Chronik/Oberösterreich

„Die Harmonie der Gegensätze ist faszinierend“

Der Mollner Willibald Girkinger war Manager und Unternehmensberater. Der 75-Jährige hat gemeinsam mit Lutz Maurer und Franz Sieghartsleitner das Buch „Das Tote Gebirge – Lebenswelten in einem Naturparadies“ (Verlag Trauner, 43,80 €) herausgebracht. Bereits früher erschien sein Buch „Die Steyr – Landschaft und Menschen am Fluss“.

KURIER: Was ist das Besondere am Toten Gebirge?

Willibald Girkinger: Es ist eine Harmonie der Gegensätze. Einerseits ist da die Wildheit des Gebirges, eine tote Steinwüste, wenn man zum Beispiel vom Prielschutzhaus Richtung Pühringerhütte hinaufgeht. Und andererseits die Sanftheit des Gebietes, mit vielen Almen und Wäldern. Dieser Gegensatz hat mich immer fasziniert. Man geht in verschiedenen Welten. Auf einem Hochplateaugebirge, das mit 1.130 Quadratkilometern eines der größten weltweit ist.

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Das Tote Gebirge hat eine faszinierende Oberwelt und eine geheimnisvolle Unterwelt. Als normaler Berggeher lernt man die Unterwelt kaum kennen, sie ist den Höhlenforschern vorbehalten.

Warum gibt es so viele Höhlen?

Es ist ein Kalksteingebirge. Das Wasser sickert sofort durch. Die Niederschläge haben über Jahrtausende hinweg bewirkt, dass so viele Höhlen, Unterwasserseen und Unterwasserflussläufe entstanden sind. Die Steyr, die Traun und die Alm entspringen dort. Jetzt hat man eine Höhle mit einer Länge von 100 km entdeckt, sie reicht von Bad Ischl bis Bad Mitterndorf. Neben den Höhlen fasziniert auch die Artenvielfalt. Die Flora und Fauna beeindrucken, es gibt viele Arten, die nur dort vorkommen. Es ist eines der letzten Wildnisgebiete in Österreich. Die schwere Zugänglichkeit und die Abgeschiedenheit ermöglichen das und verhindern Massentourismus.

Das Tote Gebirge erstreckt sich zwischen Spital am Pyhrn und Bad Ischl.

Von Hinterstoder mit dem Priel-Gebiet, über Spital mit dem Warscheneck-Stock bis nach Bad Ischl, ins Ausseerland und bis zur Tauplitz. Die Tauplitz ist eines der größten Almgebiete Österreichs. Das Tote Gebirge ist eine Oase für Sinn- und Ruhesuchende. Es gibt hier keinen Massenbergtourismus, man ist oft ganz für sich alleine. Man kommt mehr zu sich, weil man von anderen Dingen nicht mehr abgelenkt ist. Außer von der Natur und ihrer Schönheit. Das Gebiet war immer schon eine Inspirationsquelle für die Künstler. Die Natur wirkt unmittelbar auf den Geist, das Denken und die Emotionen.

Natur- und Landschaftsschutz hat für mich mit ästhetischen Werten zu tun. Diese Ergriffenheit und Schönheit prasselt auf den Wanderer ein. Ob man nun auf einer Bergspitze oder an einem See ist.

Sie schreiben in Ihrem Beitrag über die Berge aus philosophischer Sicht. Was macht für Sie ihre Faszination aus?

Die Berge haben die Menschen immer schon fasziniert. Sie waren immer schon etwas Besonderes, ob das der Olymp bei den Griechen oder der Berg Sinai für die Israeliten war. Diese besondere Bedeutung haben sie für alle Menschen.

Mich persönlich fasziniert die Kombination von Natur, Körper und Psyche. Man kommt weg vom Getriebensein der Gesellschaft. Es tut sich eine andere Welt auf, die bestens funktioniert. Die Berge liefern die Möglichkeit, ganz zu mir zu kommen oder über Dinge nachzudenken, über die man unten gar nicht nachdenkt. Der Blick von oben nach unten gibt Emotionen frei, die anders nicht erreicht werden. Nicht durch das Laufen, das Radfahren oder einen Aufenthalt am Meer. Es ist eine andere Verbindung, eine Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Welche Touren könnten Sie Menschen empfehlen, die in diese Welt eintauchen möchten, ohne sich dabei zu überfordern?

Das hängt stark von der Konstitution ab. Es gibt einige Standardtouren, für die man ein wenig Training braucht, die aber bewältigbar sind. Der Klassiker ist der Aufstieg von Hinterstoder aus, über den Fleischbanksattel zur Pühringerhütte. Da erhält man einen guten Eindruck von der Steinwüste, dem Toten Gebirge im klassischen Sinn.

Wenn man nicht so trainiert ist, könnte man auf der Pühringerhütte übernachten, und über die Lahngangseen nach Grundlsee runtergehen.

Da ist man dann schon im Ausseerland, quer über das Tote Gebirge.

Man ist dann im Steirischen. Quer drüber würde bedeuten, man geht weiter bis zum Appel-Haus und runter nach Bad Aussee. Das kann man nicht in einem Tag bewältigen.

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Eine zweite, sehr schöne Tour geht vom Offensee (Gem. Ebensee) aus. Sie führt zum Wildensee (1.535 m) rauf. Und dann vom Wildensee zum Appel-Haus. Und wieder retour. Diese Tour vermittelt das Tote Gebirge aus einer anderen Sichtweise. Da hat man mehr Almen, man hat einen guten Blick auf den Dachstein. Eine Möglichkeit im Steirischen wäre die Fahrt auf die Tauplitz und von dort die Wanderung Richtung Sturzhahn. Auf dem Sturzhahn hat Heinrich Harrer seine Kletterpartien absolviert. Das kann fast jeder gehen. Oder vom Almtalerhaus (Gem. Grünau) rauf auf die Welserhütte (1.740 m).

Was war die Motivation für dieses 300-seitige, schön bebilderte Buch, an dem Sie zwei Jahre gearbeitet haben?

Mir ging das Buch schon mehr als zehn Jahre durch den Kopf. Es gibt zwar sehr viele Führer, aber es fehlte mir der Aspekt, nicht nur den Gebirgsstock als Berg zu sehen, sondern auch die Lebenswelten im Umfeld. Das Tote Gebirge ist eine enorme Oase für den Umwelt-, den Natur- und Klimaschutz. Das Nationalparkgesetz sieht eine Erweiterung um das Tote Gebirge vor.

Das Buch ist eine Symbiose von Natur und Kultur. Dazu kommt noch das Geschichtliche. Es war einerseits die Alpenfestung der NSDAP und andererseits ein Widerstandsnest. Die Autoren der 40 Kapitel sind alle bekannt, wie zum Beispiel Roland Girtler. Wir haben jene Autoren gewählt, die etwas zu sagen haben und von der Liebe für die Region getragen werden.