Chronik/Oberösterreich

Ballettdirektorin Mei Hong Lin: „Jochen Ulrich ist noch präsent"

Ob sie traurig sein oder sich freuen soll, das weiß Mei Hong Lin immer noch nicht so genau. Auf der Haben-Seite stehe die neue berufliche Perspektive – auf der anderen Seite die Tatsache, dass ein Freund ihr das durch sein Ableben erst ermöglicht habe.

Jochen Ulrich ist noch sehr präsent. Ich sehe es als meine Verantwortung an, sein Erbe zu pflegen“, sagt die neue Direktorin der Ballett-Sparte im Musiktheater. Ulrich ist im November an den Folgen seiner Diabetes-Erkrankung gestorben. Er wurde 68 Jahre alt. Kurz vor seinem Tod schwärmte er noch über die Möglichkeiten, die das neue Spielhaus den Tänzern bietet.

Aus diesem Topf kann Mei Hong Lin erst ab Herbst schöpfen – noch ist sie als Tanzdirektorin am Hessischen Staatstheater in Darmstadt tätig. „Mein Vorgänger hat alles in die Wege geleitet. Sein Plan wird zu Ende geführt, erst dann steige ich mit meinen Ideen ein“, erklärt sie. Mit ungewöhnlichen Projekten will sie Impulse setzen und noch weiter an das Publikum heranrücken.

Emotionen

Die 53-Jährige hat sich als Kind im klassischen chinesischen Tanz ausbilden lassen, ihre Heimat Taiwan für ein Stipendium in Italien verlassen – und ist in Europa geblieben. Als Choreografin und Regisseurin hat sie sich auch auf anderen Baustellen wie Opern und Musicals einen Namen gemacht.

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Ihre Handschrift: „Ich erzähle gerne Geschichten.“ Sie arbeite weniger mit abstrakten Formen und Körperverrenkungen, dafür mehr mit Emotionen und visuellen Mitteln. Für ihre Arbeit bei „Romeo und Julia“ wurde sie 2012 für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ nominiert. Der Shakespeare-Klassiker wird im neuen Musiktheater ab Mai wiederaufgenommen – allerdings mit Jochen Ulrichs Choreografie. Ebenfalls aus Ulrichs Feder ist „Campo Amor“, ein Wasserballett, das am 14. April im neuen Haus Premiere feiert.

Wenn Mei Hong Lin im Herbst ihre Arbeit aufnimmt, werde sie erst einmal die oberösterreichische Mentalität und Sprechweise lernen müssen, sagt sie lachend. Die Linzer seien ihr in guter Erinnerung geblieben – bereits 2007 hatte sie ein Gastspiel am Landestheater. „Meine Rückkehr passiert zwar auf ungewöhnliche Weise, aber langsam beginne ich, mich wirklich darauf zu freuen.