"... dann kommt die blaue Republik"
Von Josef Ertl
Vor zwei Wochen erschien an dieser Stelle ein Interview mit dem freiheitlichen Präsidentschafskandidaten Norbert Hofer. Naturgemäß hat der KURIER grünen Kandidaten Alexander van der Bellen ebenfalls um ein Gespräch gebeten, er hatte bedauerlicherweise keine Zeit. Der Grüne Landesrat Rudolf Anschober (56) hat ihn ersetzt.
KURIER: Bedeutet die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten für den Grünen Präsidentschaftskandidaten Van der Bellen Rücken- oder Gegenwind?Rudolf Anschober: Es weiß in Wirklichkeit niemand, welche Auswirkungen diese Riesen-Überraschung haben wird. Möglicherweise werden sich manche FPÖ-Aktivisten bestärkt fühlen, möglicherweise werden andere den Ernst der Stunde erkennen. Ich persönlich glaube, dass es für Van der Bellen sehr gut ausschaut. Allerdings wird es wieder ganz knapp werden. Es ist ganz entscheidend, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es kann sein, dass ein paar wenige Stimmen entscheiden.
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat Van der Bellen im KURIER-Interview wegen dessen Kritik an Trump, Putin, Orban und an Großbritannien (Brexit) vorgeworfen, dass diese "harten Worte" Österreich schaden.
Das sind mit Sicherheit nicht so harte Worte wie sie die FPÖ gegenüber Angela Merkel verwendet. Es ist legitim, sich klar zu positionieren. Aber gerade Van der Bellen ist eine Persönlichkeit, die Brücken zu jenen Menschen baut, die nicht im selben Wertelager zu Hause ist. Es ist aber sehr wichtig, Fehlentwicklungen in der Politik beim Namen zu nennen.
Die Grünen, die SPÖ, die FPÖ, Donald Trump, Hofer und Van der Bellen lehnen das Freihandelsabkommen EU-USA (TTIP) ab. Weiters auch CETA, das Handelsabkommen EU-Kanada. Stören Sie diese Gleichklänge nicht?
Es gibt unterschiedliche Motivationen. Bei uns ist es kein Nein zu einem Freihandel. Wichtig ist, dass wir ihn fair und gerecht gestalten. Das findet derzeit nicht statt, TTIP ist eine Konstruktion im Interesse von Großkonzernen. Wir wollen nicht, dass sich Österreich abschließt, wir wollen keinen Öxit. Wir wissen, dass uns die Exportwirtschaft enorm hilft. Es ist für uns existenziell notwendig, dass wir ein offenes Land bleiben.
Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) ist inzwischen durch.
Auch CETA ist nicht das, was wir als gerechten und fairen Handel verstehen. Es ist keine Zukunftsoption.Es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zu TTIP.
Hofer wirft Van der Bellen vor, nicht mehr authentisch zu sein, denn dieser ziehe plötzlich eine Tracht an und besuche Flugshows wie die Airpower.
Van der Bellen ist seit 25 Jahren ein guter Freund von mir. Eine andere gute Freundin ist Gexi Tostmann. Sie hat mir klargemacht, dass Tracht eine Tradition ist, die ebenso wie der Begriff Heimat von sehr rechten Kräften besetzt worden ist. Ich finde es ganz falsch, dass man so positive Begriffe den Rechten überlässt.
Unser Heimatbegriff ist keiner, der ausschließt und abgrenzt. Man kann Heimat in zwei, drei verschiedenen Regionen der Welt empfinden.
Ich habe Sie noch nie in einem Trachtenanzug gesehen.
Das ist richtig. Denn mir persönlich gefällt er nicht.
Haben Sie einen?
Nein, ich habe keinen. Für mich ist Kleidung eher etwas, in dem ich mich wohlfühlen soll.
Möglicherweise wird Hofer die Sichtweise durch die viele Kreide, die unterwegs ist, verstellt.
Der Wolf hat Kreide geschluckt?
Da sind Tonnen an Kreide unterwegs. Auf eine so pointierte Formulierung würde ich nie kommen. Zwischen dem Wahlkampf-Hofer und dem Real-Hofer ist ein Riesenunterschied. Hofer ist der Türsteher für Strache. Kommt Hofer, kommt Strache und dann so etwas wie die blaue Republik. Das wollen viele nicht und deswegen gibt es eine Mehrheit gegen Hofer.
Trump hat die Europäer aufgefordert, mehr für die eigene Verteidigung zu leisten. Sind Sie für eine gemeinsame europäische Armee?
Das ist die falsche Fragestellung. Man muss zuerst einmal eine gemeinsame Außenpolitik schaffen.
Außen- und Sicherheitspolitik kann man nicht wirklich trennen.
Sie lassen sich nicht vollständig trennen. Europa soll aus dem Rückzug von Trump eine Chance machen, dass wir eine gemeinsame Außenpolitik beginnen. Das heißt Diplomatie, Konfliktlösung, etc. Da hat Europa bisher überhaupt keine Rolle gespielt, was ein schweres Versäumnis ist.
Konsequenzen in der Sicherheitspolitik sehen Sie nicht?
