Immer jünger immer schneller kurzsichtig
In der Schule zwickt Felix die Augen zusammen, tut sich schwer mit den Buchstaben vorne auf der Tafel. Er kämpft mit schwindenden Leistungen und fehlendem Lernerfolg. Daheim muss er beim Fernsehen direkt an den Bildschirm rutschen, nur so kann er alles gut sehen. So wie Felix geht es immer mehr Kindern. Sie leiden an Kurzsichtigkeit (Myopie). Und die Betroffenen werden immer jünger.
„Nicht nur ich, auch meine Kolleginnen und Kollegen bemerken, dass die Kurzsichtigkeit vor allem bei Sieben- bis Neunjährigen stark zunimmt. Diese Altersgruppe war vor der Pandemie seltener betroffen.“ Paul Niederberger ist niedergelassener Augenarzt in Traun und Fachgruppenobmann der Augenärzte OÖ. Kurzsichtigkeit wird durch ausgeprägte Naharbeit verursacht, sprich durch stundenlanges Lesen genauso wie durch stundenlange Bildschirmnutzung. Da aber die Bildschirmnutzung in der Pandemie ebenfalls signifikant gestiegen sei, könne man hier auf jeden Fall einen Zusammenhang vermuten, so Niederberger.
Nicht mehr rückgängig
Was feststeht: Kindliche Kurzsichtigkeit kann nur eingedämmt, aber nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aktuelle Studien zeigen, dass das beste Mittel zur Eindämmung der Myopie der Aufenthalt im Freien ist. Da muss das Auge in Ferne schweifen, „das ist nachgewiesen effektiv“.
Was kann man also tun, um Kurzsichtigkeit bei Kindern vorzubeugen? „Bewusst Pausen bei Naharbeiten einplanen, bewusst in die Ferne schauen. Und aus Empfehlungen geht sehr wohl hervor, dass es Sinn macht, die Zeiten vor dem Bildschirm so kurz wie möglich zu halten.“
Augenärzte beschäftige derzeit vor allem, wie das starke Voranschreiten der Kurzsichtigkeit unter Kindern einzudämmen sei und wie verhindert werden kann, dass Kinder in eine hochgradige Myopie (ab sechs Dioptrien) rutschen. „Denn hier wird es wirklich ernst. Wer im Kindesalter hochgradig kurzsichtig ist, hat als erwachsener ein 22-fach erhöhtes Risiko für eine Netzhautablösung und ein 14-fach erhöhtes Risiko für Grünen Star. Da sind dann immer Operationen im Spiel“, erklärt Paul Niederberger.
Um das zu vermeiden, gibt es derzeit drei Strategien, wie kindliche Myopie medizinisch behandelt wird: Spezielle Augentropfen, spezielle Kontaktlinsen und Brillengläser mit einem besonderen Schliff. Und eben Vorbeugung durch bildschirmfreie Zeiten im Freien bei Tageslicht und frischer Luft.
Geboren wird der Mensch mit etwas zu kurzem Auge, das dann wächst, bis es auf die Arbeitsentfernung gut eingestellt ist. Eine Myopie entsteht, wenn der Augapfel vor allem zwischen dem achten und 15. Lebensjahr zu lange wächst – also genau jenes Alter, in dem Bildschirme aller Art vermehrt spannend werden.
"Eltern als Vorbilder"
„Wir sehen in unseren Studien einen klaren Trend zur Steigerung der Bildschirmzeit bei Kindern und Jugendlichen.“ Peter Eiselmair ist Leiter der Education Group, die mit dem Market Institut die jährlich abwechselnd erscheinende Kinder-Medien- und Jugend-Medien-Studie verantwortet. Seit 15 Jahren werden dabei Daten zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen erhoben.
„Es gibt natürlich auch sinnvolle Nutzungen von Medien, aber es braucht Begleitung, eine Vorbildwirkung der Eltern und das Vereinbaren sinnvoller Regeln“, so der Experte. Die Empfehlung für den Medienkonsum liegt für Vier- bis Sechsjährige bei 20 bis 30 Min. pro Tag, für Sechs- bis 10-Jährige bei 45 min. und für 11- bis 14-Jährige bei einer Stunde.
„Im Durchschnitt beträgt die Zeit vor Bildschirmen derzeit 118 min. pro Tag, das ist definitiv zu viel“, sagt Eiselmair.
Was können Eltern dagegen tun? „Alternative Angebote schaffen und aufzeigen, mit den Kinder rausgehen, Routinen wie etwa einen medienfreien Nachmittag etablieren.“