„Dynamik statt festem Block“
Von Josef Ertl
Johann Padinger (53) ist seit 2008 Vorsitzender des Priesterrates der Diözese Linz, Pfarrer und Dechant des Dekanates Peuerbach und geistlicher Assistent der katholischen Frauenbewegung.
KURIER: Ist es nicht so, dass die Kirche in den Pfarrgemeinden das II. Vatikanum lebt, nicht aber die Kurie in Rom?
Johann Padinger: Das Auseinanderdividieren ist nicht mein Stil. Ich betone stets das Zusammenführende. Von den Bischöfen ist die Sehnsucht da, in Einheit mit dem Kirchenvolk zu leben. Es besteht aber der Eindruck, dass die Rufe des Volkes unerhört bleiben. Sowohl bei den Bischöfen in Österreich als auch bei den Bischöfen der Kurie in Rom sind unterschiedliche Strömungen da. Vom öffentlichen Eindruck her kommen die fortschrittlicheren Kräfte aber nicht zur Geltung.
Es ist auch Aufgabe der Bischöfe, die Anliegen des Volkes nach Rom zu transportieren.
Die Bischöfe beteuern, das auch zu tun. Aber zugleich kommen sie immer mit der Botschaft, dass eine Veränderung in der gegenwärtigen Situation nicht möglich sei. Die großen Strömungen in der Kirche ließen es nicht zu, Veränderungen im kleinen Europa auf die Wege zu bringen.
Welche Strömungen sind das?
Aus unserer Perspektive ist das ganz schwer vorhersehbar. Wir sehen ganz andere Akzente. Für uns ist beispielsweise die Frauenfrage ganz präsent, tagtäglich. Die Veränderungen sind schon im Konzil merkbar geworden. Die Frauenfrage ist in anderen Teilen nicht so akut, weil die Fragen der Existenz und des Überlebens viel stärker sind. Vor diesem Hintergrund gibt es Blockaden.
Kardinal König hat sich für die Errichtung kontinentaler Bischofskonferenzen ausgesprochen, die Kompetenzen für ihren Bereich haben sollen.
Das ist genau das, was uns fehlt. Die Welt ist so komplex geworden, dass sie nicht über ein einziges Wort hin definiert werden kann. Europa, Asien und Afrika brauchen ganz spezielle Antworten. Das Konzil hat die Kollegialität der Bischöfe besonders herausgestrichen. Ein regionales Kolorit ist überfällig.
Die Priester werden älter und weniger. Wie soll da das Pfarrleben funktionieren?
Die Diözese hat definiert, dass die Pfarren leben sollen. Die Kirche wird stärker eine Kirche der Laien. Die Kleriker sind von der Kirche selbst extrem geschwächt worden. Der Tiefpunkt ist bei Weitem noch nicht erreicht. Das Durchschnittsalter der Priester in meinem Dekanat beträgt 73 Jahre. Wir können das durch Priester aus anderen Ländern und Kontinenten nicht auffangen. Die einzige Möglichkeit, dass die Pfarren leben können, ist die ehrenamtliche Mitarbeit der Laien. Unser Weg ist nicht wie jener in Deutschland. Dort werden die Pfarren zusammengelegt, um die Zahl der Pfarren an die der Priester anzupassen. Das ist falsch. Wenn Pfarren leben wollen, dann sollen sie leben.
Sie sind Sprecher des Priesterrates. Was ist das dringendste Anliegen der Priester?
Sie wünschen sich eine Perspektive für die Zukunft. Sie sorgen sich um die Leitung der Pfarren. Wer wird sie übernehmen, wenn sie nicht mehr da sind? Sie möchten das geregelt wissen. Das ist eine ganz schmerzliche Erfahrung der älter werdenden Pfarrer und Priester. Sie spüren auch, dass die Gottesdienstbeteiligung stark zurückgegangen ist. Das ist auch ein bedrängendes Moment. Sie fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben. Nach allen Analysen meine ich, dass die Umbrüche der Gesellschaft und der neue Freiheitsgebrauch die Ursache sind. Gleichzeitig besteht das religiöse Empfinden und Suchen der Menschen weiter. Die Menschen sehen durch die Medien eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Fehlt der römisch-katholischen Kirche nicht die Zukunftsperspektive?
Zum einen nicht, weil wir glauben, dass Gott uns verändern wird. Die spirituelle Zukunftsperspektive ist da. Mitten in die Nacht hinein glauben wir, dass das Licht da ist. Gerade zu Weihnachten. In der Organisationsstruktur fehlt uns hingegen die Perspektive. Eine ganz Reihe von Blockaden stehen der Verwandlung in die Zukunft im Weg. Die Perspektive, die Papst Johannes XXIII. dem Konzil vorgegeben hat, war ja, dass die Kirche in das Heute hineinwirken soll.
Das ist eine dynamische Sicht von Glaube, Kirche und Entwicklung statt eines festen Blocks, der von einer Generation zur anderen gereicht wird. Genau diese Dynamik brauchen wir, um die Botschaft Christi in das Heute zu übersetzen.
Das Heute ist schon wieder ein anderes als das vor 50 Jahren zur Zeit des Konzils. Wir müssen den Glauben ins Heute bringen und dazu auch die strukturellen Voraussetzungen schaffen.