Chronik/Oberösterreich

„Körper, Geist & Seele im Einklang“

Gerhart Hartmann hielt mit 2:12:22 Stunden 23 Jahre lang den österreichischen Rekord im Marathon (42,2 km). Heute ist der 57-Jährige als Berater und Coach tätig, betreut unter anderem Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger und diverse Laufgruppen.

KURIER: Sie betreuen unter anderem eine Laufgruppe der Firma Pöttinger in Grieskirchen.
Gerhard Hartmann: Wir sind da mehr als 50 Leute. Ich habe das auch schon in der Oberbank gemacht. Es macht mir Riesenspaß, wenn ich sehe, dass wir etwas bewegen. Es geht mir nicht nur um das Laufen, sondern um eine globale Körperausbildung. Damit man nicht nur die Ausdauer trainiert, sondern die gesamte Körpermuskulatur stärkt.

Was bedeutet globale Körperausbildung?
Es sollen nicht nur die Beine trainiert werden, sondern auch Arme, Bauch und Rumpf. Das gehört alles zu einem fitten Zustand. Vordergründig geht es um die Ausdauer, aber während der Ausdauer sollte man Kräftigungsübungen machen. In den simpelsten Formen. Wer kann heute schon Liegestütze machen? Man trainiert damit sehr viele Muskelgruppen. Das merkt jeder, der Liegestütze macht. Viele Menschen haben heute zum Beispiel Rückenprobleme. Sie resultieren von einer deformierten Muskulatur. Sie nimmt ihre Funktion nicht wahr, weil sie nicht betätigt wird. Wenn man aber zum Beispiel nur Bauchmuskulatur trainiert, dann bekommt man irgendwann einmal Defizite in der Rückenmuskulatur.

Am 22. April findet der Linz-Marathon statt. Was würden Sie jenen empfehlen, die sich jetzt noch entschließen, beim 10-km-Lauf zu starten?
Hier bin ich sehr vorsichtig, denn ich weiß nicht, wie der körperliche Zustand des Einzelnen ist. Ich kann einem, der bereits regelmäßig gelaufen ist, andere Empfehlungen geben, als einem, der sich am Stammtisch mit ein paar Kollegen zusammentut und sagt, wir laufen hier mit. Insofern müssen die Ratschläge sehr unterschiedlich ausfallen.

Es müsste doch jetzt noch möglich sein, dass man mit dem Training für den 10-km-Lauf startet.
Absolut. Wenn er ganz beharrlich an der Sache arbeitet, kann er das schaffen. Für einen blutigen Anfänger sollte die Zeit sekundär sein. An erster Stelle sollten der Spaß und das Erfolgserlebnis darüber sein, dass er imstande ist, die 10 km durchzulaufen. Dann sollte er lachend ins Ziel kommen.

Sie sind heute als Coach tätig. Sie empfehlen das Laufen aus gesundheitlichen Gründen. Warum?
Ich habe 20 Jahre Hochleistungssport auf höchstem Niveau betrieben. Nach dieser Zeit habe ich mich gefragt, soll es das gewesen sein? Ich habe erkannt, dass Laufen viel mehr ist als Sport. Es ist die Möglichkeit, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Sport bietet auch die Möglichkeit, dem Leben einen neuen Sinn zu geben. Ich kenne sehr viele Menschen, die erst durch den Sport wieder aufrecht durch das Leben gehen. Hier bietet sich das Laufen unwahrscheinlich gut an. Weil man in relativ kurzer Zeit sehr viel bewegen kann. Man kann die Gedanken ordnen. Es ist mir ein Bedürfnis, gerade die Menschen anzusprechen, die das bisher nicht gemacht haben. Wenn ich dann das Feedback der Menschen höre, dass es ihnen nicht nur körperlich, sondern auch seelisch besser geht, freut mich das sehr. Laufen ist eine ganz billige, wirksame und ehrliche Möglichkeit, sein Leben zu verbessern.
Ich habe die ganze Welt bereist. Ein Paar Laufschuhe, ein Leiberl und eine kurze Hose haben in jedem Gepäck Platz. Ich habe überall auf der Welt die Möglichkeit, für meine Fitness etwas zu tun.

