Chronik/Oberösterreich

Kimberger fordert: „Lehrerausbildung verkürzen“

von Josef Ertl

Paul Kimberger (53) ist oberster Pflichtschullehrervertreter Österreichs und Obmann des 14.000 Mitglieder starken Christlichen Lehrervereins (CLV) in Oberösterreich.

KURIER: Gibt es den immer wieder behaupteten Lehrermangel?

Paul Kimberger: Ja, den gibt es, er wird uns noch große Probleme machen. In den nächsten zehn Jahren werden rund 50 Prozent der österreichischen Lehrerinnen und Lehrer in Pension gehen, das sind ca. 60.000. In Oberösterreich sind es rund 12.000.

Die Ausbildung ist aber verlängert worden, man braucht jetzt den Bachelor und den Master.

Wir haben jetzt schon Probleme, die flächendeckende Versorgung in ganz Österreich sicherzustellen. Wir müssen Leute mit Sonderverträgen für die Schulen engagieren, die entweder keine Ausbildung haben oder sie haben sie noch nicht abgeschlossen haben. Oder sie sind Quereinsteiger. In Wien sind das schon mehr als 2000.

Wir brauchen dringend eine Korrektur der Lehrerausbildung. Die Studierendenzahlen sinken dramatisch, der Dropout ist mit mehr als 60 Prozent extrem hoch. Wir müssen vom achtsemestrigen Bachelor dringend zum sechssemestrigen zurück. Ab dem ersten Studientag sollten die Studenten Erfahrung in der Praxis machen. Und nicht erst nach dem Abschluss des Studiums, wie das jetzt der Fall ist. Die Studenten müssen sofort in die Schulen, damit sie sehen, ob der Beruf für sie geeignet ist. Dann bekommen wir die richtige Selektion.

Ohne Quereinsteiger, ohne attraktive Angebote, ohne Verbesserung der Rahmenbedingungen sind die Zahlen nicht zu erreichen, die wir an jungen Lehrerinnen und Lehrer brauchen würden.

Sie haben massiven Widerstand gegen jene App angekündigt, mit der die Leistung der Lehrer bewertet werden soll.

Wir gehen inzwischen den Rechtsweg, wir haben Musterklagen eingebracht. Es gibt erhebliche Skepsis über die Qualität der App, über die Frage der Sicherheit und über die Frage der Anonymität. Wir sollten uns als Gesellschaft Gedanken machen, ob wir alles und jeden in so ein simples Schema hineinpressen. Man kann jeden Menschen mit Sternchen bewerten, aber das Ganze ist wesentlich komplexer, weil es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Schulbildung ist etwas anderes als eine Pizzabestellung. Wir brauchen andere Formen der Bewertung als ein Sternchenapp.

Die Landesschulratspräsidenten sind abgeschafft worden, sie sind durch beamtete Bildungsdirektoren ersetzt worden. War das eine Schnapsidee?

Es hätte meiner Meinung nach bessere Lösungen gegeben. Man muss gewisse Dinge weiterentwickeln, das hätte mit den Landesschulräten gemacht werden können. Mich stört an der Reform die extreme Zentralisierung in Wien. Ich bin ein Anhänger der Subsidiarität und der Autonomie. Es sollten möglichst viele Entscheidungen an den Schulstandorten fallen, man sollte stärker auf die Expertise der Lehrerinnen und Lehrer setzen.

Ich habe Verständnis dafür, dass so ein Veränderungsprozess Zeit braucht. Die Leute in den Bildungsdirektionen tun, was sie können, aber die negativen Phänomene schlagen massiv in die Schulen hinein. Sie machen sich bemerkbar in Frustrationen der Schulleiter, weil sich die Zuständigkeiten völlig verändert haben. Wer ist der Ansprechpartner direkt vor Ort? Abläufe wurden vollkommen verändert. den Schulen ist das Backoffice abhanden gekommen. In den Schulen sind jeden Tag Entscheidungen zu treffen. Das geht es um Noten, um Fragen des sonderpädagogischen Förderbedarfs, um Entscheidungen im Bereich der Schulgesetze.

Da kann man nicht warten, dass von irgendwoher eine Entscheidung kommt, sondern da muss der Schulleiter zum Telefonhörer greifen können, weil er den Eltern Auskunft geben muss. Das fehlt im Moment. Das macht sich bei uns in der Gewerkschaft bemerkbar, weil wir versuchen, viele dieser Fragen, zu klären. Die Zufriedenheit mit der Bildungsreform hält sich in Grenzen.