Das geht ans Herz! Faustgroßes Organ mit vielen Funktionen
Nach vielen Jahren im Ausland, konkret in Deutschland und den USA, ist Andreas Zierer vor fünf Jahren nach Österreich zurückgekehrt. Seitdem hat sich viel getan, der 48-Jährige leitet die Kliniken für Herz, Gefäß- und Thoraxchirurgie am Kepleruniklinikum (KUK) in Linz sowie am Klinikum Wels-Grieskirchen. Und gemeinsam mit seinem Kollegen Clemens Steinwender, Vorstand für Kardiologie am KUK, steht er dem Universitären Herzzentrum in Linz vor. Warum Schweineherzen noch lange nicht breitenwirksam sein werden, welche Herzen in Linz verpflanzt werden und warum er Vertrauen in sein eigenes Herz hat, erklärt der Sportler im KURIER-Gespräch.
KURIER: In den USA ist erstmals die Transplantation eines Schweineherzens gelungen. Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten in Österreich?
Andreas Zierer: Weltweit gibt es unterschiedlichen Bedarf für diese Schweineherztransplantationen, weil die Gesetze unterschiedlich sind. In Österreich ist jeder automatisch Organspender, außer er widerruft zu Lebzeiten. Das ist in Amerika oder Deutschland anders, da muss man sich aktiv einen Organspendeausweis besorgen. Das machen nicht viele. Deswegen gibt es dort einen viel größeren Bedarf an Organen. Die konkrete Transplantation erfolgte mit einer Notzulassung, derzeit gibt es keine Langzeitdaten, wie sich das gentechnologisch veränderte Schweineherz, was die Funktionsdauer betrifft, im Menschenkörper verhält. Darauf muss man warten, das könnte fünf bis zehn Jahre dauern.
Welche Herzen werden derzeit in Linz einsetzt?
Seit 2019 setzen wir in Linz Kunstherzen ein. Das darf man sich nicht wie ein menschliches Herz vorstellen, sondern das ist eine Pumpe, die auf die Herzspitze genäht wird und das eigene Organ unterstützt. Man nennt das Linksherzunterstützungssystem. Vor Corona hatten wir das Ziel, fünf bis zehn Herzen pro Jahr einzubauen. Covidbedingt haben wir aufgrund verringerter Intensivkapazitäten seit 2019 12 Kunstherzen eingebaut. Im Vollausbau sollen es aber 10 bis 12 Herzen pro Jahr sein, das ist das erklärte Ziel.
Wie kompliziert ist eine Herzoperation dieser Art?
Vorab ist es wichtig, zu prüfen, wie gut die Funktion der rechten Herzkammer ist. Denn sobald das Kunstherz eingebaut ist, muss die rechte Kammer mit drei Liter Blutfluss mehr pro Minute zurechtkommen. Der Patient muss in Ruhe, idealerweise außerhalb des Krankenhauses, über den Eingriff aufgeklärt werden. Man muss mental damit zurechtkommen, dass man eine künstliche Pumpe im Brustkorb hat. Außerdem kommt ein Kabel aus der Bauchdecke. Die Operation selbst ist ein drei- bis vierstündiger Eingriff, der eher technische Routine ist. Für die Bevölkerung ist eine Herztransplantation natürlich das Nonplusultra, aber es gibt in der Herzchirurgie technisch wesentlich schwierigere Eingriffe.
Welche Krankheiten werden hauptsächlich am Herzzentrum behandelt?
Am häufigsten haben wir es mir der koronaren Herzkrankheit in unterschiedlichen Abstufungen zu tun. Die schwerste ist der Herzinfarkt. Kinder werden im Kinderherzzentrum behandelt. Wir haben auch sehr viel mit Klappenerkrankungen zu tun. Diese Erkrankungen werden definitiv mehr, weil ja die Bevölkerung immer älter wird.
Welche Meilensteine stehen in Zukunft an?
Sobald sich die Covid-Situation beruhigt, wollen wir das Kunstherz-Programm wieder stärker forcieren. Und es soll überprüft werden, ob es in Österreich zusätzlichen Bedarf für ein Zentrum gibt, an dem menschliche Herzen transplantiert werden. Eventuell kommt ja Linz dafür infrage.
Gibt es einen Eingriff, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, es gab einen Mitte 50-jährigen Mann, der kam nach einem akuten Herzinfarkt in Lebensgefahr zu uns, war im künstlichen Tiefschlaf mit Multiorganversagen. Wir haben ihm ein Kunstherz implantiert, er brauchte danach einige Wochen. Aber mittlerweile arbeitet er wieder Vollzeit. Und kürzlich kam er mir vor der Klinik auf der Straße entgegen. Er ist in keiner Weise eingeschränkt und hat mir berichtet, dass er wieder voll im Leben steht. Diese Möglichkeiten der Medizin sind schon ein Wahnsinn.
Haben Sie noch Vertrauen in Ihr eigenes Herz, wenn Sie täglich mit kranken Herzen zu tun haben?
Gesundes Leben und Sport sind mir sehr wichtig. Ich verbringe natürlich viel Zeit im Beruf, die restliche Zeit bin ich bei meiner Familie, gehe mit den Hunden laufen, Ski fahren, Tennis spielen. Früher war ich Landesmeister über 800 m. Fitness ist wichtig für die eigene Leistungsfähigkeit, auch im OP. Im Moment habe ich sehr viel Vertrauen in mein Herz.
"Keine dramatische Knappheit"
Schweineherzen. Es gilt als ein Meilenstein auf dem Gebiet der Organtransplantation: Erstmals weltweit ist Anfang Jänner einem Menschen ein Schweineherz als Ersatzorgan eingesetzt worden. Der an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit leidende 57-jährige Amerikaner habe das genetisch veränderte Organ nach einer Notzulassung bekommen, teilte das University of Maryland Medical Center in Baltimore mit.
Die Operation dauerte laut US-Medien acht Stunden, das transplantierte Herz habe seine Arbeit aufgenommen, mittlerweile ist der Patient nicht mehr an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Das Überleben über mehrere Tage zeige, dass das Team zumindest die gefährliche direkte Abstoßungsreaktion in den Griff bekommen habe, so Experten.
Die unmittelbare Notwendigkeit für die Transplantation von Schweineherzen sieht der Leiter des Universitären Herzzentrums OÖ, Andreas Zierer, nicht: „Bei uns gibt es eigentlich keine Organknappheit.“ Jeder Mensch ist in Österreich automatisch Organspender, wenn die Umstände passend sind. Außer man kümmert sich zu Lebzeiten darum, dass dem nicht so ist. Aufgrund dieser Regelung seien fast immer ausreichend Spenderorgane zur Verfügung. Das sei in anderen Ländern anders.
Drei Wege
Das Kunstherz
Linksherzunterstützungssystem, kurz Kunstherz genannt, nennt sich jene Pumpe, die auf die linke Herzkammer genäht wird und so das menschliche Herz, das im Körper verbleibt, bei seiner Arbeit unterstützt. Fünf bis zehn Jahre ist die übliche Funktionsdauer eines Kunstherzens
Das menschliche Herz
In Österreich finden derzeit nur in Wien und Innsbruck Transplantationen menschlicher Spenderherzen statt. Ob Linz als weiterer Standort dafür infrage kommt, wird derzeit geprüft
Das Schweineherz
Die erfolgreiche Transplantation eines genmanipulierten Schweineherzens gelang bis dato einmal. Bis dieser Zugang breitenwirksam wird, könnte es fünf bis zehn Jahre dauern