„Der Klimawandel wird nun in Europa wirklich sichtbar“
Von Josef Ertl
Severin Mayr ist einer der Hoffnungsträger der Grüne. Der 38-jährige Linzer ist Landtagsabgeordneter und für die Bereiche Jugend, Kultur, Medien, Sport und Verkehr zuständig.
KURIER: Wie lange wird es die Grünen noch geben? Severin Mayr: Es wird sie in Zukunft noch intensiver geben als es sie in der Vergangenheit gegeben hat. Vor allem auf Bundesebene. Unser Comeback ist das große Projekt, an dem wir gerade arbeiten.
Warum soll es für die Grünen plötzlich einen Aufschwung geben? Es hat sich seit der Nationalratswahl im vergangenen Herbst nicht wirklich viel geändert.
Die derzeitige Themenlage braucht die Grünen so dringend wie nie zuvor. Eine Hitzewelle folgt der anderen, ein Rekordsommer löst den anderen ab. Die Grünen fehlen, die Kimaveränderungen werden nicht thematisiert. Der Klimawandel wird nun in Europa wirklich sichtbar. Wir sehen ihn in der Landwirtschaft und im Verkehr. Wir Grüne versuchen seit Jahren dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Es sind urgrüne Themen, die jetzt eine Renaissance erleben.
Wir machen einen Neustart, mit neuen Strukturen und mit upgedatetem Inhalt.
Im November soll ein neues, österreichweites Führungsgremium gewählt werden. Werden Sie dem angehören?
Das ist noch offen. Wir haben im November einen Bundeskongress, auf dem wir einen neuen Bundesvorstand wählen werden. Es ist erst in zweiter Linie interessant, wer dort drinnen sitzen wird. In erster Linie geht es um die neuen Strukturen und um die inhaltlichen Fragen. Es dürfen sich die Vorgänge, die es im Vorjahr gegeben hat, nicht mehr wiederholen. Da gibt es eine Menge zu tun.
Es wird vermutlich jemand aus Oberösterreich dem Bundesvorstand angehören, oder etwa nicht?
Wir müssen davon weg, ob dieses oder jenes Bundesland versorgt ist. Oberösterreich ist aber eines der relevanten Bundesländer für die Grünen. Deshalb kann man davon ausgehen, dass Oberösterreich auf Bundesebene eine starke Rolle spielen wird.
Die jungen Grünen im Land werden durch Bundesrat Stögmüller, durch Stefan Kaineder und durch Ihre Person repräsentiert.
Das sind jene, von denen man auf Landeseben etwas mitbekommt. In Wirklichkeit sind es viel mehr, so zum Beispiel die grünen Gemeinderäte.
Sie gelten als Hoffnungsträger. Werden Sie Rudolf Anschober als Landesrat beerben?
Wenn wir im vergangenen Jahr etwas gelernt haben, dann das, dass Personaldiskussionen auf offener Bühne und Kampfabstimmungen der Vergangenheit angehören müssen. Wir müssen Personaldiskussionen professionell und zum richtigen Zeitpunkt lösen.
Bundesrat David Stögmüller aus Braunau hat im KURIER-Interview erklärt, dass sich Anschober bis Herbst erklären soll, ob er 2021 nochmals als Landesrat antreten wird oder nicht. Soll er nach 18-jähriger Regierungstätigkeit bleiben oder sollen sich die Grünen erneuern?
Wir erneuern uns ständig. Man tut immer so, als gäbe es immer dieselben Personen. Bei der Landtagswahl 2015 sind drei von sechs Abgeordneten neu gekommen. Es muss in Zukunft gelingen, diese personellen Fragen viel professioneller zu klären.
Wir werden die Frage gemeinsam mit Rudi Anschober und den relevanten Personen lösen. Es braucht aber eine neue Form der Einbindung der Basis. Es kann nicht sein, dass nur jene mitentscheiden, die gerade zufällig da sind.
Sie plädieren für ein Update der Inhalte. Wie sollen sie aussehen?
Als das Programm der Grünen Anfang der 2000er-Jahre geschrieben worden ist, war von sozialen Medien und der Digitalisierung kaum die Rede. Wir müssen uns fragen, was das mit der Gesellschaft macht.
Für viele in der Bevölkerung ist die Migration ein wesentliches Thema. Bundesrat Stögmüller beklagt hier falsche Zuschreibungen in der Hinsicht, das die Grünen für offene Migrationsgrenzen eintreten würden.
Die Fragen, wie Integration und Zusammenleben gelingen können, sind zentral. Die Debatten werden teilweise unehrlich geführt. Die FPÖ, die diese Themen am stärksten aufgreift, stimmt bei allen Integrationsmaßnahmen dagegen. Sie hat kein ernsthaftes Interesse daran, dass Integration gelingt.
Wie viele Asylwerber und Migranten soll Österreich jährlich aufnehmen?
Die Asylanträge gehen sehr, sehr stark zurück. Die Frage, wie viele ein einzelnes Land aufnehmen kann, hat uns in diese schwierige Situation gebracht. Es ist nie gelungen, diese Frage gesamteuropäisch zu definieren. Wenn man diese Frage nur auf Kleinstaaterei herunterbricht, ist das nur kontraproduktiv.
Es sind alle Versuche, die Frage gesamteuropäisch zu lösen, gescheitert. Jeder Staat löst die Frage national, für sich.
Hier läuft auf europäischer Ebene einiges schief. Die schwarz-blaue Bundesregierung hat kein Interesse, dass die Frage auf europäischer Ebene geklärt wird. Es passiert das Gegenteil, man fällt in den Nationalismus zurück. Die Grenzen gegenüber dem Nachbarn zu schließen sind Antworten des 20. Jahrhunderts.
Sie kritisieren, dass der Wochenblick, der der FPÖ nahesteht, Inserate des Innenministeriums, von Landesrat Elmar Podgorschek, von den Städten Linz, Wels und der Linz AG erhält.
Man weiß über die Finanzierung des Wochenblick relativ wenig.
Sollten es untersagt werden, dass diese Personen bzw. Institutionen dort inserieren?
Was die FPÖ mit ihrem Geld macht, ist ihre Angelegenheit. Bei diesen Inseraten geht es aber um öffentliche Gelder von Land und Stadt, also um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Es muss die Gesellschaft den Anspruch stellen zu schauen, wohin dieses Geld fließt. Es muss zweckmäßig und effektiv eingesetzt werden. Ich glaube, dass eine Zeitung, die wenig Interesse an einem friedlichen Miteinander hat, eine Zeitung, die mehrfach vom Presserat verurteilt worden ist, eine Zeitung, die rechtskräftig wegen übler Nachrede verurteilt worden ist, kein öffentliches Steuergeld erhalten sollte.
Stehen die Grünen zu weit links?
Das gesamte politische Spektrum hat sich so weit nach rechts verschoben, dass Positionen der Mitte in den 1990er-Jahren heute schon fast als links gelten. Die Grünen sind eine links-liberale Partei mit einem ökologischen und sozialen Schwerpunkt.
Eine Einordnung von minus 10 bis plus 10 auf einer Links-rechts-Skala halte ich mittlerweile für überholt, dafür ist die Welt viel zu kompliziert geworden.