Chronik/Oberösterreich

"Einen weiteren Brandanschlag lassen wir nicht zu"


KURIER-Dossier: Wie die Flüchtlingskrise Österreich veränderte

Er habe solche Dinge aus Deutschland gekannt, aber dass eine Asylunterkunft in einer kleinen Gemeinde im oberösterreichischen Mühlviertel niederbrennt, hätte sich Klaus Gattringer (ÖVP) nie gedacht. "Es war schrecklich", sagt der Bürgermeister von Altenfelden. Doch unterkriegen werde man sich nicht lassen. Die Gemeinde wagt rund drei Monate nach dem Anschlag einen Neustart auf verbrannter Erde. Mit dem KURIER spricht Gattringer über die Brandstiftung, die Stimmung in der Gemeinde und Wünsche an die Politik.

KURIER: Herr Gattringer, Anfang Juni ist in Ihrer Gemeinde eine Flüchtlingsunterkunft abgebrannt ist. Was erinnert heute noch daran?

Klaus Gattringer: Die internationalen Reaktionen. Altenfelden hat nach dem schrecklichen Ereignis sehr viel Zuspruch erfahren.

Wie ist aktuell die Stimmung in Altenfelden?

Für die heimische Bevölkerung war von Anfang an klar, dass wir gegen diesen Hass auftreten müssen. Sehr viele Bürger nahmen zum Beispiel an der Solidaritätskundgebung der Sozialistischen Jugend teil. Die Polizei sprach von 350 Menschen, insgesamt waren es aber mehr als 1.000.

Ende August soll eine neu errichtete Asylunterkunft für 48 Bewohner betriebsbereit sein. Rechnen Sie mit Widerstand?

Ja. Aber ich glaube nicht, dass sich Einheimische daran beteiligen werden, sondern Personen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Angst zu schüren. Davor sind wir nicht gefeit. Es wird immer wieder Gruppen geben, die Flüchtlinge ablehnen. Die Unterkunft, in die die Asylwerber einziehen werden, wird von der Polizei rund um die Uhr bewacht. Einen weiteren Brandanschlag lassen wir nicht zu.

Gab es auch persönliche Attacken gegen Sie als Bürgermeister?

Hin und wieder habe ich E-Mails mit teils heftiger Kritik gegen die Gemeinde bekommen. Nachrichten, die extrem waren, habe ich sofort an die Polizei weitergeleitet. Der Zusammenhalt in Altenfelden ist aber so stark, dass wir uns davon nicht unterkriegen lassen.

Wurde Ihrer Meinung nach die Gemeinde auf flüchtende Menschen und die Asylunterkunft ausreichend vorbereitet?

Wir hatten am 11. Februar eine Informationsveranstaltung, an der bis zu 350 Gemeindebürger teilgenommen haben. Vom Land Oberösterreich wurden Experten geschickt, die erklärt haben, was auf uns zukommen könnte. Natürlich äußerten sich nicht alle Anwesenden positiv zum Vorhaben, eine gewisse Gegenwehr und Abneigung war spür- bar. Aber wir errichten eine Unterkunft für Menschen ja nicht aus Jux und Tollerei. Wir müssen helfen, wo wir helfen können.

Hat die Politik auf Bundes- und Landesebene im vergangenen Jahr alles richtig gemacht?

Es ist schwierig zu sagen, was richtig und was falsch ist. Ich zum Beispiel finde es richtig, dass jemand gesagt hat, Österreich braucht eine Obergrenze. Wir leben in einer Gesellschaft, die ohne Regeln oder Gesetze nicht funktioniert. Im Sommer 2015, als Tausende Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, lief vieles ohne Regeln und Gesetze ab. Die Zivilgesellschaft machte die Arbeit der Politik. Ich war von der Hilfsbereitschaft an den Bahnhöfen wirklich angetan, bin aber auch der Meinung, dass wir Prioritäten setzen müssen. Menschen, die tatsächlich verfolgt werden, also Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, müssen wir unbedingt aufnehmen, auch wenn es hauptsächlich junge Männer sind.

Was meinen Sie damit?

Ich habe schon oft gesagt bekommen, dass wir zu viele junge Männer aufnehmen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie es sind, die in Armeen einrücken müssen. Sie müssen vielleicht ihre Freunde und Nachbarn erschießen. Viele von ihnen wollen das nicht, verweigern den Militärdienst und werden verfolgt.

Sie sind laut Genfer Konvention Flüchtlinge.

Ja, was hinzukommt: Wir müssen ihnen zugleich erklären, was bei uns in Österreich los ist, wie der Alltag funktioniert, wie wir mit Mitmenschen umgehen. Es gibt Flüchtlinge, die laufen mit einem leeren Blick durch Österreich, weil sie niemals informiert worden sind, was in Europa auf sie wartet.

Das Thema Flüchtlinge wird uns auch weiterhin beschäftigen. Welche Erwartungen haben Sie an die Politik?

Ich kann Ihnen sagen, was ich mir für die Zukunft wünsche: die Integration von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft muss klappen. Das wird aber nur funktionieren, wenn sich Menschen hier wohlfühlen und unsere Regeln respektieren. Ein gutes Mit- einander ist nur möglich, wenn wir uns gegenseitig akzeptieren. Die Politik soll sich endlich mal darum kümmern, dass niemand Angst um sein Leben hat. Schauen wir nach Syrien oder in den Irak. Dort sterben Tausende Menschen. Ich bin zwar kein Weltpolitiker, aber jeder wird mir zustimmen: Wir müssen etwas gegen diesen Hass tun.