Chronik/Oberösterreich

Ärztin: „29-Stunden-Dienst unzumutbar“

Julia Constanze Roeper-Kelmayr ist Oberärztin am Zentralen Radiologischen Institut des AKH Linz. Die 38-jährige Linzerin ist seit zehn Jahren Landtagsabgeordnete und Gesundheitssprecherin der SPÖ.

KURIER: Die Spitalsreform läuft nun seit zwei Jahren. Wie lautet Ihr bisheriges Resümee?

Julia Constanze Roeper-Kelmayer: Es geht nun darum, dass das, was beschlossen wurde, in der entsprechenden Qualität beim Patienten ankommt. Dazu braucht es eine Evaluierung, eine Begleitung. Die Gesundheit ist ein sehr dynamischer Bereich. Man muss schauen, dass nicht an der Gesundheit der Menschen vorbei reformiert wird. Hier sollte man gegensteuern können. Dafür sollte es einen stetig begleitenden Unterausschuss des Landtages geben, damit der Landtag tatsächlich kontrollieren kann. Alle bekennen sich zu den Zielen des Reformpakets, zu einer Kostenreduktion, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust für die Patienten kommt. Es muss zu einer Verbesserung der Versorgungsleistung kommen.

Die ÖVP hat die Einsetzung des Unterausschusses abgelehnt.

Nicht nur die ÖVP, sondern auch die Grünen. Mit der Begründung, dass die Zeitspanne noch zu kurz sei. Unsere Forderung nach dem Ausschuss bleibt aber bestehen.

Hat sich die Versorgung der Patienten durch die Reform tatsächlich verbessert?

Das gilt es zu prüfen. Es erzeugt aber Misstrauen, wenn man bei der Überprüfung dermaßen mauert. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Für die Patienten ist die Prozessqualität spürbar: der Zugang zu den Therapien, wie lange die Diagnostik dauert und die Qualität der Ergebnisse. Die Gesundheitsleistungen müssen schnell, umfassend und gratis erbracht werden. Und das aus Sicht der Patienten, aus Sicht der Angehörigen, aus Sicht der Arbeitgeber und aus Sicht der Versicherten. Das ist ein großes Spannungsfeld, denn die Pole stehen in einem gewissen Widerspruch zueinander. Wenn man an einer Schraube dreht, verändern sich auch die anderen. In einer Reform, die die Kostendämpfung zum Ziel hat, kommt es auch zu einer Veränderung der Versorgung. Der Punkt ist nun, ob das zumutbar ist, was in der Reform geplant wurde. Die Praxis gehört überprüft. Es gibt ja bereits Beispiele wie die Unfallchirurgie in Schärding, wo Reformvorhaben zurückgenommen worden sind.

Sie haben die Spitalsreform mit dem Satz zusammengefasst: Die Patienten bekommen nun das, was sie brauchen, früher konnten sie sich die Dinge aussuchen.

Die Spitalsreform geht davon aus, dass es zu keinem Versorgungsengpass kommt. Wenn man nun mehr Leistungen von den Spitälern in den tagesklinischen bzw. in den Ambulanzbereich überführt und es keiner Personalaufbesserung gibt, kommt es zu einer Verdichtung in diesen Bereichen. Man muss die personelle Ausstattung verbessern. Aber auch das Personal, die Ärzte, die Schwestern und Pfleger in den Spitälern erleben eine extreme Arbeitsverdichtung. Das Service für den Patienten ist dann optimal, wenn das Personal genügend Zeit hat und man die beste Behandlung anbieten kann.

Sie sind selbst Ärztin und kommen nun zum Interview nach einem 29-Stunden-Dienst. Wenn ich es mir als Patient aussuchen könnte, würde ich von Ihnen gerne in den ersten fünf Stunden behandelt werden und nicht in den letzten fünf. Die Belastung ist groß, die Konzentration lässt zwangsläufig nach.

Es gibt auch Dienste, die länger als 29 Stunden dauern. Diese langen Dienste sind bei dem hohen psychischen und physischen Einsatz unzumutbar, sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten. Es gibt für die Ärzteschaft keine verbindlichen Ruhezeiten. Die Konzentration sinkt, die Leistungsfähigkeit des Körpers lässt nach. Es ist sowohl meine persönliche Forderung wie auch die der Ärztekammer, dass man die Dienste zumindest auf 25 Stunden reduziert. Es ist auch ein Teil der Qualität für den Patienten, wie ausgeruht das Personal ist.

Es verfestigt sich bei der Beschäftigung mit den Spitälern der Eindruck, dass es oft an professionellem Management mangelt. Ist dieser Eindruck falsch?

Ich kann das nur aus Sicht des AKH sagen und da ist das Management perfekt.

