Chronik/Oberösterreich

Der Traum vom gelungenen Selbst

Mit der Reichspogromnacht im November 1938 ändert sich schlagartig alles im Leben des vierjährigen Harry Merl. Seine Eltern werden zur Räumung hunderter verlassener jüdischer Wohnungen zwangsverpflichtet. Der kleine Harry ist ab nun 14 Stunden allein zu Haus. Als die Merls auf der Deportationsliste stehen, gehen sie in den Untergrund. In einem kalten Kohlenkeller erleben sie die Befreiung durch die Alliierten.

Menschen beistehen

Das Erfahrene lässt Harry nicht mehr los. Er wird Psychiater und Psychoanalytiker. Er will Menschen beistehen, die Ähnliches durchgemacht haben. Harry muss sich jedoch bald eingestehen, dass die Möglichkeiten der Psychoanalyse dafür nicht ausreichen. Er entdeckt die aus den USA kommende Familientherapie. Allen Anfeindungen zum Trotz beginnt er in der Linzer Psychiatrie als erster und einziger Therapeut mit Familien zu arbeiten. Univ. Doz. Dr. Merl wird so zum Wegbereiter der systemischen Psychotherapie.

Unterstützung der Familie

Was macht ein gesundes Familienleben aus? „Mir ist klar geworden, dass Menschen die Sehnsucht haben, heranwachsen und etwas schaffen zu können. Ich habe das den Traum vom gelungenen Selbst genannt. Menschen haben ein genaues Bild von sich selbst, wie sie sind, wenn sie gesund sind. Mit diesem Wissen ist es möglich, dass man sich auf die Seele verlassen kann, dass sie jeden Weg sucht, um diesen Traum zu verwirklichen. Und das möglichst mit der Unterstützung der Familie“, erklärte Merl im Interview mit Oberösterreich-KURIER (4. 11. 2018). „Dabei ist die Liebe das oberste Heilmittel. Im Sinn einer Humanökologie. So wie man miteinander umgeht.“

Auf der Bühne

Der Linzer Therapeut Johannes Neuhauser hat nun eine Biografie mit dem Titel "Harry Merl – Vater der Familientherapie" verfasst und präsentiert sie am Donnerstag, den 13. Juni um 19.30 Uhr im Linzer Café Traxlmayr. Am 20. Juni wird um 20.30 Uhr das Theaterstück Harry Merl zum letzten Mal in der Linzer Tribüne aufgeführt.