Chronik/Oberösterreich/Linz

Schneestangen-Mord: 18 Jahre Haft und Unterbringung in Zentrum

Nach einem langen Tag wurde am frühen Donnerstagabend das Urteil in dem Fall gesprochen: 18 Jahre Haft, außerdem Unterbringung in einem forensisch-psychiatrischen Zentrum.

Die Vorgeschichte

Es war ein grauenhafter Anblick für den Mann, der die junge Frau an diesem 12. Februar in der Früh tot auf einem Feldweg nahe Bad Leonfelden gefunden hat. 

    Damals soll ein 19-jähriger Oberösterreicher nach einem Besuch im Casino in Tschechien eine ebenfalls 19-jährige Freundin durch Schläge und Stiche mit einer angespitzten Schneestange sowie zahlreiche Tritte gegen den Kopf getötet haben.

    Mehr lesen: Nach Mord mit Schneestange: Verdächtiger als zurechnungsfähig eingestuft

    Außerdem lesen Sie in diesem Artikel:

    • Das Plädoyer des Staatsanwalts
    • Die Aussage des Angeklagten
    • Zeugenbefragung
    • Die Aussage des Gerichtsmediziners
    • Das psychiatrische Gutachten

    Die tote Frau wurde in den Morgenstunden des besagten Sonntags von einem Mann leicht bekleidet auf einem Forstweg im Bezirk Urfahr-Umgebung gefunden. Der junge Mann gestand seinem Bruder später, dass er die junge Frau getötet habe.

    Heute steht der junge Mann vor Gericht, die Staatsanwaltschaft hat zudem die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch therapeutischen Zentrum beantragt. Laut Staatsanwaltschaft Linz habe sich der Mann im Ermittlungsverfahren geständig gezeigt. Dem Angeklagten drohen 10 bis 20 Jahre Freiheitsstrafe, da es sich beim ihm um einen jungen Erwachsenen handelt.

    Der KURIER berichtet live vom Prozess

    Der junge Angeklagte wird um Punkt 9.30 Uhr in den Gerichtssaal geführt, er trägt einen akuraten Kurzhaarschnitt, schwarze Hosen, schwarzes Polo, schwarz-weiße Sneakers. Er nimmt gefasst und ruhig auf der Anklagebank Platz und lässt das Blitzlichtgewitter gelassen über sich ergehen.

    Das Interesse ist auch abseits der Medien groß. Im Schwurgerichtssaal sind über 50 Zuseher, auch die Galerie ist voll. Der Mord hat im Februar schon für großes Aufsehen gesorgt.

    Das Plädoyer des Staatsanwalts

    Der Staatsanwalt blendet zu Beginn seiner Anklage das Foto der Getöteten ein. Steffi, 1.12.2003  bis 12.2.2023. Nach einem Abschiedsmail von Schulkolleginnen der Getöteten liest Philipp Christl aus der Anklage vor: „Ich habe auf sie eingeschlagen und versucht, sie zu erwürgen. Dann schlug ich mit einer Schneestange gegen ihren Kopf. Sie blutete und bewegte sich noch. Ich habe gedacht, sie erstickt am Blut.“ 

    Sie konnte noch aus dem Auto raus. Der Angeklagte: „Ich trat so lange auf sie ein, bis sie sich nicht bewegte. Mit der spitzen Seite der Schneestange habe ich auf sie eingestochen, wie oft weiß ich nicht.“

    Der Staatsanwalt ist überzeugt: Er wollte, dass sie tot ist. Nach der Tat sei der Angeklagte noch nach Hause gefahren, habe aber versucht, alles zu verschleiern. Sein Bruder habe ihn erst dazu gebracht, sich zu stellen: „Das war nicht die Reue, die ihn bewogen hat.“

    Persönlichkeitsstörung

    Dann geht es um die Psyche. Der Mann leide unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, weit entfernt von einer Unzurechnungsfähigkeit: „Aufgrund dieser Störung ist zu befürchten, dass er ähnliche Taten auch später wieder begehen wird.“ Deshalb sei er in ein Zentrum für forensisch-psychiatrische Einrichtung einzuweisen.

    Der Verteidiger hat dem kaum etwas entgegenzusetzen: „Mein Mandant übernimmt die volle Verantwortung.“
    Ihm geht es um das Strafausmaß. Der Angeklagte habe wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen, das Geständnis und seine Unbescholtenheit seien ihm zuzurechnen. 