Diese sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Der Trend zur Renationalisierung ist unübersehbar. Trotzdem wollen Sie ein gemeinsames europäisches Asylrecht einführen. Ist das in Zeiten wie diesen überhaupt realistisch?
Es wird sich zeigen, ob es durchsetzbar ist. Es ist aber existenziell für die EU, in den zentralen und großen Fragen gemeinsame Regelungen zu entwickeln. Es wurde auch davon gesprochen, dass es eine Aufteilung der Flüchtlinge auf alle Staaten geben soll. Es ist aber nicht passiert. Wir haben ein Umsetzungs- und Glaubwürdigkeitsdefizit in der EU. Nur weil einige Staaten nationalen Interessen den Vorrang geben. Nationalismus ist aber der falsche Weg. 2017 ist für Europa ein Entscheidungsjahr. Die Menschen sollen sich am 5. Dezember nicht wundern, sondern am 4. Dezember wählen gehen.
Die Bundesregierung hat eine Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen beschossen. Halten Sie diese für richtig?
Sie wird unterschritten, deshalb wird sie ein Papiertiger bleiben. Wir müssen bei der Bekämpfung der Fluchtursachen ansetzen. Ich war vergangene Woche bei der Umweltklimakonferenz in Marokko. Durch die Klimaveränderung und die damit verbundene Dürre verlieren viele Menschen in Afrika die Möglichkeit von der Landwirtschaft zu leben. Sie gehen in die großen Städte des Nordens, wo soziale Unruhen und eine extreme Jugendarbeitslosigkeit entstehen. Es wurde nun ein Adaptierungsfonds für Afrika eingerichtet. Es wird nun auch ganz massiv in erneuerbare Energieträger investiert. Das ist auch eine Chance für oberösterreichische Betriebe, weil wir hier teilweise Technologieführer sind.
Wieso profitieren die Grünen nicht stärker von der in der Bevölkerung herrschenden Unzufriedenheit? Warum wählen diese Menschen die FPÖ?
Wir sind in der konkreten Umsetzungsarbeit engagiert. Ich widme mich der Integrationspolitik, die wir nun erstmals in Oberösterreich haben. Wir haben erstmals Deutschkurse für alle. Wir haben erstmals eine Struktur in der Integrationsarbeit. Ich lege überhaupt keinen Wert darauf, dass ich PR für die Partei mache. Es wird bei der Nationalratswahl 2018 sehr starke Grüne geben, die gut aufgestellt sind. Hier will ich meinen Beitrag leisten. Wer jetzt wo in den Meinungsumfragen liegt, ist völlig nebensächlich.
In der Bewertung Ihrer Arbeit haben Journalistenkollegen der OÖN gemeint, Sie seien stark in der Flüchtlingsfrage engagiert, würden aber den Umweltschutz vernachlässigen.
Jeder, der mich kennt, weiß, dass mir die Umweltpolitik ein Herzensanliegen ist. Meine Schwerpunkte liegen im Kampf gegen die Atomkraft und im Klimaschutz. Hier haben wir eine historische Verantwortung. Sichtbarer ist im Augenblick der Integrationsbereich, weil wir da konfliktträchtiger sind. Hier reibt sich die FPÖ, die gegen alle Lösungsansätze in der Landesregierung gestimmt hat. Die FPÖ kalkuliert damit, dass sie von den Problemen profitiert, wenn es keine Lösungen gibt.
Wie lautet die Oberösterreich-Agenda im Umweltschutz? In den Fragen der Atomkraft und des Klimaschutzes geht es primär um internationale Anliegen.
Wir bauen auf dem Landesumweltprogramm auf, das wir vor zwei Jahren neu geschrieben haben. Es geht darum, Umweltpolitik nachhaltig zu machen. Wir sollen von der Wegwerfgesellschaft weg, hin zu einer Kreislaufwirtschaft kommen. Mein ganz großen zweites Ziel ist die Verbindung von Umwelt und Wirtschaft. Nur wenn beide an einem Strang ziehen, werden wir erfolgreich sein.
Die Grünen haben bisher mit Erfolg den Bau des Linzer Westrings mit der damit verbundenen neuen Donaubrücke verhindert. Ich nehme an, dass Sie das erfreut.
Die Grünen fordern seit vielen Jahren eine neue Eisenbahnbrücke für den öffentlichen Verkehr. Wir fordern einen Steg über die Donau für die Radfahrer und Fußgänger. Wir haben beim Verkehr einen wirklichen Nachholbedarf beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Das ist Oberösterreich weit vom Bedarf der Bürgerinnen und Bürger weg. Das bedeutet, jetzt vorrangig in ein S-Bahn-Netz zu investieren. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es nicht möglich sein wird, sowohl den Straßenausbau als auch den Bahnausbau zu finanzieren.
Das bedeutet, dass man sich gegen die Straße und für die Schiene entscheiden muss?
Das Straßennetz ist sehr gut ausgebaut worden, das ist in den allermeisten Fällen richtig gewesen. Jetzt besteht Bedarf an öffentlichen Verkehrsmitteln. Man muss beide Bereiche gut verbinden. Es braucht Pendlerparkplätze. Leider funktioniert das noch immer nicht ausreichend.