Chronik/Oberösterreich

„Eisen nach Breslau, Krakau, Lemberg“

Elisabeth Gruber ist Assistentin am Institut für Geschichte der Universität Wien. Die 40-Jährige ist Mitglied des Kuratorenteams für die Landesausstellung und schreibt ihre Habilitation zum Thema personelle Verflechtungen in den österreichischen und böhmischen Städten im Spätmittelalter. Sie stammt aus Gallspach, Bezirk Grieskirchen.

KURIER: Oberösterreich und Südböhmen waren einmal ein gemeinsamer Raum.
Elisabeth Gruber: Es ist noch immer ein gemeinsamer Raum.

Hohenfurth, Krumau und Budweis waren mehrheitlich deutsch. In Krumau waren 1910 von 8662 Einwohnern 7367 deutschsprachig und 1295 tschechischsprachig. Wie darf man sich den damaligen gemeinsamen Raum vorstellen?
Man denkt sich die Grenzen weg. Es gab nicht nur keine politische, sondern auch keine sprachliche Grenze. Die Wirtschaft in Oberösterreich konnte in alle Richtungen expandieren und ausliefern, nördlich der Donau war keine Grenze. Dadurch bestand die Möglichkeit, die Absatzmärkte in Prag und weiter bis nach Schlesien und Breslau und Krakau zu nutzen.

Das war ja der Fall.
Wir hatten in Österreich und auch die Bayern ganz große Salzlagerstätten. Böhmen hatte aber kein Salz. Es musste zukaufen.

Salz war damals in der Bedeutung für die Menschen noch viel wichtiger als heute.
Es war das Konservierungsmittel, das für die verschiedensten Arten der Lebensmittel verwendet wurde. Fleisch wurde mit Salz konserviert. Wir haben auch umgekehrt auf den Einkaufsrechnungen der adeligen Herrschaften Salzheringe, die aus der Nord- und Ostsee kamen. Sie wurden mit Meersalz konserviert. Es ist ein Beispiel dafür, dass Salz das Um und Auf für die Nahrungsmittelproduktion war.

Es war aber vermutlich relativ teuer.
Es war teuer, aber nicht unleistbar. Es gibt das Sprichwort: Salz ist das weiße Gold. In der Zeit von 1000 bis 1600 war es eines der wertvollsten Lebensmittel, das abgebaut und verkauft worden ist.

Wo wurde es in Österreich abgebaut? Wie ging der Transport vor sich?
Der Schwerpunkt war zuerst in Hallein bei Salzburg. Im 14. Jahrhundert kam Aussee dazu, weiters Berchtesgaden. Aus all diesen Richtungen wurde Salz nach Österreich transportiert. Zuerst nach Österreich, dann weiter nach Böhmen. Auf den Flüssen Salzach, Inn, Traun und auf der Donau. In Linz wurde es auf Pferdefuhrwerke verladen. Es gab eine eigene Fuhrwerkergenossenschaft, einen eigenen Berufszweig, der das Salz nach Böhmen transportiert hat.

Wie verliefen die Routen?
Es ist ähnlich wie heute. Es gab eine kürzere und eine lukrativere Route. Jene über Freistadt dauerte länger, sie war auch von der Wegführung nicht so angenehm, aber sie war vom Landesfürsten privilegiert. Freistadt war eine landesfürstliche Stadt. Das heißt, die Einkünfte der Stadt unterlagen dem Landesfürsten, der die Stadt besteuerte. Im Gegenzug durfte die Stadt verschiedene Steuerleistungen einnehmen. Heute würde man das Handelssteuer nennen. Alle Händler, die nach Böhmen unterwegs waren, mussten in Freistadt ihre Waren anbieten und verschiedene Abgaben leisten, bevor sie weiter Richtung Norden reisen durften. Dann gab es natürlich die pragmatische Lösung, die Route über den Haselgraben nach Bad Leonfelden, Krumau und Budweis. Sie war nicht so beschwerlich und Steuern mussten auch keine bezahlt werden.