    5.000 Euro habe der Angeklagte als symbolischen Beitrag der Familie der getöteten Frau als Schadenswiedergutmachung angeboten und der Verteidiger schloss mit dem Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit.

    Der Privatbeteiligtenvertreter weist den Versuch der Schadenswiedergutmachung zurück, das sei in diesem Fall unmöglich. Maximal ein Trauerschmerzensgeld könne bezahlt werden, das aufgrund des Todeskampfes, den „Steffi“ durchmachen musste, sehr hoch auszufallen. 
    Das Gericht hat sich zur Beratung über den Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen, zurückgezogen.

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    Die Aussage des Angeklagten

    „Ich bekenne mich schuldig“, sagt der Angeklagte auf die Frage des Richters, laut und deutlich. Seine bisherige Verantwortung halte er aufrecht. Danach verliest er eine Erklärung. „Es gibt keine Entschuldigung, unternehme aber den Versuch, mich bei der Familie von Steffi aufrichtig zu entschuldigen.“ Seit der Inhaftierung denke er jeden Tag über den Vorfall nach. Er finde keine Erklärung für seine Ausraster, für seine Kurzschlusshandlung. Er habe fast nicht geschlafen, eine Spielsucht entwickelt und Alkohol und Tabletten konsumiert. In Kombination „mit meinem bisher erfolglosen Lebensverlauf“ habe das zu dieser unentschuldbaren Tat geführt. 

    „Ich fühle mich sehr zurechnungsfähig und übernehme die volle Verantwortung. Seit ich in der JA Linz bin, habe ich mich angepasst. Mein Handeln muss bestraft werden, bitte aber um eine Chance eines milden Urteils. Darüber hinaus werde ich keine Fragen mehr beantworten.“

    Warum er keine Fragen beantworten will, fragt der Richter. „Weil es mir unangenehm ist“, erklärt er dem Richter. Dieser betont, dass er nun die Aussagen des Angeklagten verlesen werde.

    Zwei bis drei Wochen kenne er Steffi, heißt es darin, sie seien „nur“ Freunde gewesen.  In der Tatnacht fuhr er mit Steffi bis vier Uhr früh im Casino. Steffi hat etwas gewonnen, dann wieder verspielt, er selbst habe 100 Euro verspielt, während er ein paar Bier getrunken habe. Am Weg zum Skigebiet Sternstein habe er in einer Parkmulde geparkt, um einvernehmlich Sex mit der jungen Frau zu haben. Danach wollte er wieder ins Casino und fragte Steffi um Geld. Diese wollte ihm keines geben, es gab Streit, dann habe er auf sie mit der Schneestange eingeschlagen.

    Nach einem wilden Kampf im Auto, wo er versucht habe, sie zu erwürgen, konnte sie kurzzeitig noch flüchten. Vergebens. Weitere Schläge mit einer Schneestange, Tritte gegen den Kopf, Stiche in die Brust mit der Schneestange. Das Mädchen hatte keine Chance. Er selbst sei dann noch durch die Gegend gefahren, zu Hause übernachtet und das Fahrzeug nach dem Aufwachen gereinigt, Gegenstände von Steffi und seine blutverschmierten Kleider habe er in einem Waldstück versteckt. 

    Er habe überlegt, nach Kanada zu flüchten, sich aber dennoch mit seinem Bruder getroffen. Dieser habe bemerkt, dass etwas nicht stimme, schließlich habe der Angeklagte ihm die Tat gestanden: „Ich habe Steffi getötet.“ Sein Bruder habe daraufhin die Polizei gerufen, von der er sich festnehmen habe lassen.

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    Zeugenbefragung

    Die Befragung des einzigen Zeugen: er und sein Frau haben dem Mädchen angeboten, sie mit nach Hause zu nehmen. Dann kommt es zur Befragung des einzigen Zeugen. Der Mann war in der Tatnacht auch in dem Casino in Tschechien, dort habe er Erlebnisse mit dem Angeklagten gehabt, den er als kurzzeitigen Kollegen von der Arbeit kenne. Dieser sei nach Mitternacht auf ihn zugegangen und habe ihn gefragt, ob er Geld haben könne. 

    Schon in der Nacht sei er sehr aufgebracht gewesen, auch im Gespräch mit seiner Freundin sei er sehr aufbrausend und unangenehm gewesen. Seine Frau habe Steffi noch gewarnt: „Der ist gefährlich.“ Er und seine Frau hätten dem späteren Mordopfer noch angeboten, sie mit nach Hause zu nehmen. Das wollte sie nicht.

