Forderung: 14.000 zusätzliche Pädagogen notwendig
Von Josef Ertl
Auf Ablehnung der Lehrergewerkschaft stößt die SPÖ-Forderung bei der Regierungsklausur, die Wochenarbeitszeit von 22 auf 24 Stunden zu erhöhen. Der Vorsitzender der Pflichtschullehrergewerkschaft Paul Kimberger im KURIER-Interview: „Das ist ein alter Hut. Das steht im bereits im Gesetzesentwurf drinnen, der uns Anfang Mai übergeben worden ist. Eine Erhöhung der Arbeitszeit kommt unter keinen Umständen infrage. Denn das ist ein reines Sparpaket. Dafür stehe ich sicher nicht zur Verfügung.“
Wenn man hingegen den Lehrern nachweisen könne, dass sie durch ein international vergleichbares Unterstützungs- und Supportsystem entlastet würden, seien sie durchaus bereit, über eine neue Schwerpunktsetzung bei der Lehrerarbeitszeit nachzudenken. Kimberger: „Wir benötigen eine Entlastung bei den nicht-unterrichtlichen Tätigkeiten. Die Regierung hat bis heute kein Konzept auf den Tisch gelegt. Hier gibt es klare Zahlen der OECD. Auf Österreich umgelegt, benötigen wir 14.000 Leute. Das wären Beratungs- und Betreuungslehrer, Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Leute in der administrativen Unterstützung. Wenn wir Spitze sein wollen, müssen wir nur nach Finnland schauen. Dort sind das, auf Österreich umgelegt, 23.000 Personen.“
Die Lehrer sollten sich auf das Unterrichten und Erziehen konzentrieren. Die Regierung habe bis heute keine Konzepte vorgelegt.
Paul Kimberger (45) ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lehrerinnen und Lehrer. Er ist in Schärding geboren und lebt in Linz.
KURIER: Viele Lehrer beklagen, dass ein großer Teil ihres Wirkens Sozialarbeit sei, weil die Eltern sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern. Wer soll diese Tätigkeit übernehmen?
Paul Kimberger: Das Unterstützungs- und Supportsystem, das wir fordern. Wenn wir das finnische System auf Österreich übertragen würden, müssten zu den Lehrern im Unterricht 23.000 Betreuungslehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter engagiert werden. Die Lehrer sind zum Unterrichten da.
Die Regierung hat sich auch mit der Lehrerausbildung beschäftigt. Sie soll ab 2014 umgesetzt werden.
Das geht in die richtige Richtung. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir eine gleichwertige Lehrerausbildung aller Pädagoginnen und Pädagogen auf Master niveau brauchen (das sind sechs und vier Semester, Anm.d.Red.). Dadurch kommt es zu einer deutlichen Qualitätssteigerung in der Ausbildung. Alle sind Akademiker. Letztendlich freut es mich, dass wir uns mit unseren Argumenten in dieser Sache relativ schnell durchgesetzt haben.
SPÖ und ÖVP sind sich in der Frage der Ganztagsschule nicht einig. Wie sehen Sie das Projekt?
Hier habe ich einen relativ pragmatischen Ansatz. Der Bedarf soll sich nicht an einer Ideologie orientieren, sondern an den Kindern und Eltern. Dort, wo es einen Bedarf gibt, werden wir Angebote machen, dort, wo es keinen gibt, werden wir keine machen. Die Wahlfreiheit ist wichtig. Ob die Kinderbetreuung in einer verschränkten (mit Freizeitbetreuung am Nachmittag, Anm.d. Red.) oder in einer konventionellen Form (mit Unterricht am Nachmittag, Anm.d.Red.) stattfindet, ist nicht Kernaufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, sondern von Erzieherinnen und Erziehern beziehungsweise Freizeitpädagogen.
Die Regierung hat beschlossen, im kommenden März zu einer Bildungsklausur zusammenzutreffen.
Ich sehe das alles mit ziemlicher Gelassenheit. Wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen. Nur eines ist klar. Wir werden zukünftige Lehrergenerationen nicht auf dem Altar von Budgetnotwendigkeiten opfern. Denn Bildungspolitik ist nicht eine Frage der Beliebigkeit, sondern der Qualität und Nachhaltigkeit.
Eine Expertengruppe, die Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger einberufen hat, hat vorgeschlagen, dass die Lehrer wie alle anderen Arbeitnehmer ganztägig in der Schule arbeiten und auch nur fünf Wochen Urlaub haben sollen.
Wir sind permanent mit Expertenmeinungen konfrontiert. Es machen sich sehr viele Gedanken, was wir alles in der Schule tun sollten und könnten. Wenn Österreich bei den Olympischen Spiele keine Medaillen macht, dann ist die Schule schuld.
Diese Expertengruppe arbeitete unter dem Titel „Unternehmen Östereich 2025“. Es sind ja Dinge drinnen, die durchaus unterstützenswert sind. Zum Beispiel kleinere Schulklassen, mehr Individualisierung, weg von der Defizitorientierung, hin zur Talenteförderung. Es gibt aber auch Vorschläge, die ich nicht nachvollziehen kann und deren Realisierung schwierig ist. Wenn ich mir die Lehrerarbeitsplätze ansehen, kann in der Schule keine professionelle Vor- und Nachbereitung gemacht werden. Es ist keine Infrastruktur da, es fehlen Schreibtische und Computer, es gibt keinen Platz für Literatur, keinen Platz für Recherchen. Wir haben keine Räume für Teambesprechungen. Solange nicht jeder der 120.000 Lehrerinnen und Lehrer einen ordentlich ausgestatteten Arbeitsplatz hat, brauchen wir über eine längere Anwesenheit in der Schule nicht zu sprechen.
In regelmäßigen Abständen haben wir die Feriendebatte. Es handelt sich ja in Wirklichkeit nicht um neun Wochen Urlaub. In den Ferien muss das vergangene Unterrichtsjahr professionell nachbereitet werden und das neue muss vorbereitet werden. Heuer haben sich in den Ferien 5000 Pflichtschullehrer weitergebildet. Natürlich brauchen die Lehrerinnen und Lehrer auch Zeit, wo sie Kraft und Ideen schöpfen können. Wenn man eine bessere Ferienregelung findet, wie zum Beispiel Herbstferien, und wenn es sich dabei um einen Vorteil für die Schüler, für die Eltern und Lehrer handelt, dann sollten wir das umsetzen. Bis jetzt ist mir kein derartiges Konzept präsentiert worden.