Chronik/Oberösterreich

Dienstliche Folgen einer Flucht

Der spektakuläre Ausbruch eines polnischen Häftlings aus der Justizanstalt Linz hat am 30. Juli 2013 für enormes Aufsehen gesorgt: Helikopter kreisten über der Innenstadt, Spürhunde kamen zum Einsatz und drei Einkaufszentren wurden vorübergehend von Polizisten umstellt.

Der entflohene Sträfling Rafal Robert W. blieb jedoch verschwunden. Der 36-Jährige konnte unerkannt ins Ausland flüchten. Bis heute ist die Schengenfahndung nach ihm aufrecht, die österreichische Justiz beantragte einen europäischem Haftbefehl.

Allerdings scheint W. inzwischen der Polizei seiner Heimat ins Netz gegangen zu sein. "Wir haben das von polnischen Kollegen in Erfahrung gebracht. Sie wollen uns auch zeitgerecht informieren, wenn sich seine Strafhaft dort dem Ende zuneigt", bestätigt Silvia Strasser, Sprecherin des Bundeskriminalamts. Doch auch die heimische Justiz steht mit den polnischen Behörden in Kontakt. "Es gibt regen Korrespondenzverkehr – der Antrag für die Übergabe von W. an Österreich ist in Arbeit", erklärt Rainer Nimmervoll, Sprecher des Landesgerichts Linz.

Dienstpflicht verletzt

Für einen Linzer Justizwachebeamten hatte die Flucht des Polen disziplinarrechtliche Folgen. Eine Kommission des Justizministeriums sprach Heinrich S. kürzlich schuldig, seine Dienstpflicht verletzt zu haben. Er erhielt einen Verweis und musste auch die Verfahrenskosten bezahlen.

W., den ein Schöffensenat am 23. Mai 2013 wegen gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstähle zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt hatte, war am 30. Juli in der Gefängnis-Werkstätte zur Autowäsche eingeteilt. S. hatte dort Aufsicht. Obwohl kein weiterer Kollege anwesend war, verließ er, begleitet von einem Strafgefangenen, den Posten. S. wollte im ersten Stock eine Steckdose reparieren. W. und vier weitere Häftlinge blieben unbeaufsichtigt zurück. Diese Gelegenheit nützte der Pole aus: Er schnappte sich eine Leiter und kletterte zu einer mit Gittern gesicherten Plexiglas-Lichtkuppel hoch. Mit einem Winkelschleifer durchtrennte er die Eisenstäbe, das Plexiglas zertrümmerte er mit einem Hammer. Dann flüchtete er über die Dachterrasse zum Ausgang eines Wohnhauses – und von dort weiter in Richtung Stadtzentrum.

"S. hat somit zum Gelingen der Flucht beigetragen", befand der Disziplinarsenat. Ein Geständnis und seine disziplinäre Unbescholtenheit wirkten sich für den Aufseher strafmildernd aus.

Um Fluchtmöglichkeiten in der Form künftig umöglich zu machen, hat man in der Justizanstalt Linz verschiedene Gegenmaßnahmen getroffen. "Es wurden bauliche, technische und organisatorische Verbesserungen umgesetzt", betont Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion.