Chronik/Oberösterreich

„China ist größter BMW-Markt“

Gerhard Wölfel ist seit drei Jahren Geschäftsführer des BMW-Motorenwerkes in Steyr. Der 54-jährige Niederbayer feierte die vergangene Woche sein 30-jähriges Firmenjubiläum. Heute, Sonntag, ist  Tag der offenen Tür im BMW-Werk Steyr.

KURIER: Welches Thema beschäftig Sie gerade?
Gerhard Wölfel: Wir arbeiten gerade an der Jahresplanung für 2013. Es wird immer schwieriger zu erahnen, was die Kunden morgen kaufen werden. Die Vielfalt des Angebots macht es auch nicht einfacher, sich zu entscheiden. Der Kunde kann  bis zu zehn Tage, bevor das Auto ausgeliefert wird, noch Änderungen  bekannt geben. Es ist interessant, wie das genutzt wird. Das ist auch der Grund, weshalb die Flexibilität für uns so wichtig ist.

Wie läuft das heurige Jahr? Spüren Sie den Rückgang des Wirtschaftswachstums?
Wir haben  ein fantastisches  Jahr. Gegenüber dem Spitzenjahr 2011 haben wir 2012 Monat für Monat  eine Steigerung verzeichnet.  Wir haben mit Ende Juli erstmals in der Unternehmensgeschichte mehr als eine Million Fahrzeuge verkauft. Wir merken nun aber  die Auswirkungen der Krise in den südeuropäischen Ländern. Dort gibt es stark rückläufige Verkaufszahlen. Diese werden aber kompensiert durch Mehrverkäufe in Asien und in den USA. Aber in Südeuropa bricht uns der Dieselmarkt weg. Denn wir haben in Europa einen Dieselanteil von mehr als 80 Prozent. Wenn in gewissen Ländern  20 bis 25 Prozent wegbrechen, hat das einen negativen Einfluss. Damit fahren wir zwangsläufig unsere Produktion zurück. 2011 haben wir hier in Steyr 1,2 Millionen Motoren produziert, heuer werden es   mehr als eine Million sein. Damit bauen wir zum dritten Mal mehr als eine Million. Der Rückgang des Diesels wird zum Teil kompensiert durch den Sechs-Zylinder-Benziner, den wir nur hier bauen.
Wir merken zweitens auch die Down-Sizing-Effekte. Die Sechs-Zylinder-Ottomotoren werden durch Vier-Zylinder ersetzt, die wir  in München und Hams Hall bauen. Aber das ist geplant, das ist Strategie. Das führt dazu, dass wir uns auf den Bau des Drei-Zylinder-Dieselmotors vorbereiten.

Das heißt, der Wagen verfügt    mit einem kleineren Motor über dieselbe Stärke wie früher mit einem größeren.
Über die Turbotechnologie  bekommt man eine Zylinderreduzierung hin ohne Leistungseinbußen.

Der Markt in Asien läuft nach wie vor gut, obwohl in China sich das Wirtschaftswachstum abgeschwächt hat?
Am Premium-Markt spüren wir das nicht  so stark. China   ist inzwischen unser Markt Nummer eins. Wir haben dort  rund 275.000 Autos verkauft, dann folgen die USA mit rund 250.000 Stück und an dritter Stelle folgt Deutschland mit 230.000.

Die Drei-Zylinder-Produktion startet im neuen Jahr?
Wir sind ganz intensiv dabei, die Anlagen aufzubauen. Diese sind auch schon ganz auf die Erfordernisse  älterer Mitarbeiter  zugeschnitten. Wir nennen das intern Heute für morgen, also heute Maßnahmen zu ergreifen, dass die älteren Mitarbeiter auch noch leistungsfähig bleiben. Auch heute schon schauen wir jeden Arbeitsplatz an, wie die Belastung reduziert werden kann.  Wir haben zum Beispiel höhenverstellbare Tische. Wir haben Licht nach den neuesten Erkenntnissen für den Nachtbetrieb. Wir haben Ruhe- und Pausenzonen, die  diesen Namen auch verdienen. Das sind alles kleine Bausteine, die die  Philosophie zum Ausdruck bringen,  wie der Industriearbeitsplatz der Zukunft aussehen kann.