    Aussage des Gerichtsmediziners

    Nun ist der Gerichtsmediziner über die Todesursache am Wort. Er empfiehlt vorab den Zuhörern, den Raum zu verlassen, falls sie mit „Bildern, die wirklich starker Tobak sind, und das sage ich selten“, ein Problem haben. Dann geht er ins Detail, die wir nicht in der Deutlichkeit ausführen wollen. Jedenfalls ist die junge Frau nach massivem Blutverlust und den Folgen der starken Gewalteinwirkung verstorben. Schon das erste Bild schockiert, viele wenden den Blick ab.

    Ob der Fülle der Verletzungen weiß der Gutachter gar nicht, mit welchen er beginnen soll. Er lässt keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte mindestens zehn Mal mit massiver Gewalt mit der spitzen Schneestange auf die zierliche Frau eingestochen haben muss. 

    Die Schilderungen das Gutachters lassen keine Zweifel offen: Die junge Frau muss ein unglaubliches Martyrium auf dem Feldweg bei Bad Leonfelden durchgemacht haben, der Zustand der Lunge belegt, dass sie „am eigenen Blut ertrunken sei“. Der Gutachter schließt mit den eindringlichen Worten: „Ich habe noch nie eine so große Anzahl an stumpfer Gewalteinwirkung erlebt, wo die Verletzungen so tief in den Körper eingedrungen sind.“

    Das psychiatrische Gutachten

    Nun ist Adelheid Kastner, die forensisch-psychiatrische Gutachterin, an der Reihe. Die zentralen Fragestellungen: War er zurechnungsfähig und ist es nötig, den Angeklagten dauerhaft in einem forensisch-psychiatrischen Zentrum unterzubringen oder „reicht“ die Verurteilung zu einer Haftstrafe.
    Zuvor stellt der Verteidiger erneut den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, der erneut abgelehnt wird.

    War er zurechnungsfähig, konnte er zwischen Recht und Unrecht unterscheiden? 
    Leidet er unter einer nachhaltigen psychischen Störung und ist zu befürchten, dass er in absehbarer Zeit eine gravierende Straftat verüben wird? 

    Kastner beginnt bei der Geburt des Angeklagten und seines älteren Bruders – die Mutter habe nach den Geburten psychische Störungen entwickelt. Das habe auch in der Versorgung des Kindes zu Problemen geführt – und zur Trennung der Eltern. Der Angeklagte sei schließlich mit der Mutter alleine gewesen, die ihm keine Sicherheit vermitteln konnte. Im Gegenteil – sie habe viele Selbstmordversuche unternommen, der kleine Sohn, der heute auf der Anklagebank sitzt, habe für sie die Verantwortung übernommen. Kastner: „Da hat alles seinen Anfang genommen. Er war gefangen und alleingelassen in der Situation mit seiner Mutter.“
    Kastner legt seine intellektuellen Fähigkeiten an der untersten Grenze fest, was oftmalig zu Überforderung, etwa in der HTL, geführt habe. Der junge Mann habe keine Plan für sich und sein Leben entwickeln können. 

    "Opferrolle"

    Bei der Lehre hätten sich Ansichten entwickelt, die die Tat erklärt, nicht entschuldigt, wie sie betont. Er habe begonnen, eine Opferrolle einzunehmen, alle anderen seien prinzipiell an seiner Misere schuld: „Er fragt nie, was sein Anteil daran ist.“

    Kurze Zeit arbeitet er als Hilfsarbeiter, das habe gepasst, der nächste Versuch einer Lehre habe wieder zu einem Scheitern geführt. Druck von allen Seiten steigt, er greift zu Cannabis und anderen Drogen: „Das löst natürlich keine Probleme.“

    Kontakte mit einer Psychiaterin finden statt, aber nicht konsequent. Aber er geht mit der – nicht gestellten – Diagnose der Schizophrenie „hausieren“. 
    Dann startet seine Casino-Tour – mit einem Jackpot wolle der Angeklagte seine finanziellen Probleme im Casino lösen. Schon da habe er wütend auf Automaten eingeschlagen. 
    Mit dem Druck, unbedingt gewinnen zu wollen, sei er auch an diesem verhängnisvollen Tag im Februar nach Tschechien ins Casino gefahren. 
    Auf dem Feldweg dann eskaliert alles: Wieder einmal habe alles nicht funktioniert, daraus entsteht die Wut – „die hat er an dem Opfer ausgelassen. Das war ihm wichtiger, als sich selbst einmal zu hinterfragen“, sagt die Gutachterin, um wieder darauf zurückzukommen: „Er sieht sich immer wieder als Opfer, das sich selbst nie hinterfragt.“

    Er weise die Struktur eines „verdeckten Narzissmus“ auf, ist für Kastner klar. Er habe eine Anspruchshaltung entwickelt, die nie erfüllbar sei. Diese divergiere „maximal zu den Fakten“, damit werde er immer wieder scheitern, weil der diese Anforderungen nie erfüllen könne. Was immer wieder zu einer unsagbaren Wut führen werde.

