Chronik/Oberösterreich

400 Jahre alte Knödel-Rezepte zum Nachkochen

Den "kasichen Troadbozn" kennt man heute ebenso wenig wie den "purkandischen Knödel" oder den "Ipsilanti Knödel". Allerdings nur, was die Namen betrifft. Denn in allen dieser in Vergessenheit geratenen Rezepte zeigt sich eines: Ohne Zweifel handelt es sich dabei um Knödel

Und die sind nicht nur in Oberösterreich (dort aber besonders), sondern österreichweit ein spezielles kulinarisches Kulturgut. Was wäre so mancher Mittagstisch ohne Marillen- oder Zwetschkenknödel? Ohne Semmel-  oder Erdäpfelknödel? Der Knödel ist einfach nicht totzukriegen - und das schon seit Jahrhunderten.

Kochbücher aus 350 Jahren

Das zeigt sich etwa in der Bibliothek des Oberösterreichischen Landesmuseums. Rund 100 handschriftliche Kochbücher aus rund 350 Jahren werden hier aufbewahrt, ein echter historischer Schatz. "Es stellte sich heraus, dass sich darunter unzählige Knödelrezepte fanden", sagt Leiterin Magdalena Wieser. Und aus der Idee, diese in Form eines Kochbuchs in die Jetztzeit zu holen, entstand - gemeinsam mit Haubenköchin Elisabeth Grabmer (Waldschänke, Grieskirchen) und Kulinarikjournalistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser - das Buch "Knödelreich"

"Im Archiv sind die Rezepte zum Leben erwacht", schwärmt Seiser über die gemeinsame Arbeit. "Da sind Rezepturen von Teigen dabei, von denen wir noch nie etwas gehört haben." Gemeinsam wählten die drei letztendlich 39 Rezepte aus, die sie in die Gegenwart holten. Und die auch in ihren modernen Rezeptangaben die immense Bandbreite des Knödeluniversums zeigen.  

Rezepte in die Gegenwart geholt

Dass dafür viele Knödel gerollt - oder besser: "gedreht", wie man in Oberösterreich sagt - werden mussten, liegt auf der Hand. Zuerst übersetzte Wieser die alten Rezepte und kochte einiges in ihrer eigenen Küche nach. Was nicht immer einfach war. "Oft fehlten die Maßangaben oder manche Zutaten, die früher üblich waren, sind heute gar nicht so leicht aufzutreiben." Sie erinnert sich etwa an getrocknete Weichseln, aber auch an sogenannte "Krebsbutter". Oder genaue Arbeitsanleitungen fehlten. "Da stand oft nur 'Knödel formen und kochen'", sagt Seiser. 

Dass sie auch im 21. Jahrhundert nachkochbar sind, dafür ist Kochprofi Elisabeth Grabmer verantwortlich. "Bei manchen Originalrezepten dachte ich mir: Wie soll das funktionieren?" Das war etwa beim eingangs erwähnten "purkandischen Knödel" der Fall. "Die Mischung aus einer Art Brandteig und Brot ergab eine sehr weiche Masse." Doch es funktionierte. Es entpuppte sich überhaupt als eines ihrer Lieblingsrezepte, die sie mit Ochsenschleppragout kombiniert.

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Obstknödel gingen früher anders

Die Lektüre der historischen Kochbücher zeigt auch interessante Fakten auf. So entdeckten die Autorinnen etwa, dass die heutigen Obstknödel relativ jung sind. Zumindest die Methode, den Teig um eine ganze Frucht zu hüllen. "Zuvor wurde der Teig mit dem Obst vermischt, etwa Apfelstückchen oder Weichseln", erklärt Seiser. Auch, dass diese Obstknödel häufig in Fett herausgebacken statt gekocht wurden, ist auffällig. "Interessant ist, dass sie dann in einem Fruchtsupperl serviert wurden." Doch das ergebe ebenso Sinn. Zu einem gekochten Knödel würde eine Fruchtsauce nicht so gut passen.

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Zutaten (für 4 - 6 Personen)

Für die Knödel
250 g reife Zwetschken
40 g Butter
100 g durchgesiebte Semmelbrösel
1 Msp. gemahlenen Zimt
50 g Kristallzucker
Abrieb und Saft von 1/2 Zitrone
2 Eier

Zum Ausbacken
mind. 700 ml. neutrales Pflanzenöl, ca. 50 g Butterschmalz

Für das Zwetschkensupperl
400 g reife Zwetschken
500 ml Rotwein, z. B. Zweigelt
2-3 EL Zitronensaft
80 g Kristallzucker
2 cm Zimtstange
2 Gewürznelken

  • Zwetschken entkernen und in 5 mm große Stücke schneiden, in eine Schüssel geben
  • Brösel in Butter 8 bis 10 Minuten auf mittlerer Hitze goldbraun rösten. Zu den Zwetschkenwürfeln geben. Mit Zimt, Zucker, Zitronenabrieb abschmecken und gut vermengen.
  • Eiklar halbsteif schlagen und unter die Brösel-Zwetschkenmasse heben
  • Mit dem Eisportionierer ca. 12 Kugeln à  35 g abstechen. Mit nassen Händen zu Knödeln mit glatter Oberfläche formen. In einem schmalen hohen Topf Öl und Butterschmalz erhitzen, die Knödel in mehreren Partien jeweils 5 Minuten goldbraun backen. Herausheben und abtropfen lassen.
  • Für das Zwetschkensupperl entkernte Zwetschken mit Rotwein, Zitronensaft, Zucker und Gewürzen in einem Topf ca. 15 Minuten kochen. Nelken und Zimtstange entfernen. Mit dem Stabmixer fein mixen und durch ein feines Sieb streichen.
  • Zwetschkensupperl in einen passenden Topf geben, sodass alle Knödel Platz haben und schwimmen können. Dann 10 Minuten auf niedriger Temperatur leicht wallend kochen. Knödel samt Supperl in eine Terrine oder Schüssel umfüllen und ein wenig abkühlen lassen. Noch warm in der Zwetschkensuppe servieren.