Sie sind 1986 einen neuen österreichischen Rekord mit 2:12,22 gelaufen, der 23 Jahre lang gehalten hat und der nur einmal von Günther Weidlinger unterboten wurde. Wie ist Ihnen diese sensationelle Zeit gelungen?
Man muss das als Gesamtes sehen. Wenn jemand imstande ist, so schnell Marathon zu laufen, dann entsteht das aus einer Gesetzmäßigkeit heraus, die besagt: Wenn man nicht 5000 oder 10.000 Meter schnell laufen kann, dann kann man auch nicht einen Marathon schnell laufen. Ich war damals in Österreich der beste 5000- und 10.000-Meter-Läufer. Ich war damals auch in diesen Kategorien nahe der Weltklasse. Zum Marathonlaufen bin ich eigentlich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich war in den Wintermonaten sehr oft in Kalifornien und in Portugal zum Training. Da reifte in mir einmal der Gedanke, ich könnte zur Vorbereitung einen Marathon laufen. Dann kam Wien. Hier bin ich schon beim ersten Mal einen Rekord gelaufen.

Bei Ihrem Rekord am 13. April war es ja ziemlich kalt.
Die Bedingungen waren ziemlich schlecht. Es hatte beim Start ein Grad minus. Dazu kam noch der für Wien typische Wind. Ich bin deshalb in langer Hose gelaufen. Das war auch der einzige Marathon, bei dem ich auf der ganzen Strecke nichts getrunken habe. Nicht weil ich keinen Durst gehabt hätte, sondern weil meine Hände wegen der Kälte total klamm waren. Bei Kilometer 30 bekam ich wegen der Kälte muskuläre Probleme. Ich habe im Anschluss an das Rennen den ganzen Tag Probleme gehabt, meinen Körper zu erwärmen. Dieser Marathon ist mir am stärksten in Erinnerung geblieben.

Sie wogen damals 62 Kilogramm, heute sind es 64. Wie hält man sein Gewicht?
Ich führe ein sehr sportlich orientiertes Leben. Mein Lebensstil hat sich nicht geändert. Für mich war schon in jungen Jahren klar, dass ich auch ernährungsmäßig immer das Beste geben muss, um solche Leistungen erbringen zu können. Ich bin überzeugt, dass Menschen durch gesunde Ernährung und durch regelmäßige Bewegung gesünder älter werden. Ich glaube nicht, dass ich 200 Jahre alt werde, aber es ist mein Grundprinzip, meinem Körper nicht gesunde Nahrungsmittel, sondern gesunde Lebensmittel zu geben. Somit kann ich auch Sport betreiben. Ich gehe nicht mehr jeden Tag laufen, aber 360-mal im Jahr.

Was soll man essen?
Kohlenhydratreiche, viralreiche Kost. Nicht die schnellen Kohlenhydrate, sondern Vollwert. Naturbelassene Kost. Zum Frühstück trinke ich Tee, esse Obst und Dinkel. Wir essen viel zu viel Zucker. Er ist der größte Vitaminräuber.

Hartmann: 58 Meistertitel gewonnen

Gerhard Hartmann (57) stammt aus Vils im Außerfern. Er spielte im Heimatverein Fußball. Erst während des Präsenzdienstes entdeckte er sein Lauftalent. Insgesamt holte er 58 österreichische Meistertitel. Noch heute steht er weit oben in den ewigen Bestenliste Österreichs. 3000 m: Platz 4 (7:50,31 min.), 5000 m: Platz 3 (13:22,30 min.), 10.000 m Platz 2 (27:49,35 min.). Seinen ersten österreichischen Rekord über die Marathondistanz stellte er 1983 mit 2:15,54 Stunden als Siebenter des Frankfurt-Marathons auf.1986 siegte er in Wien bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und zeitweisem Schneefall mit vier Minuten Vorsprung und neuem Rekord in 2:12,22 Stunden. Der Rekord wurde erst einmal gebrochen. Neben seinem erlernten Beruf als Werkzeugmacher ist er auch als Lauf- und Seminartrainer tätig.

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