Ist der Dreizylinder ein Diesel oder Benziner?
Es ist ein Diesel.

Wie viel PS wird er haben?
Das wissen  wir selbst noch nicht genau.   Es wird die Freude am Fahren bleiben, er ist keine Verzichtserklärung. Er wird leichter und sparsamer sein, aber auch leistungsstark. Aus einem Zylinder kann man schon 50 PS herausholen.

Bis vor nicht allzu langer Zeit waren bei Ihnen 2000 Mitarbeiter beschäftigt.
Wir sind derzeit bei rund 3700. Vor einem Jahr waren es noch 2700. Wir haben in der  Lehrlingsausbildung erhöht, wir haben in der Entwicklung ausgebaut. Das sind alles Investitionen in die Zukunft, die nicht unmittelbar mit der Produktion zu tun haben. Wir haben aber auch in der Produktion aufgestockt. Kontinuität ist uns wichtig. Wir wollen Menschen statt befristeter  Arbeitsverhältnisse  eine Daueranstellung anbieten.

Wie viele Leiharbeiter beschäftigen Sie?
Das schwankt täglich.  Wir brauchen sie.  Denn 2009 haben wir 700.000 Motoren produziert.  2011 waren es 1,2 Millionen. Das war eine Steigerung um 70 Prozent. Heuer werden es mit 1,03 Millionen weniger sein,  2014 wird es  wahrscheinlich neuerlich um 50.000 runtergehen.  Jetzt geht es wieder in die andere Richtung. Wir brauchen die Flexibilität.

Verdienen Leasingarbeiter  auch gleich viel wie fix Angestellte?
Sie verdienen etwas weniger,  aber sie werden wie BMW-Mitarbeiter behandelt.  Es gibt den Kollektivvertrag. Da ist man in Österreich besser dran als in Deutschland.

Die Industriellenvereinigung fordert bei den Arbeitszeitkonten eine Ausweitung des Zeitraums von einem auf zwei Jahre.
Diese Erhöhung ist auf alle Fälle notwendig.  Es gibt  einfach die Schwankungen bei den Verkäufen.  Das ist für beide Seiten eine Versicherung. Denn es gibt Plus-Arbeitszeitkonten und Minus-Konten. Wo man dann die Grenzen legt, ist Verhandlungssache.    Das ist besser als die Leute rein- und wieder rauszuholen.

Wo geht die Entwicklung des Autos hin? BMW beginnt 2013 in Leipzig mit der Serienproduktion eines Karbon-Autos.
Es wird eine neue Halle aufgebaut mit einer -neutralen Fertigung. Auf dem Werksgelände werden vier Windräder errichtet, die die Energie erzeugen, die man zur Fertigung des Fahrzeugs braucht. Damit unterstreichen wir noch einmal das Thema Nachhaltigkeit. Dieses neue Auto wird ein Kracher, weil die Fahrgastzelle in Leichtbau gefertigt wird. Es wird daher um einige Hundert Kilogramm leichter sein. Natürlich wird Karbon nie das Massenprodukt werden, weil es zu teuer ist.   Die erste Preisprognose liegt  um die 40.000 Euro.

Den Motor produzieren Sie nicht in Steyr.
Das wissen wir noch nicht. Ich bin  überzeugt, dass der Verbrennungsmotor die nächsten 25 Jahre nach wie vor das bestimmende Element sein wird.  Viele Themen beim Elektroauto müssen  sich erst durchsetzen wie zum Beispiel einheitliche Stecker, einheitliche Abrechnungs- und Aufladesysteme.  Man muss auch beobachten, wie sich die Mobilitätskonzepte entwickeln.