Chronik/Oberösterreich

„Leistbares Wohnen ist für die Zukunft entscheidend“

Es baute sich über die Jahre auf, wurde schleichend immer schlimmer. War sie nicht einverstanden mit einer Entscheidung, schlug er zu. Wollte sie eine Ausbildung absolvieren, verneinte er. Gab es Differenzen bei der Kindererziehung, vielleicht sogar offenen Protest, schlug er wieder zu, dieses Mal härter. Ein Mal brach er ihr sogar den Arm. Es waren Kleinigkeiten, weswegen Frau W. Gewalt in ihrer Ehe erleiden musste. Irgendwann schaute sie ihre erschrockenen, verängstigten Mädchen an – und zog einen Schlussstrich.

Schutz und Hilfe

Sie kam in eine Schutzeinrichtung. Weil der Mann die Trennung nicht akzeptierte und immer wieder vor Ort auftauchte, übersiedelte Frau W. schließlich mit ihren vier- und einjährigen Töchtern ins Linzer Frauenhaus. Frau W zeigte ihren Mann an, dieser wurde verurteilt. Sie nutzte die Hilfe und Beratung im Frauenhaus und machte vor Ort gute Erfahrungen. Nach sieben Monaten übersiedelte sie in eine Übergangswohnung, absolvierte eine Ausbildung, sparte eisern und konnte schlussendlich in eine eigene Mietwohnung ziehen, in der sie nun mit ihren Kinder lebt.

Frau W.’s Geschichte ist kein Einzelschicksal. Gerade rund um die Feiertage, wenn alle Familienmitglieder zu Hause sind, kommt es vermehrt zu Gewalttaten gegen Frauen: „Und trotzdem ist es so, dass gerade zu Weihnachten für viele Frauen der Familiengedanke im Vordergrund steht. Sie stehen diese Zeit irgendwie durch. Die wenigsten gehen direkt zu den Feiertagen, sondern eher danach weg“, erklärt Margarethe Rackl, die das Frauenhaus in Linz leitet.

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Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist im Frauenhaus von zwei Monaten auf knapp drei Monate gestiegen. Dies ist neben der höheren Schutzanforderung und der Corona-Pandemie auf jeden Fall auch auf die in den letzten zwei Jahren stark veränderten Rahmenbedingungen für eigenständiges Wohnen zurückzuführen: „Die Mietpreise sind hoch, ebenso die Energie- und Betriebskosten, außerdem fallen oft hohe Einstiegskosten, etwa für die Kaution, an. Gerade für Alleinerzieherinnen sind diese Ausgaben schwer zu stemmen. Und die Wohnungen sind im Regelfall unmöbliert“, erklärt Rackl. „Einige Frauen bemerken schon in den ersten Tagen im Frauenhaus, dass sie die Wohnsituation alleine finanziell nicht stemmen können – und gehen zurück in die Gewaltbeziehungen.“

Zermürbt und krank

Im Frauenhaus gibt es wöchentliche Beratungen, viele Frauen sind auch gesundheitlich sehr angeschlagen: „Einige kommen erst nach Jahren aus so einer Beziehung heraus. Gewalterfahrungen zermürben und machen krank“, sagt eine Sozialarbeiterin aus dem Linzer Frauenhaus. Wenn dieses die weitere Betreuung übernimmt, können Frauen in eine Übergangswohnung übersiedeln.

Die Zukunft vieler Frauen steht und fällt also mit dem Angebot an leistbaren Wohnungen auf dem Markt. Und mit den Voraussetzungen, die man dafür erfüllen muss, weiß Rackl: „Man braucht ein gesichertes Einkommen, als Migrantin entsprechende Deutschkenntnisse. Wie soll das eine Alleinerzieherin, deren Visum vielleicht noch an jenes ihres Mannes gekoppelt ist, schaffen?“.

Anlaufstellen:

Bei akuter Gewalt unbedingt die Polizei unter 133 oder 112 informieren oder eine SMS an 0800/133 133 senden (das ist auch der  Notruf für Gehörlose)
Frauenhaus Linz: 0732/606700
Wels: 07242/67851
Steyr: 07252/87700
Vöcklabruck: 07672/22722
Innviertel: 07752/71733
Weiterführende Infos auf www.frauenhaus.at

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"Niemand darf vom Woihnungsmarkt ausgeschlossen werden"

Vor mehr als 30 Jahren wurde der Verein Wohnplattform gegründet. Das Hauptstandbein ist die Delogierungsprävention.  Menschen, die gefährdet sind, ihre Wohnung zu verlieren, werden durch Beratung und begleitende Maßnahmen unterstützt. „Wichtig wäre, dass sich Betroffene früh bei uns melden. Viele Genossenschaften legen unsere Infos  als Mahnbeilage bei“, sagt Hubert Mittermayr, Geschäftsführer des Vereins Wohnplattform.

Oberösterreich ist in Planungsräume aufgeteilt, für die Bereiche Linz, Linz-Land, Wels, Wels-Land, Eferding und Grieskirchen stehen der Wohnplattform 104 Übergangswohnungen zur Verfügung, die  an Menschen in Betreuung vergeben werden können. Die Organisation arbeitet eng mit Institutionen wie den Frauenhäusern oder Obdachloseneinrichtungen zusammen, die Klientinnen und Klienten für verfügbare Wohnungen vorschlagen.

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„Die Wohnungen sind leistbar, die Kaution ist sehr niedrig, Küche und Sanitäreinrichtungen sind vorhanden. Inklusive Heizung und Strom beträgt die Miete ungefähr 9 Euro/. Für einige Frauen, die aus dem Frauenhaus kommen, ist selbst das zu teuer. Mittlerweile machen  hohe Energie- und Betriebskosten das Wohnen für viele Menschen nicht mehr leistbar“, sagt Mittermayr.

 „Der private Markt gibt keine leistbaren Wohnungen her, umso wichtiger ist es, niemanden auszuschließen. Auch Drittenstaatenangehörige und Menschen mit anerkanntem Asylstatus brauchen ein Zuhause. Es gibt Genossenschaften, bei denen sich Arbeitssuchende nicht wohnungssuchend melden dürfen“, ärgert sich Mittermayr. „Wohnen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen sich mit ihren Problemen auseinandersetzen können.“

www.verein-wohnplattform.at

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Aktiv gegen Gewalt einstehen

Mehr als 200 Femizide sind in Österreich seit 2014 passiert, davon 30 alleine heuer. Jede fünfte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt.
Einen neuen, präventiven Ansatz mit dem Ziel, Gewalt gegen Frauen und Kinder zu verhindern, bietet das Projekt „StoP“, das in OÖ in  Linz und Wels von den Frauenhäusern durchgeführt wird. StoP steht für „Stadtteile ohne Partnergewalt“, verbindet Gemeinwesenarbeit mit Opferschutzarbeit.

Durch StoP sollen potenzielle Zeuginnen und Zeugen  aktiviert und involviert werden, aktiv gegen Partnergewalt einzustehen. Mit  Privatpersonen und Vereinen sind unter anderem folgende Ideen entstanden, die 2022 durchgeführt werden: Schulungen zu häuslicher Gewalt und Zivilcourage, Workshops für  Stadtteilbewohnerinnen, Theaterprojekt mit Jugendlichen.

https://stop-partnergewalt.at/stop-linz/