War dieser Weg illegal?
Mit dem Begriff illegal tue ich mir schwer. Die Leonfeldner hatten kein Anrecht darauf, dass die Route über ihren Markt führt. Freistadt wurde immer unterstützt, Bad Leonfelden benachteiligt. Kaiser Maximilian hat dann zu Beginn des 16. Jahrhunderts reinen Tisch gemacht und den Salzexport grundsätzlich monopolisiert. Es war dann egal, auf welchem Weg das Salz transportiert wurde. Es hat in Prag ein Salzoberamt gegeben. Dieses hat die Salzeinfuhr nach Böhmen organisiert. Dieser Streit zwischen Freistadt und Bad Leonfelden ist auch insofern interessant, weil er sich über 200 Jahre erstreckt hat. Es gibt darüber einen ausführlichen Schriftverkehr. Budweis ist Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet worden – als wirtschaftliche Konkurrenz und Gegenpart zu Freistadt. Damit die Freistädter nicht den gesamten böhmischen Handel in ihren Besitz bekommen.

Das Salz wurde dann weiter von Prag nach Schlesien transportiert.
Es war weniger das Salz. Es ist auf den Zwischenstationen jeweils weiterverteilt worden, weil der Salzbedarf so hoch war. Es ist in Budweis abgesetzt worden, weiters in Tabor, das auch eine wichtige Station war. Neben Salz ist Eisen verkauft worden, als halbfertiges Produkt, aber auch in Form von Sensen und Sicheln. Es ist nicht nur in der Steyrer Gegend produziert worden, sondern im 16. und 17. Jahrhundert auch rund um Freistadt. Eisen ist bis Breslau und Krakau verkauft worden. Und sogar noch weiter bis Lemberg und in die Ukraine. Meine Familie hat gute Bekannte im Raum Krakau. Diese haben mir erzählt, dass die österreichischen Sensen die besten waren, die man bekommen konnte. Im 16. und 17. Jahrhundert hat der Adel seine Erträge zunehmend weniger aus dem Boden erzielt, sondern sie haben kleine Manufakturen aufgebaut.
Die Jörger, die im Schloss Tollet bei Grieskirchen waren, sind über Erbschaften zum Beispiel an die Grundherrschaft Scharnstein gekommen. Sie haben diese genutzt, um Eisenprodukte zu erzeugen und zu verkaufen. Darum gibt es auch Sensen aus Regionen, wo man das in Oberösterreich nicht erwarten würde.

Das Eisen wurde im Raum Eisenerz abgebaut.
Genau. Die Steyrer Handels- und Eisenherren hatten die landesfürstliche Erlaubnis, dieses Roheisen zu verkaufen. Sie haben das entweder direkt oder in Form von Eisenprodukten weiterverkauft.

Der Eisenhandel verlief über die Enns, nicht über die Traun?
Genau. Dann entweder donauaufwärts bis Linz, aber auch donauabwärts.

Der Salztransport lief auch über den Inn bis Passau. Von dort führte der sogenannte Goldene Steig nach Böhmen, nach Prachatice.
So hatte man die Möglichkeit, den böhmischen Raum von zwei Seiten aus zu beliefern. Es hat auch noch einen kleinen Nebenzweig gegeben, der über Krems gelaufen ist. So hat man den böhmischen Raum effizient versorgt: Über den Goldenen Steig, über den Haselgraben, die Freistädter Route, über Krems und Brünn.

Sie meinen, dass es sich auch heute bei Oberösterreich und Südböhmen um einen gemeinsamen Raum handelt. Aber er ist heute doch getrennt.
Das stimmt, das ist Realität. Ein Grund ist die Sprachbarriere. Wenn wir mehr Tschechisch könnten, könnten wir diesen Raum viel mehr nutzen. Der tschechische Raum ist ein Absatzmarkt für den österreichischen, der mit Sicherheit nicht zu vernachlässigen ist. Die Möglichkeiten bestehen jedenfalls.

Das Ziel ist wieder einen gemeinsamen Raum zu schaffen, aber es gibt immer noch geschichtlich begründete Vorbehalte und Vorurteile auf beiden Seiten.
Wir dürfen nicht voraussetzen, dass die Tschechen dieselbe Vorstellung von der Wirklichkeit haben wie wir. Man muss akzeptieren, dass jeder sein eigenes Bild hat. Es wird noch einige Jahre dauern, bis man darüber hinwegkommt. Es geht aber darum, den Strick zu sehen, an dem man gemeinsam ziehen kann und nicht dauernd die trennenden Linien.