Chronik/Oberösterreich

„Müssen den ersten Schritt machen“

Martin Felhofer (66) ist seit 1989 Abt des Prämonstratenserklosters Schlägl, dem 41 Mitbrüder angehören. Es verfügt über die Stiftsbrauerei, 6500 Hektar Wald im Böhmerwald und über 800 Hektar zwischen Aurach und dem Attersee. Zudem gehört die Skiliftanlage am Hochficht zu 50 Prozent dem Stift.

KURIER: Die Landesausstellung „Alte Spuren, neue Wege“ versucht einen Brückenschlag zwischen Oberöstereich und Südböhmen. Ihr Stift liegt in Grenznähe. Wie ist das Verhältnis zu den Tschechen?
Martin Felhofer: Es gibt einen guten Aufbruch. Es ist eine völlig neue Bevölkerung dort. Wir hatten bis 1947 zwei Pfarren drüben: Kirchschlag und Friedberg. Unser Stift ist 1218 noch vor Hohenfurth (1258) gegründet worden. Die Rosenberger haben nicht nur Hohenfurth gegründet, sondern uns auch den Nordwald üb ertragen. Seitdem gab es die Brücke nach Böhmen. Es war eine sehr lebendige Beziehung.

Wie ist heute der Kontakt?
Wir haben zu unseren Klöstern in Prag, in Tepla und in Selau einen guten Kontakt. Den gab es auch schon in den Zeiten des Kommunismus. Das religiöse Leben hat auch nach der Wende nicht Schritt gehalten mit dem touristischen Leben.
Wir haben sehr viel Kontakt gehabt mit den Vertriebenen. Sie haben vom Moldauturm in ihre Heimat geschaut. Sie haben bei uns auch ihre Treffen abgehalten. Meine Großmutter kommt von Böhmen, sie war eine Sudetendeutsche.
Wir profitieren von den Arbeitskräften. Wir haben im Winter beim Skilift zwei Tschechen angestellt. In der Gastronomie im Winter acht und im Sommer vier. Wir sind sehr zufrieden. 30 Prozent unserer Skigäste am Hochficht kommen von Tschechien. Dass sie, wie behauptet wird, günstigere Skiliftkarten bekommen, ist ein Märchen. Dafür verbürge ich mich. Das sind genau die Vorurteile. Man mag sie nicht, dann bringt man solche Dinge auf. Was uns trennt, ist die Sprache. Aber viele Tschechen können Deutsch. Die Jugend ist mehr an Englisch interessiert.

Von den Vorurteilen zeugen Sprüche wie „Behmisch einkaufen“, oder „Trau, schau, wem, nur keinem Griechen und keinem Behm“ oder „Ein Behm und ein Stier ist ein wildes Tier“.
Diese Vorurteile sind einfach da.

Haben sie die Ursache in den Vertreibungen?
Wahrscheinlich. Man muss das geschichtlich sehen. Ich kenne unsere Klöster in Ungarn und Tschechien. Die Beziehung zu Ungarn ist sicherlich nicht so belastet wie zu Böhmen. Das hat sich wahrscheinlich festgefahren. Und wenn sich etwas festgefahren hat, kommen die Vorurteile. Bei uns im Kloster gibt es die Vorurteile nicht, weil wir das Band des Ordens haben. Was ich schon merke ist, dass wir mehr auf die Tschechen zugehen müssen. Wir müssen immer den ersten Schritt machen. Es sind schon Ressentiments da. Sie reichen weit in die Geschichte zurück, bis zu Jan Hus (religiöser Reformer, 1369–1415). Unsere Aufgabe ist es, die Sachen offen auszusprechen. Ich hätte mir zum Beispiel beim EU-Beitritt klare Worte zu den Vertreibungen erwartet. Wir brauchen das nicht verschweigen, es ist Unrecht geschehen. Auch den Tschechen gegenüber.
Ich bin 1947 geboren. Wir haben schon vom Studium der Theologie her keine Vorurteile mehr gehabt. Der Glaube ist eine große Kraftquelle, Vorurteile zu überwinden. Entweder sind wir Brüder und Schwestern oder wir sind es nicht. Dann kann man immer noch sagen, ich verstehe dich nicht, ich tue mir schwer, dir zu vergeben. Die Kirche und der Glaube haben hier eine großen Brückenbauerfunktion.
Wir profitieren sehr von der Öffnung, denn wir liegen nun nicht mehr am Rand.

Wie geht es Ihnen mit dem neuen Papst Franziskus?
Gut. Ich bin sehr zufrieden. Aufgrund seiner Worte und Zeichen, seiner Bescheidenheit und Natürlichkeit. Er nennt sich Bischof von Rom, er wird die Ortskirchen wieder ernster nehmen. Das wird sich bei den Bischofsernennungen auswirken. Er bezieht die Nuntiaturen und Bischofskonferenzen mehr in die Meinungsbildung ein. Auch die Einberufung der achtköpfigen Reformergruppe drückt aus, dass er ein Hörender sein will. Wenn er auf die Basis hört, auf seine Mitbrüder, die Jesuiten, wird er spüren, wo der Schuh drückt, wo Not ist. Ob das materielle oder seelische Not ist.