Chronik/Oberösterreich

„Eine Million Gäste kommen zu uns“

Zdenek Zidek (51) ist seit 22 Jahren Bürgermeister der 560 Einwohner kleinen Gemeinde Lipno am Moldaustausee im Böhmerwald. Lipno liegt nur ein paar Kilometer von der österreichischen Grenze im Mühlviertel entfernt. Hauptberuflich ist Zidek, der gut Deutsch spricht, Direktor des Wassergebietes Moldau mit Sitz in Budweis.

Diese staatliche Behörde verwaltet die Flüsse und Bäche der Region und betreibt Wasserkraftwerke. Er ist begeisteter Segler, was ihn an den Moldaustausee brachte. Der See ist durchschnittlich 6,3 Meter tief, 46 Kilometer lang und bis zu fünf Kilometer breit. Die Seefläche beträgt 50 , das gesamte Seeufer ist öffentlich zugänglich.

KURIER: Warum ist Lipno für viele Gäste so attraktiv?
Zdenek Zidek: Das Gebiet ist zu jeder Jahreszeit schön. Die Menschen können vielen Aktivitäten nachgehen. Es gibt einen 80 Kilometer langen Radweg rund um den Stausee, der teilweise beleuchtet ist. Er kann auch mit Inline-Skatern befahren werden. Die Gemeinde verfügt außerdem über einen schönen Hafen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch einen Baumkronenweg, von dessen 40 Meter hohem Turm man bis zu den Alpen sehen kann. Unterhalb des Baumkronenwegs gibt es eine zwei Kilometer lange BMX-Bahn, die man mit Montainbikes befahren kann. Es gibt eine Sesselbahn, die im Winter die Skifahrer und im Sommer die Radfahrer nach oben bringt. Weiters haben wir einen Seilgarten. Und natürlich den Stausee, auf dem nur Segelboote erlaubt sind.

Wie viele Gäste haben Sie jährlich?
Wir haben 500.000 Nächtigungen und eine Million Besucher pro Jahr.

Das Gelände ist weitläufig. Sind die Häuser hier am See Privatwohnungen?
Die meisten sind Privatwohnungen. Wir haben hier 400 Besitzer von Zweitwohnungen. Dazu kommen sehr viele Appartements, die vermietet werden. Lipno verfügt über 3800 Betten.

Sie sind erfolgreich?
Für unsere Verhältnisse schon. Aber es ist nicht genug los. Wir sind noch nicht am Ende unserer Pläne und Vorstellungen. Damit das Skigebiet wirklich funktioniert, benötigen wir insgesamt 5000 Betten.
Wir müssen unsere Angebote weiter ausbauen. Denn das muss sich in einem ausgewogenen Verhältnis bewegen. Alle Investitionen erfolgen auf privater Basis. Wir erhalten faktisch keine Förderungen.

In welche Richtung wollen Sie gehen?
Derzeit bauen wir an einem 1000 großen, überdachten Kinderspielplatz, wo die Eltern im Fall von Schlechtwetter den ganzen Tag mit ihren Kleinen verbringen können. Er wird im Juni eröffnet. Wir wollen ihn mit dem Hallenbad verbinden. Wir planen weiters einen safariähnlichen Tierpark. Die Grundstücke dafür haben wir schon gekauft. Dazu wollen wir das Skigebiet um zwei Sesselbahnen und zwei Abfahrten erweitern. Damit werden wir im nächsten Jahr beginnen.

Welche Investoren setzen in Lipno ihr Geld ein?
Anfangs waren es die Holländer. Jetzt sind es Investoren aus ganz Tschechien.

Wie viel Geld wurde bisher investiert?
Von den Privatinvestoren rund drei Milliarden Kronen (rund 120 Millionen Euro). Die Gemeinde hat 360 Millionen Kronen (14 Millionen Euro) in die Infrastruktur gesteckt. Das bedeutet, dass jede Krone, die die Gemeinde investiert, zehn Kronen von Privatinvestoren nach sich ziehen.

Wer sind Ihre Gäste?
Unser Zielpublikum sind Eltern mit kleinen Kindern.

Was ist Ihre Hauptsaison?
Wir haben zwei Saisonen. Im Winter von Anfang Dezember bis März und im Sommer von Mai bis September. In den Hauptsaisonen haben wir eine Auslastung von 60 bis 70 Prozent. Im Winter haben wir mehr Gäste als im Sommer. Sie geben auch mehr Geld aus.

Woher kommen Ihre Gäste?
Es sind hauptsächlich Tschechen. Wir haben die größte Kinderskischule von ganz Tschechien. Das ist einer der Hauptgründe für unseren Erfolg. Für uns ist das Tiroler Skigebiet Serfaus-Fiss-Ladis (nahe Landeck) das große Vorbild. Das Zielpublikum dort sind ebenfalls Familien mit kleinen Kindern. Das bedeutet, dass alles sehr bequem sein muss, alles ganz leicht erreichbar sein muss. Wenn sich beispielsweise ein Kind erkältet, muss der Arzt unmittelbar erreichbar sein.

Wie viele der Besucher sind Tschechen?
Rund 70 Prozent. 25 Prozent sind Holländer.

Warum kommen die Niederländer zu Ihnen?
Die Holländer haben hier sehr viel investiert. Vor allem an der Marina (Hafen am See). Es gibt 300 Appartements. Sie werden von der Firma Landal Green Parks betrieben, einer holländischen Kette, die 40 derartige Parks in Europa führt. Sie macht in Holland Werbung, dadurch kommen die holländischen Gäste. Diese Startinvestition 1994 war für uns wichtig, denn die Tschechen hatten noch nicht genügend Geld zum Investieren.

Österreich liegt nur ein paar Kilometer von hier entfernt. Warum haben Sie nicht mehr österreichische Gäste?
Durch den Baumkronenweg kommen jetzt mehr Österreicher zu uns. Aber Österreich ist als Skiland für diese Art der Erholung noch immer erste Klasse in Europa.

Es ist aber wesentlich teurer.
Es gibt auch viele Tschechen, die zum Skifahren Österreich bevorzugen. Wer Qualität will, fährt nach Österreich. Alles funktioniert perfekt, auch die Gastronomie. Wir brauchen dazu noch einige Jahre. Wir wollen der bekannteste Urlaubsort Tschechiens werden. Wir sind sehr jung und eine Neuheit, deshalb sind wir interessant. Wir müssen nun versuchen, durch verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten die Gäste auf Dauer zu gewinnen und Lipno zu einem traditionellen Urlaubsort zu machen.
Wir überprüfen ständig, ob sich unsere Investitionen rechnen. Wir arbeiten hier mit der touristischen Hochschule in Prag zusammen, die uns ständig einen Spiegel zeigt und sagt, welche Wirkung unsere Schritte haben.

Um wie viel ist ein Skiurlaub hier bei Ihnen günstiger als in Österreich?
Um rund ein Drittel. Eine Tageskarte kostet 530 Kronen (rund 21 Euro).

Beeinträchtigt das Atomkraftwerk Temelin ihren touristischen Erfolg?
Temelin ist 70 Kilometer weit weg, das ist für uns absolut kein Problem.