Chronik/Oberösterreich

„Bin Zeichen der Verjüngung und der Weiblichkeit“

Christine Haberlander ist seit eineinhalb Jahren Landesrätin für Bildung, Gesundheit und Frauenangelegenheiten. Kommenden Donnerstag wird die 37-jährige Ennserin zur Landeshauptmannstellvertreterin gewählt.

KURIER: Was bedeutet die Wahl zur Landeshauptmannstellvertreterin für Sie?

Christine Haberlander: Es ist eine große Ehre, dass ich Erste Landeshauptmannstellvertreterin sein darf. Nämlich die erste Frau, die diese Funktion ausübt.

Wie gehen Sie mit der zusätzlichen Verantwortung um?

Mit Respekt und Demut vor dem, was kommt. Aber auch mutig und freudig.

Sie sind nun eineinhalb Jahre in der Regierung. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Es gibt positive und negative. Im Grunde bin ich ein zutiefst positiv denkender Mensch. All’ die Erfahrungen bereichern mich in der Persönlichkeitsentwicklung. Als sehr schön habe ich die Erfahrungen außerhalb des Büros emp funden. Die Begegnungen waren alle wertschätzend, die Menschen waren total offen. Sie gaben mir ihre Sorgen und Hoffnungen mit auf den Weg. Sie kommunizieren ihre Erwartungshaltungen ganz klar. Wenn man dann helfen oder Dinge auf den Weg bringen kann, sind das sehr schöne Momente.

Durch das Ausscheiden von Michael Strugl verschieben sich innerhalb der ÖVP-Regierungsmannschaft die Gewichte. Sie sind nun hinter Thomas Stelzer die Nummer zwei. Sie wollen diese Rolle auch wahrnehmen?

Der Landeshauptmann möchte, dass ich diese Rolle wahrnehme und ich will das auch.

Es ist eine bestimmte Rolle....

...eine bestimmbare Rolle....

Der oder die Zweite sollte dem Landeshauptmann den Rücken frei halten und für ihn unangenehme Sache erledigen. Es ist oft die Rolle des Dobermanns.

Wenn man eine hundertprozentige Wohlfühloase haben möchte, ist man in der Politik nicht richtig. Die skizzierte Rollenverteilung ist eine sehr männlich geprägte und eine historische. Stelzer setzt mit meiner Bestellung ein ganz klares Zeichen in Richtung Verjüngung und Weiblichkeit. Das ist ein starkes Zeichen und einParadigmenwechsel in der Volkspartei. Die Arbeit der Frauen wird oft zu wenig gesehen.

Dadurch ergeben sich andere Wege, die wir gehen werden wie die der Herren-Duos in den vergangenen 60 Jahren. Es wird automatisch anders werden. Was sich wie ein roter Faden durchzieht, ist das absolute Vertrauensverhältnis zwischen Thomas und mir. Und das gegenseitige Ball zuspielen. Es ist auch selbstverständlich, dass die Rollen zwischen Thomas und mir anders gelebt werden.

Werden Sie die nötige Härte aufbringen, die Sie in Ihrer Funktion benötigen?

Ich habe bewiesen, dass ich die nötige Konsequenz und das Durchsetzungsvermögen haben werde.

Hinter Strugl standen in der Machtverteilung die Wirtschaft und die Industrie. Wer steht hinter Ihnen?

Ich bin Landesparteiobmannstellvertreterin, ich wurde mit einem sehr guten Ergebnis gewählt. Die oberösterreichische ÖVP steht hinter mir.

In der Machtverteilung der ÖVP sind Teilorganisationen wichtig.

Wir haben ausgezeichnete Bündeobmänner und -frauen. Für die Jugendorganisation bin ich schon zu alt, für die Senioren hoffentlich noch zu jung.. (lacht).

Die Gesundheitsausgaben des Landes steigen im neuen Jahr um 5,1 Prozent auf mehr als eine Milliarde Euro. Alleine die Ausgaben für die Onkologie (Krebsbekämpfung) steigen um 8,5 Millionen Euro. Die Einsparung der neu zu gründenden Gesundheitsholding nimmt sich mit sieben Millionen Euro vergleichsweise bescheiden aus. Wie kann man die explodierenden Gesundheitskosten in den Griff bekommen?

Die neue Gesundheitsholding wirkt jedenfalls kostendämpfend. Die große Herausforderung ist, den Gesundheitsfortschritt finanzierbar zu halten. Wir haben zum Beispiel eine 15-prozentige Steigerung bei den Knie- und Hüftgelenken, weil die Menschen älter werden. Der Fortschritt bringt es mit sich, dass die Medizin immer spezialisierter wird. Die steigenden Medikamentenpreise machen das System teurer. Je individualisierter das Medikament ist, umso teurer ist es. Trotzdem darf es in der Gesundheitsversorgung keine Einschränkungen geben.

Die Krankenhausträger der öffentlichen Hand arbeiten österreichweit an sogenannten Medikamentenboards, um ein gemeinsames Vorgehen bei den Medikamentenpreisen zu koordinieren.

Die FPÖ möchte die Ordensspitäler stärker in die Neugliederung der oberösterreichischen Spitalslandschaft einbinden. Sollte man nicht eine Organisation für alle Spitäler im Land schaffen?

Ich bekenne mich zur Trägervielfalt und zur Eigenständigkeit der Orden. Sie sind eine Bereicherung in der medizinischen Versorgung. Es ist wichtig, dass man vergleichen kann und dass es keine Monopolstellungen gibt. Die Leistungen der verschiedenen Spitäler werden im Strukturplan Gesundheit aufeinander abgestimmt. Dieser Plan wird von den Trägern entwickelt und an die Politik herangetragen. Wir verordnen nicht von oben, sondern gestalten gemeinsam.

Braucht es eine neue Spitalsreform?

Nein, denn der regionale Strukturplan wird bis 2025 gehen, mit einer Vision bis 2030. Da sind alle Herausforderungen enthalten. Wir haben in Oberösterreich eine überdurchschnittliche Krankenhaushäufigkeit. Wir müssen den niedergelassenen Bereich stärken, damit die Probleme, die außerhalb der Spitäler gelöst werden können, auch draußen bleiben. Viele Menschen gehen mit Problemen in die Notfallambulanzen der Spitäler, wo sie nicht hingehören.

Das funktioniert zu wenig. Braucht es nicht finanzielle Steuerungen oder Schubser, wie Sie das nennen?

Ich würde mir derartige Schubser im Rahmen der Sozialversicherungen vorstellen. Prävention wie Nichtrauchen, Vorsorgeuntersuchungen etc. sollte belohnt werden, wie das schon beim Bonusystem der Sozialversicherung der Selbständigen der Fall ist. Das würde ich für alle Versicherungen befürworten. Die Versicherungen sollten darüber hinaus nachdenken, wie eine Versorgungskaskade eingehalten werden kann. Dass zuerst die telefonische Hotline angerufen wird, dann der hausärztliche Notdienst etc. Der, der an die richtige Stelle geht, sollte eine Belohnung bekommen. Hier liegt sehr viel Potenzial in der richtigen Steuerung der Patienten. Das ist der zweite Schritt der Sozialversicherungsreform.

Sie sind auch für die Schulen verantwortlich. Halten Sie die Einführung des Kopftuchverbots in den Volksschulen für richtig?

Ja, ich halte das für richtig.