„Ich putze mir jeden Morgen das Hirn“
Von Daniela Daxinger
Eine dicke rote Brille auf der Nase, einen grauen Vollbart im Gesicht und stets ein Lächeln auf den Lippen: Franz Wendl, ein Mondseer Original, hat seinem Leben einen tieferen Sinn verliehen. Zu seinem 50. Geburtstag vor fast 20 Jahren hat er sich ein ganz besonderes Geschenk gemacht: Nicht nur, dass er mit dem Fahrrad 900 Kilometer von Mondsee nach Assisi fuhr, war er auch auf der Suche nach Gott und sich selbst. Mit Erfolg: Der heute 69-Jährige hat seit damals sein Leben völlig umgekrempelt. „Mit 50 habe ich das Materielle hinter mir gelassen und mich dem Spirituellen gewidmet", erzählt der gelernte Fleischhauer.
Glücklich
„Ich war 32 Jahre lang Wirt, habe mit Leuten gestritten, es gab täglich Schlägereien. Ich war einfach unrund und nicht in der Mitte. Heute bin ich glücklich und zufrieden." Aus wirtschaftlichen Gründen verkaufte er 1991 den Hauptteil seines „Weißen Rössls" am Mondsee, den Rest dann fünf Jahre später. „Beim Wirtshausverkauf sagten die Leute, der spinnt doch. Viele haben das nicht verstanden. Nun werde ich akzeptiert", erzählt er.
Das habe nur einen bestimmten Grund: „Die Menschen haben die Sehnsucht, diese Zufriedenheit zu erreichen, wie ich sie habe." Sein Leben basiert nun auf drei wichtigen Grundsätzen: Der Kraft der Gegenwart, der Kraft der Gedanken und der Kraft des Glaubens. „Ich konzentriere mich auf den Moment und nehme den Augenblick im Hier und Jetzt wahr. Man ist nur da, wenn man da ist."
Hirnputzen
Der Lebenskünstler und Tausendsassa – er lief zu seinen Spitzenzeiten einen Marathon in 2:46 Stunden – nimmt sich aus der Gegenwart stets das Positive heraus. Das Wichtigste ist, was man in der Früh beim Aufwachen denkt.
Wendl hat sich dafür schon sein eigenes Ritual zurechtgelegt. „Morgens bete ich. Ich werde munter und übergebe den Tag an den Herrgott", erzählt er. Denn Hirnputzen sei schließlich wichtiger als Zähneputzen. Ohne Vertrauen, dass ihn jemand führe, hätte Wendl keine Sicherheit in seinem Leben. Seine Tiefgründigkeit begleitet ihn quer durch den Alltag. Der banale Gruß „Grüß Gott" beinhalte schließlich mehr als ein „Hallo". Wendl: „Es bedeutet: Ich grüße Gott in dir, du bist ein Teil Gottes."
Ebenfalls mit 50 hat er seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckt. Speziell die Natur hat eine besondere Bedeutung für ihn. Das spiegelt sich auch auf seinen Fotos: Von Kuba über die Sahara bis nach Kasachstan und den Jakobsweg – überall war er schon. Heute hält er Bildervorträge von seinen Reisen, macht philosophische Wanderungen und begleitet Bourn-out-Patienten. Seine Zielgruppe sind Personen, die auf der Suche sind. Sehnsüchtige, wie sie Wendl nennt. Aktuelle Projekte gäbe es derzeit keine. „Ich vertraue darauf, dass das Richtige passiert. Schließlich hat alles einen Sinn im Leben. Der Augenblick gibt dir schon das Zeichen dafür."