Chronik/Oberösterreich

„Es kommen Supermärkte ohne Kassen“

Franz Staberhofer (54) ist Professor für Logistikmanagement und leitet das Logistikum am Fachhochschul-Campus Steyr. In Eberstalzell wurde nun in Zusammenarbeit mit der Handelskette Hofer ein Handelsinnovationszentrum eingerichtet. Ab 2020 soll es das Masterstudium „Retailinnovationmanagement“ geben. Steyr will ein Knoten in der Ausbildung und Forschung im europäischen Handel sein.

KURIER: In den USA bietet Amazon sogenannte Amazon-Go-Läden an. Sie funktionieren ohne Personal, die registrierten Kunden geben die Produkte in ihr Körberl und verlassen den Laden, ohne an der Kassa zu zahlen. Bezahlt wird über die Go-App am Smartphone. Diese Läden sind voll mit Kameras, die jeden einzelnen Kunden erfassen. Wird so auch die Zukunft unserer Supermärkte aussehen?

Franz Staberhofer: Amazon hat einen Store, in dem es alles reingepackt hat, was an Technologie möglich war, koste es, was es wolle. Damit will der Konzern schauen, was technisch alles möglich ist, was funktioniert, nicht funktioniert und was die Menschen annehmen. Das ist ein Technologie-Testladen. Wenn man sehen will, wie die Neuerungen wirklich funktioniert, muss man nach Schweden fahren. Dort geht man in den Laden, steckt die Kundenkarte in ein Handheld (Handgerät), man scannt die Produkte selbst und verlässt den Laden ohne bar zu bezahlen. In Schweden gibt es ein einheitliches elektronisches Bezahlsystem. Hin und wieder gibt es Diebstahlskontrollen. Wer das nicht will, kann zur normalen Kasse gehen. Das gibt es seit Jahren. Schweden ist um Lichtjahre voraus.

In den USA findet ein Blutbad unter den Einkaufsläden statt. Es werden pro Jahr rund 3000 zugesperrt, und 800 werden neu eröffnet. Hofer und Amazon haben derzeit eine Welle. Amazon macht immer mehr Stores und hat die Biomarktsuperkette Whole Foods gekauft. Die größte US-Supermarktkette Walmart pusht umgekehrt den Online-Handel. Walmart hat erkannt, dass beide Kanäle notwendig sind.

Der Onlinehandel im Internet und der Offlinehandel im Geschäft?

Genau. Amazon kommt vom Online-Bereich und geht in den Offline-Bereich, in dem es aufkauft und selbst Stores aufmacht. Das sind dann ganz normale Läden. Die erwähnten Technologie-Bomber dienen nur zu Versuchszwecken. Hier ist Schweden am weitesten.

Wenn keine Damen mehr an den Kassen sitzen, ersparen sich die Märkte Personal. Das ist ihr Vorteil.

Das ist ein Vorteil.

Für den Kunden ist es eine Verschlechterung, denn er muss mehr selbst erledigen. Es wird mehr Arbeit an den Kunden ausgelagert.

Ja, natürlich. Aber derzeit ist es meistens so, dass man an der Kasse in der Schlange warten muss. Ohne Kassa muss man sich nicht mehr anstellen. Menschenleer werden die Märkte trotzdem nie sein.

Ich bin selbst ein Gegner des oberflächlichen 4.0-Hypes. Umgekehrt bin ich überzeugt, dass die Technologie einen Nutzen stiftet. Walmart ist der größte Lebensmittelhändler der Welt. Er betreibt seit 25 Jahre eigene Satelliten. Er schreibt zum Beispiel dem Joghurt-Lieferanten vor, es müssen 20 Sorten im Regal stehen und von jeder Sorte mindestens drei Becher. Walmart muss dadurch nicht bestellen, er muss auch nicht lagern. Die Lieferant erhält das, was tatsächlich verkauft wird. Er kann dann seine Lieferroute optimieren.

Vor 20 Jahren hat Walmart seine Daten über das Kundenverhalten ausgewertet. Dabei hat er festgestellt, dass am Abend immer Windeln und Bier verkauft worden sind. Denn die Männer haben, bevor sie nach Hause gefahren sind, immer Windeln gekauft. Daraufhin haben sie neben den Windeln die Bier-Sixpacks platziert. Dadurch stieg der Absatz um 35 Prozent.

Wenn Sie heute online bestellen, bekommen sie die Werbebuttons ähnlicher Produkte am Bildschirm.

Ein anderes Beispiel ist 7-Eleven. Der Lebensmittelkonzern verfolgt das Prinzip sich der Region anzupassen. Sie bauen drei bis vier mal täglich ihre Shops um. Und in New York erhalten sie in China Town etwas anderes als in Little India.

Wir in Europa sind im Vergleich zu Amerika sehr stümperhaft bei der Nutzung der Kundendaten. Man soll sie nutzen, um dem Kunden etwas anzubieten.

Wie werden die Märkte der Zukunft aussehen?

Sehr unterschiedlich. Vor ein paar Jahren wurde behauptet, dass sich die Kunden Schuhe nie im Internet bestellen werden. Heute ist das ein realistischer Absatzkanal.

Es wird dann immer wieder behauptet, das Internet nimmt uns die Jobs weg. Meine Erfahrung ist, wenn man in einem Geschäft eine gute Beratung bekommt, dann ist man auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Das ist auch wissenschaftlich belegt. Das kann bis zu sieben Prozent mehr sein. Im Schnitt fühlt sich der Kunde dem Berater moralisch verbunden und kauft in der Regel im Geschäft und nicht im Internet. Wenn im Geschäft eine persönliche Leistung erbracht wird, wird das geschätzt. Deshalb werden die Geschäfte auch nicht aussterben. Die Menschen wollen in allen Bereichen eine Beratung haben.

Der Mensch verhält sich am Ende des Tages egoistisch, ob uns das nun gefällt oder nicht. Diesen Egoismus muss man ein Stück weit befriedigen. Man muss die Kombination zwischen Online und Offline ermöglichen.

Die Zukunft liegt also in der Kombination von Geschäft und Online?

Eindeutig. Die Frage ist nicht, wer Gewinner und wer Verlierer sein wird, sondern wer bietet die beste Kombination an? Wenn jemand einen schlechten Online-Shop hat, geht auch niemand ins Geschäft. Amazon hat bei seinen Produkten immer eine Community dabei. Wenn Sie da reinschauen, erfahren Sie schon viel durch deren Bewertungen. Wenn mir der Verkäufer im Geschäft das Produkt aufgrund seiner langjährigen Erfahrung auch beschreiben kann, benötige ich die Bewertung der Community nicht.

Die Zukunft des Handels liegt für mich darin, die unterschiedlichen Wünsche der Kunden zu erkennen. Und die Produkte auf die möglichst richtige Art und Weise anzubieten. Die traditionellen Händler müssen sich aufgrund des Drucks des Online-Handels anpassen. Sie sind unendlich mehr gefordert.

Amazon kommt vom Onlinehandel und investiert nun in den Offlinehandel, in Geschäfte.

Das hat mehrere Gründe. Es werden sicher nicht alle Kunden online kaufen. Und Amazon muss die Produkte ja auch verteilen. Eines der Konzepte sind sogenannte Dark Stores, ein Lagerraum, wo der Kunde in seiner Nähe sein Produkt abholen kann, das er im Internet bestellt hat.