Chronik/Oberösterreich

Kalliauer: Standortpartnerschaft ist eine Fehlentwicklung

Die Arbeiterkammer (AK) feierte Freitag mit einem Symposium im Linzer Design-Center das Jubiläum ihres 100-jährigen Bestehens. „In den Jahren 1918 bis 1921 wurden die Grundlagen für den Sozialstaat gelegt und die Sozialpartnerschaft gegründet“, sagte Präsident Johann Kalliauer. Mit der Arbeiterkammer sei eine Einrichtung für die Arbeitnehmer geschaffen worden, die wichtig für den Interessenausgleich sei, der am Verhandlungstisch und nicht auf der Straße erfolge. Heute werde die Sozialpartnerschaft als überholt bezeichnet, man spreche lieber von Standortpartnerschaft, wo dem Wettbewerb alles untergeordnet werde. „Das ist eine Fehlentwicklung“, so Kalliauer. Denn Standortpartnerschaft bedeute Lohnverzicht, Zurückhaltung der Arbeitnehmer, Überstunden verzicht und Arbeitszeitverlängerung. Genauso wäre es eine Fehlentwicklung, würde die Sozialpartnerschaft als politische Dekoration benutzt.

Arbeiter nicht länger Menschen zweiter Klasse

„Mit der Gründung der AK waren arbeitende Menschen nicht länger Menschen zweiter Klasse. Das ist für mich das Prägendste“, sagte Kalliauer. Die Aufwärtsentwicklung unseres Landes nach 1945 sei eng verbunden mit der Sozialpartnerschaft. „Dass es unterschiedliche Interessen gibt, ist normal. Es geht immer darum, einen Ausgleich zu finden. Die Sozialpartnerschaft ist nach wie vor ein Erfolgsmodell. Sie funktioniert allerdings nur, wenn sie auf Augenhöhe erfolgt.“

Partnerin der Gewerkschaften

Die AK OÖ habe sich im Laufe der Jahre zu einer selbstbewussten Serviceorganisation, interessenpolitischen Stimme und verlässlichen Partnerin der Gewerkschaften entwickelt. Ein entscheidender Erfolgsfaktor sei der starke Rückhalt bei den Mitgliedern. „Ihnen sind wir verpflichtet. Sie entscheiden über die Zukunft der AK, und niemand sonst“, so Kalliauer.

Digitaliserung, Ökologisierung, Bildung

Die Themen, die die Arbeiterkammer in Zukunft beschäftigen werden, sind Digitalisierung, Ökologisierung und das Bildungssystem. Für den AK-Präsidenten ganz entscheidend ist auch, wie sich unser Sozialsystem entwickeln wird. „Wir haben ja schon eine Zwei- oder sogar Drei-Klassen-Medizin. Die Frage ist: Gelingt es uns, einen zeitnahen Zugang für alle gesundheitlichen Leistungen für alle sicherzustellen“, sagt Kalliauer. Werde aus dem staatlcihen Pension eine Mindestpension? Wie entwickelt sich die Arbeitslosigkeit?

Stelzer-Lob für die AK

„Nur im Miteinander sind wir stark. Und ich bin froh, dass das Miteinander von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung so gut funktioniert“, sagte Landeshauptmann Stelzer in seinen Grußworten. Er danke der AK, dass sie Mitverantwortung in unserer Gesellschaft übernehme. Stelzer: „Unser Land wird getragen von Institutionen wie der Arbeiterkammer. Mit ihren vielen guten Ideen und ihrem Engagement ist die AK aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken.“

Luger: AK ist Schutzschild für Arbeitnehmer

Dass der heutige Festakt im Design Center stattfinde, habe für Bürgermeister Luger eine besondere Bedeutung. „Das Design Center ist ein Kind der 1980er-Jahre, das war eine Zeit, in der unsere Industrie in Oberösterreich vor dem Kollaps stand. Und auch die Arbeiterkammer wurde vor 100 Jahren in einer schwierigen Zeit gegründet“, sagte Luger, für den die AK ein Schutzschild für all diejenigen Arbeitnehmer/-innen sei, die in ihrem Job keine menschliche Behandlung erfahren. „Und davon gibt es leider nach wie vor viele.“

Fischer: Unsere Spielregeln heißen Verfassung

Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer sagte in seiner Festrede, dass die Arbeiterkammer seit ihrer Gründung „viel Freud‘, aber auch viel Leid erfahren hat – genauso wie unser Land. Die AK ist aber immer wieder gestärkt aus Krisen zurückgekommen.“ Die Zweite Republik sei für ihn ein Erfolgsmodell, das nach wie vor geprägt ist von Zusammenarbeit. „Da haben die Sozialpartner sehr viel dazu beigetragen“, so Fischer. Ob die Zusammenarbeit auch aktuell gut funktioniere, wolle er heute im Rahmen des Festaktes nicht beurteilen. Das werde einmal in den Geschichtsbüchern stehen. Aber: Das Gegenteil von Demokratie sei die Diktatur. Fischer: „Und die wollen wir nicht haben. Denn in einer Diktatur gibt es keine Menschenwürde. Wir müssen daher danach trachten, unsere Demokratie zu erhalten. Das heißt: Wir müssen uns an die Spielregeln halten. Und die Spielregeln heißen Verfassung.“