Chronik/Oberösterreich

„Eine einzementierte Republik“

KURIER: Ist das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP nicht enttäuschend?
Joachim Haindl-Grutsch: In Wahrheit ist Österreich eine einzementierte Republik. Dann gibt es ein paar Realitätsverweigerer und ein paar Schönredner. Das führt dazu, dass man ein paar kosmetische und ein paar Klein-Klein-Sachen macht, aber die großen Dinge nicht angeht. Das führt dazu, dass sich Österreich von der Top-Gruppe der hochentwickelten Indsturienationen immer weiter entfernt. Das Budget weist seit den 1970-er Jahren Defizite auf. Wir haben ein veritables Pensionsproblem, wir haben geschönte Arbeitslosenzahlen, wir sind im Schulsystem und bei PISA mittelmäßig. Bei den Universitäten sind wir in den Rankings nirgends. Bei der Forschung herrscht Stagnation. Und wir haben einen Talenteab fluß. Wer was anderes von Österreich behauptet, verweigert die Realität. Während wir, bildlich gesprochen, im Fitnessstudio an der Bar lehnen, machen die anderen Krafttraining. Die Österreicher sind inzwischen reformwilliger als die Regierung. Ich möchte hier eine Person ausnehmen, das ist Landeshauptmann Josef Pühringer. So wie ich ihn erlebe, drängt er darauf, dass Reformen passieren.

Es gibt massive Kritik Ihrer Organisation am geplanten Bonus-Malus-System, mit dem die Regierung die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer sichern will.
Die Politik ist zu feig, die Löcher bei der Frühpension zu schließen. Sie wirft stattdessen die heiße Kartoffel den Unternehmern zu, die bestraft werden sollen, wenn sie nicht genug Ältere beschäftigen.

Mit Jahresbeginn soll das Sozialrechtsänderungsgesetz in Kraft treten, das die Frühpensionierung für unter 50-Jährige unterbinden soll.
Das geht alles sehr langsam. Das Frauenpensionsalter beginnt sich erst 2024 einzuschleifen. Die Maßnahmen greifen nicht schnell genug. Dagegen steigt die Lenbenserwartung der Österreicher pro Jahr um knapp drei Monate. Das bedeutet, dass in vier Jahren die Menschen um ein Jahr länger leben. Das hat zur Folge, dass sich das Pensionsalter alle vier Jahre um ein Jahr erhöhen müsste, damit der Status quo erhalten bleibt. Die Probleme werden in die Zukunft verschoben.

Wir als Industrie werden uns wirklich bemühen, als Arbeitgeber für ältere Mitarbeiter attraktiver zu werden. Die Produktionsanlagen und die Arbeitszeiten sollen so gestaltet werden, dass sich Ältere besser zurecht finden. Die Aufgabengebiete sollen für Ältere maßgeschneidert sein.

Viele Unternehmer kündigen die älteren Mitarbeiter, weil sie ihnen zu teuer sind.
Das stimmt. Auch hier könnte der Staat eingreifen, indem er beispielsweise die Lohnnebenkosten für ältere Mitarbeiter senkt. Das wäre ein Anreiz sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer bekommt netto mehr raus, der Arbeitgeber hätte geringere Personalkosten und der Staat spart sich die Pension, weil der Ältere noch wertschöpfend tätig ist. Das ist eine win-win-Situation für alle. Warum macht man es nicht?

Wie sieht die Industriellenvereinigung die Neos, die großen Zulauf haben?
Wir sehen sie als Bereicherung der Parteienlandschaft. Wir arbeiten mit allen ,Parteien zusammen, das tun wir auch mit den Neos. Ich finde, dass viele ihrer Ansätze gut und richtig sind. Sie sind für uns ein ernstzunehmender Partner.

Es fällt auf, dass mit dem Präsidentenwechsel von Klaus Pöttinger zu Axel Greiner die Kritik an Landeshauptmann Pühringer deutlich schwächer geworden ist.
Es hat sich etwas geändert. Bei der Forschung gibt es ein deutliches Signal des Landes. Das Forschungsbudget wird verdreifacht. Da sitzen wir im gleichen Boot. Wir hätten als erstes nicht die medizinische Fakultät gemacht, sondern die Technik ausgebaut. Unsere Forderung nach einer eigenen Technischen Universität Linz bleibt.

Pühringer argumentiert dageben, dass es genügend Kapazität gibt, es aber an interessierten Technik-Studenten fehlt.
Das ist nicht richtig. Man sieht an der Entwicklung der großen technischen Universitäten wie Wien oder Graz, wie stark sie gewachsen sind. Die technisch-naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) in Linz hat kein eigenständiges Profil. Sie ist keine Marke. Das wissen wir seit Jahren. Wenn man die TNF in der Uni Linz drinnen lässt, müsste man sie als Technikum Linz herauspolieren. Dann wird das Wachstum auch stärker sein. Die Schere zwischen Wien, Graz und Linz geht auseinander. Linz hat 4000 Studenten, die Grazer 12.000 und die Wiener 28.000. Dieses Herumgrundeln von Linz ist für uns inakzeptabel. Wir müssen so schnell als möglich das Etappenziel von 7000 Studenten erreichen. Wir brauchen kritische Größen. Man sieht das, wenn es um Forschungsprogramme geht. Uns fehlt es in der Forschung an Breite. Wir brauchen den politischen Schulterschluss, den es bei der Medfakultät gegeben hat, jetzt bei der Technik.

Sie sind mit der Entwicklung der Sozialpartnerschaft unzufrieden.
Sie geht in Oberösterreich gerade den Bach runter. Wir sind nach Aussagen der Arbeiterkammer nur mehr die Raubritter, die Wirtschaft ist das Böse schlechthin. Seit eineinhalb Jahren schickt die Arbeiterkammer monatlich Flyer aus, in denen es heisst (zitiert) Arm trotz Arbeit, menschliches Maß statt unmenschlichem Druck, Leiharbeit macht krank, Verteilungsgerechtigkeit braucht Vermögenssteuer, Reichtum für Wenige. Axel Greiner hält sie ein Vermögen von 1,13 Milliarden Euro vor. Dabei ist das der Umsatz des Unternehmens, sie haben das verwechselt. Unter der Führung von Direktor Josef Peischer war das anders. Da haben wir auch Meinungsverschiedenheiten gehabt. Aber wir haben eine vernünftigen Diskurs geführt und sind zu Lösungen gekommen. Das ist leider alles Vergangenheit.Dabei sollten wir gemeinsam an Standortlösungen arbeiten. Denn wenn wir nicht wettbewerbsfähig sind, haben wir keine Arbeitsplätze. Das, was die Arbeiterkammer macht, ist Klassenkampf alter Schule und eine Themenverfehlung.