    Schließlich beantwortet Kastner die eingangs gestellten Fragen: „Er leidet sicher nicht an Schizophrenie. Eine daraus resultierende Schuldunfähigkeit lässt sich daher nicht ableiten.“ Deshalb war er aus Sicht der Gutachterin jedenfalls zurechnungsfähig, „wie er das auch selbst angeführt hat“.
    Zur zweiten Frage nach der Zukunft: „Ja, er hat eine schwerwiegende nachhaltige Störung.“ Diese habe auch dazu geführt, dass bisher nichts in seinem Leben funktioniert habe: „Er funktioniert nicht, und wird weiter nicht funktionieren.“ Sie glaubt auch, dass therapeutisch kaum etwas auszurichten sei: „Selbst in der Klinik musste er wegen seiner Wut oft in Isolierzimmer untergebracht werden.“

    "Wut ist bodenlos"

    „Es ist vorprogrammiert, dass er in absehbarer Zeit wieder an Grenzen stoßen wird, die er wieder nicht akzeptiert und gegen die er Rage vorgeht. Diese Wut ist bodenlos und zeitig katastrophale Folgen“, ist Kastner überzeugt. Zu befürchten seien schwerste Körperverletzungen bis hin zu Tötungsdelikten. 

    Kastner hat ein Prognoseverfahren angewendet auf den Angeklagten: Sie haben ihn in die Kategorie sechs von sieben einordnen müssen. Nur 21 Prozent aller Straftäter sind gefährlicher als er. 44 Prozent der Straftäter mit ähnlichen Voraussetzungen werden innerhalb von sieben Jahren wieder rückfällig.“ 

    Kastner abschließend: „Aus psychiatrischer Sicht liegen die Voraussetzungen vor, ihn in ein forensisch-psychiatrisches Zentrum einzuweisen.“

    Das abschließende Plädoyer brachten keine neuen Erkenntnisse: Staatsanwalt und Verteidiger sind sich bei der Frage nach Mord und Einbruchsdiebstahl einig – das ist so passiert, wie wir es jetzt gehört haben, ist der Staatsanwalt überzeugt. Was er abschließend mitgeben wollte: Ein Foto des jungen, hoffnungsvollen Mädchens Steffi: „Nicht so, wie im Gutachten auf den Fotos hingeschlachtet, sondern so, wie sie gelebt hat.“

    Unbescholtenheit als Milderungsgrund?

    Bei der Strafbemessungen erklärte er: „Bei einem Erwachsenen wäre das lebenslang.“ Beim jungen Erwachsenen nicht. Zu den Milderungsgründen meinte der Staatsanwalt: „Unbescholtenheit, ja. Aber reumütiges Geständnis? Nein, er hat ohne Regung erzählt, wie er das Mädchen hingeschlachtet hat.“

    Dennoch plädiert er für eine harte Strafe: „Er hat das Leben von Steffi beendet, das der Familien zerstört. Sein Bruder, der immer zu ihm gehalten hat, muss erkennen: Das ist ein brutaler, empathieloser Mörder.“ Er fordert eine höchstmögliche Strafe und die Einweisung in ein forensisch-psychiatrisches Zentrum – um weitere mögliche Morde möglichst zu verhindern.

    Das letzte Wort hatte der Angeklagte

    Der Verteidiger äußert sich zum Tatablauf gar nicht mehr, bringt noch den Beitrag zur Wahrheitsfindung als Milderungsgrund ein und fordert deshalb, das Strafausmaß nicht auszuschöpfen.
    Der Privatbeteiligtenvertreter merkte nur kurz die Brutalität an, mit der der Angeklagte das Mädchen getötet hat, und betonte, dass die anerkannten 5.000 Euro für den erlittenen Schaden zu gering bemessen seien.

    Das letzte Wort hatte der Angeklagte, der sich nur den Worten des Verteidigers anschließen wollte.