„Ministerium verletzt Datenschutz“
Knapp 3000 Stellungnahmen haben besorgte Bürger gegen die geplante Linzer Westringautobahn (A26) eingebracht. Im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hat das Verkehrsministerium (BMVIT) die Einwände veröffentlicht – und zwar im Internet.
Alle Gegner der umstrittenen Autobahn wurden mit vollem Namen und ihrer Wohnadresse genannt, auch die jeweiligen Einwände wurden zum Teil im Wortlaut publiziert. „Das ist nicht die gängige Praxis in UVP-Verfahren. Es gibt keine Rechtsgrundlage, die das erlauben würde“, sagt der Linzer Universitätsprofessor und Datenschutzexperte Nicolas Raschauer.
Teilweise haben die Westring-Gegner in ihrem Stellungnahmen gesundheitliche Beschwerden und Vorerkrankungen angeführt. Auch diese wurden vom BMVIT veröffentlicht: „Mein Gesundheitszustand ist leider schlecht. (...) Ein Herzinfarkt und die Entnahme meiner Nieren (...) haben mein Leben massiv verändert“, heißt es im Einwand eines Linzers. „Ich erlitt (...) einen schweren Autounfall (...). Seitdem bin ich leicht ‚behindert‘“, führte eine Frau in ihrer Stellungnahme an.
„Es ist ein Skandal, dass diese sensiblen Daten einfach veröffentlicht wurden und für jedermann im Internet einsehbar sind“, sagt die Betroffene im Gespräch mit dem KURIER. Der Linzer Rechtsanwalt Alfred Jaeger – er ist Sprecher der Bürgerinitiativen gegen den Westring – pflichtet der Frau bei: „Dem Ministerium ist ein grober Fehler unterlaufen. Man hätte die Einwendungen zumindest anonymisieren können.“
Jaeger berichtet von einer Bekannten, die in ihrer Stellungnahme eine Lungenkrankheit erwähnte. „Sie ist in der Arbeit darauf angesprochen worden. Es ist nichts passiert, aber im schlimmsten Fall können Arbeitgeber solche Daten missbrauchen.“
Empört zeigt sich auch Hans Zeger, Obmann der Arge Daten: „Das kann es nicht sein, hier wurde der Datenschutz verletzt.“ Zeger vergleicht die UVP mit einem Gerichtsverfahren. Ein solches sei auch öffentlich, deshalb habe aber noch lange nicht jeder Unbeteiligte Zugang zu den relevanten Akten. Die grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser spricht von einem „Bruch des Datenschutzes“.
BMVIT rudert zurück
„Alles rechtskonform“ hieß es hingegen zunächst aus dem BMVIT. Hinweise auf Erkrankungen hätten die Betroffenen „im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens“ selbst eingebracht. Am Freitag ruderte das Ministerium dann zurück: „Wir nehmen datenschutzrechtliche Bedenken natürlich sehr ernst. Deshalb werden wir auf die detaillierte Einschätzung der Datenschutzkommission warten und uns genau anschauen, ob wir nachjustieren müssen“, sagte ein Sprecher.
Die Datenschutzkommission wurde bereits einige Tage zuvor vom KURIER mit dem Fall konfrontiert. Eine Statement war ihr bis dato nicht zu entlocken. Man müsse zunächst mit dem Ministerium sprechen.
Am Freitag wurden die Stellungnahmen der Westring-Gegner von der Internetseite des BMVIT entfernt – „bis zur Klärung des Sachverhalts“, wie es hieß.
4,7 Kilometer langer Westring in Linz kostet 646 Millionen
Umstritten. Der Linzer Westring (A 26) ist schon seit Jahren Gegenstand politischer Streitereien. Der Teil nördlich der Donau wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Ab 2015 soll allerdings mit dem 646 Millionen teuren und nur 4,7 Kilometer langen Südabschnitt begonnen werden. Der„Restring“, wie ihn Kritiker nennen, führt vom Knoten Bindermichl auf der Mühlkreisautobahn (A7) durch mehrere Tunnel, quert die Donau im Westen von Linz und mündet dann in die Rohrbacher Bundesstraße.
Oberösterreichs Straßenbau-Referent Franz Hiesl (ÖVP) verspricht sich vom Westring eine Entlastung für die Linzer Bevölkerung und die zahlreichen Pendler aus dem Mühlviertel. Auch die Wirtschaft steht hinter dem Straßenprojekt.
Kritiker behaupten hingegen, dass die A26 die Verkehrsprobleme in und rund um Linz nicht lösen kann. Im Gegenteil: Es drohe nicht nur die Zerstörung des Naturschutzgebiets Urfahrer Wände, sondern auch eine massive Schadstoffbelastung im Linzer Bahnhofsviertel.
Diese Woche fanden in Linz mündliche Verhandlungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) statt. Laut Grünen-Verkehrssprecherin Gabriela Moser ist dieses Verfahren aber ohnehin nicht ausreichend. Die EU sehe eine strategische Umweltprüfung vor und habe Österreich deshalb bereits abgemahnt.