis besucht und unterstützt", erzählt Hackl, den mit Kalmar eine enge Freundschaft verband.
Vor Kalmars Tod hat der in Steyr aufgewachsene Künstler mit Unterstützung seiner 31-jährigen Tochter den Exilautor noch in Montevideo interviewt. Dieser erzählte den beiden seine Erinnerungen – von der Kindheit in Wien angefangen bis zur Gegenwart der Aufnahmen. Nach Kalmars Ableben befragten sie Weggefährten über seine Hilfsbereitschaft oder auch seine Sehnsucht nach der verlorenen Heimat.
Perspektiven
Die Dokumentation zu drehen war Hackls Art zu Schreiben nicht unähnlich. In den Erzählungen Abschied von Sidonie, Die Hochzeit in Auschwitz oder Als ob ein Engel baut er ebenfalls Zeugenaussagen oder Zitate aus Dokumenten ein. Damit entstehen unterschiedliche Perspektiven auf das Geschehen. „Ich nehme mich zurück, um den Blick auf die Helden freizugeben." Am Mittwoch präsentieren Libertad und Erich Hackl ihr Werk beim Crossing-Europe-Filmfestival in Linz.
Bekannt wurde der studierte Germanist und Hispanist vor allem als Chronist von Gräueltaten des Nationalsozialismus und lateinamerikanischer Militärjunten in den 1970er-Jahren. In seinen Erzählungen rücken Einzelschicksale aus der Zeit in den Vordergrund. Der heute in Wien und Madrid lebende 57-Jährige sieht sich als Vertreter der engagierten Literatur. „Wo der politische, gesellschaftliche oder soziale Aspekt fehlt, ist mein Interesse gering", sagt Hackl. Sein Anliegen sei es, Menschen, die oft unbekannt sind, aber Wichtiges gemacht haben, ein Denkmal zu setzen. „Ich möchte sie vorstellen. Auf sie soll nicht vergessen werden."
Freude
Das bringt mit sich, dass die meisten seiner Werke scheinbar düster ausfallen. „Meine Mutter hat zu mir gesagt, schreib doch einmal etwas Lustiges." Hackl selbst jedoch empfindet bei der Arbeit an seinen Werken stets große Freude. „Wenn mir Menschen ihre Geschichten anvertrauen, ist das ein Genuss für mich."
Kennzeichnend für Hackls literarisches Werk ist ein unaufgeregter, ruhiger Stil, der über eine aufreibende Handlung berichtet. Nicht selten wird er seit seinem Debüt Auroras Anlaß im Jahr 1987 im Feuilleton mit Heinrich von Kleist verglichen. „Wenn man über den Tod, das Leben oder das Überleben schreibt, braucht es eine kühle Sprache." Den Lesern würde, falls die extremen Ereignisse auch rasant geschildert werden, sonst der Blick auf diese fehlen.
Erich Hackl tritt am Montag, 23. April, um 19.30 Uhr im Linzer StifterHaus auf. Dort liest er mit Exilschriftsteller Alfredo Bauer. Am Mittwoch, 23. April, stellt er mit seiner Tochter um 18 Uhr im Ursulinensaal Linz den Film „Der Heimwehträger“ vor.
Crossing Europe: Sechs Tage Kino-Marathon in Linz
Die Landeshauptstadt wird in dieser Woche zum neunten Mal das Mekka für heimische Cineasten. Das Crossing-Europe-Festival zeigt vom 24. bis 29. April 146 Filme unterschiedlicher Sparten.
Mit der Österreich-Premiere von David Fischers Six Million and One wird der neue Ursulinensaal im Kulturquartier in Beschlag genommen, der ab heuer neben dem City- und dem Moviemento-Kino als Festspielort fungiert. Im Film erforscht der israelische Regisseur mit seinen Geschwistern die KZ-Stationen seines Vaters in Oberösterreich (Di., 24. 4., 20.30 Uhr im Ursulinensaal und um 21 Uhr im Movie 2).
Ein weiterer Höhepunkt ist die Präsentation von Kurt Langbeins Grenzfälle – erzählt von Robert Menasse. Darin begleitet der Regisseur den Schriftsteller zu Menschen, die Grenzen überwinden. (So., 29. 4., 18 Uhr, Ursulinensaal).
Ein Schwerpunkt des Festivals ist die Reihe Local Artists, bei dem das oberösterreichische Filmschaffen in den Mittelpunkt rückt. David Gross geht in Holy Waters der Frage nach, ob das Wasser wirklich Wunder bewirken kann und begegnet dabei Gurus und Marienverehrerinnen. (Do., 26. 4., 21 Uhr, Movie 2, So. 29. 4., 13.30 Uhr, Movie 2).
Mit dabei ist auch die Uraufführung des Werks Attwenger Fluxgigs. Markus Binder vom Duo Attwenger hat hierfür drei Monate Tourneeleben mit seiner Handy-Kamera aufgezeichnet. (Mi., 25. 4., 18.30 Uhr, Movie 2 und Sa., 28. 4., 20 Uhr, KAPU).
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