Faszination Knödel

Was macht aber nun tatsächlich die Faszination eines Knödels aus? Für Elisabeth Grabmer ist es die riesige Vielfalt, die mit Knödeln möglich ist: "Sie können Hauptspeise, Beilage und Dessert sein, egal ob aus Erdäpfeln, Mehl, Grieß oder Brot." 

Dazu komme das Gefühl, das sich beim "Knödel drehen" einstelle: "Es ist Handarbeit pur, etwas, das man selber macht." Das Formen mit den Händen ist auch für Katharina Seiser eine wesentliche Klammer: "Das schließt Teige aus, die mit Sieb oder Maschine gemacht werden." Zudem verbinden die Hände die alten Manuskripte mit den neuen Rezepten. "Die Hände sind der kleinste gemeinsame Nenner." 

Leicht und spielerisch

Magdalena Wieser führt ein weiteres Argument für die nicht enden wollende Popularität des Knödels an. "Er ist relativ leicht zu machen, hat etwas Spielerisches an sich und ist eine Möglichkeit, Verschwendung gering zu halten." Man denke nur daran, altes Brot in Form von Würfeln und Bröseln in Knödeln zu verarbeiten.

Doch damals wie heute kommt es auch bei den einfachsten Knödeln auf einige wesentliche Aspekte an. Seiser betont, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist. "Knödelmachen ist keine schnelle Partie." Sorgfalt bei der Zutatenmenge und das Einhalten von Rastzeiten sei gerade bei Rezepten, die man erstmals ausprobiere, wichtig. 

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Zutaten für die Knödel (4 P.)
250 g Topfen (20 %)
500 ml Buttermilch
80 g weiche Butter
Salz
1 Dotter
1 Ei
60 g glattes Mehl (Type 480)
50 g Weizengrieß (grob, Type 480)
2 Streifen Zitronenschale für das Kochwasser

Zubereitung

  • Topfen in eine sauberes Geschirrtuch geben, die Enden zusammenschlagen und gut ausdrücken, dabei die Molke auffangen. Buttermilch in einen Topf gießen, bei mittlerer Hitze einmal aufkochen. Dabei trennen sich die Molke und der Käsebruch. Den Topf über einem Sieb ausleeren, dabei auch die Molke auffangen (ergibt ca. 400 ml Molke und ca. 65 g Bruch).
  • Butter 5 Min. hell-cremig aufschlagen (Handmixer oder Rührmaschine), 1 Prise Salz dazugeben. Dotter in einer kleinen Schüssel mit einem Saucenbesen verschlagen, nach und nach zugeben. Ei in der kleinen Schüssel verschlagen, ebenfalls nach und nach zugeben. Ausgedrückten Topfen, Käsebruch sowie Mehl und Grieß unterrühren. Abschmecken.
  • Masse in eine Schüssel geben, mit einem Teigspatel glatt streichen und zugedeckt für 30 Min. in den Kühlschrank stellen.
  • Ca. 2 Liter Wasser salzen, mit Molke, Buttermilch und Zitronenschale in einem Topf zum Kochen bringen. (Vorsicht, kocht leicht über, solange die Knödel noch nicht eingelegt sind.)
  • Aus der Masse mit einem Eisportionierer ca. 8 Kugeln à 50 g abstechen. Mit nassen Händen und leichtem Druck zu Knödeln mit glatter Oberfläche formen.
  • Knödel vorsichtig mit einer leichten Drehbewegung ins kochende Molkenwasser legen. Topf leicht rütteln, damit sie nicht am Topfboden ankleben. Herd zurückschalten und die Knödel halb zugedeckt 20 Minuten ziehen lassen. Mit einem Schaumlöffel herausheben und auf einem Teller mit Küchenpapier abtropfen.
  • Mit Tomatensalat servieren: Ochsenherztomaten in dünne Scheiben schneiden und auf Tellern anrichten, mit Balsamico beträufeln, etwas salzen und mit Pinienkernen bestreuen. 
  • Knödel sofort auf die Tomaten setzen, mit Olivenöl beträufeln, mit Basilikumblättern garnieren. 
     

Topfen, Buttermilch, Molke - und sonst fast nix

Mitunter bringt ein jahrhundertealtes Rezept den Geschmack der eigenen Kindheit hervor. So erging es Elisabeth Grabmer, als sie den "kasichen troadbozn", eines der beiden ältesten Knödel im Buch, zum ersten Mal nachkochte. "Sie sind Topfen pur für mich und erinnerten mich an meine Oma, deren Topfenknödel ich später nie wieder gegessen habe." Sie kocht die Knödel, die nur ganz wenig Mehl und Grieß enthalten, zudem noch in Molkenwasser. Idealerweise können sie pikant und süß zubereitet werden, wonach einem gerade ist. Denn "Knödel machen ist Gefühlssache". 

 

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