Ein praktisches Beispiel. Mein Neffe litt an akutem Blinddarm. Seine Mutter brachte ihn ins Krankenhaus Grieskirchen. Er wurde untersucht und dann mit der Bemerkung ins Krankenhaus Wels weitergeschickt, dass in Grieskirchen nachmittags nicht mehr operiert werden darf. Dort wurden dieselben Untersuchungen nochmals durchgeführt, obwohl beide Krankenhäuser zusammengehören.

Wenn die Operation nicht mehr angeboten wird, ist das eine klare Maßnahme, die durch die Spitalsreform zu einem veränderten Zugang für die Patienten geführt hat. Das gilt es zu kontrollieren und zu überprüfen. Das ist nicht nur eine Sache der Experten, sondern auch eine der Patienten, der Arbeitnehmer, des Managements und der ärztlichen Leitung.

Was ist das Essenzielle der Spitalsreform?

Es braucht eine gute Kommunikation nach innen, wo alle Betroffenen eingebunden sind, damit man nachjustieren kann. Es braucht aber auch die Kommunikation nach außen.

In Linz wird mit Herbst 2014 die medizinische Fakultät gestartet. Sie sind Ärztin am Linzer AKH. Was bedeutet es für Ihr Haus, dass es nun Universitätsklinik wird?

Es ist eine deutliche Aufwertung des Standortes. Es zeigt aber auch, dass man die Spitalsreform ständig nachjustieren muss, denn es werden manche Abteilungen als Fachschwerpunkte des Uniklinikums geführt werden müssen – wie zum Beispiel die Augenabteilung. Die medizinische Fakultät wird zu Änderungen führen. Wenn Abteilungen standortübergreifend geführt werden, muss mir jemand einmal erklären, welche große Einsparungen es bringt, wenn man einen Leiter einspart und die Kopfzahl, die arbeitet, gleich bleibt. Ein gutes Beispiel ist die Gynäkologie in Freistadt. Der Primar ist in Pension gegangen, ein Oberarzt hat die Standortleitung übernommen. Er könnte aufgrund seiner Tätigkeit und seiner Verantwortung genauso Primar sein. Das würde keinen Cent mehr kosten.

Es fällt auf, dass die Anzahl der Frauen in der Ärzteschaft steigt.

Es gibt eine zunehmende Feminisierung in der Medizin. Man muss hier vermehrt nach Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familien und Beruf suchen. Das Faktum, dass die Medizin immer weiblicher wird, hat Auswirkungen auf den niedergelassenen Bereich und die Sprengeldiskussionen. Den Hausarzt, der 365 Tage 24 Stunden lang da ist, wird es nicht mehr geben. Diese frühere Idealvorstellung wird es aufgrund der Familienverhältnisse einfach nicht mehr spielen. Wenn mehr Frauen praktische Ärztinnen und Alleinerzieherinnen sind, muss man mehr Unterstützungsmöglichkeiten für den Nachtdienst anbieten. Man kann nicht verlangen, dass jemand rund um die Uhr Dienst macht. Es werden und wollen ja auch mehr Väter an der Erziehung der Kinder teilhaben. Das Familienbild verändert sich. Eine verantwortungsvolle Tätigkeit wie der Medizinerberuf sollte lange Dienstzeiten nicht einfach voraussetzen.

von Josef ertlJulia Constanze Roeper-Kelmayr ist Oberärztin am Zentralen Radiologischen Institut des AKH Linz. Die 38-jährige Linzerin ist seit zehn Jahren Landtagsabgeordnete und Gesundheitssprecherin der SPÖ. KURIER: Die Spitalsreform läuft nun seit zwei Jahren. Wie lautet Ihr bisheriges Resümee? Julia Constanze Roeper-Kelmayer: Es geht nun darum, dass das, was beschlossen wurde, in der entsprechenden Qualität beim Patienten ankommt. Dazu braucht es eine Evaluierung, eine Begleitung. Die Gesundheit ist ein sehr dynamischer Bereich. Man muss schauen, dass nicht an der Gesundheit der Menschen vorbei reformiert wird. Hier sollte man gegensteuern können. Dafür sollte es einen stetig begleitenden Unterausschuss des Landtages geben, damit der Landtag tatsächlich kontrollieren kann. Alle bekennen sich zu den Zielen des Reformpakets, zu einer Kostenreduktion, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust für die Patienten kommt. Es muss zu einer Verbesserung der Versorgungsleistung kommen. Die ÖVP hat die Einsetzung des Unterausschusses abgelehnt. Nicht nur die ÖVP, sondern auch die Grünen. Mit der Begründung, dass die Zeitspanne noch zu kurz sei. Unsere Forderung nach dem Ausschuss bleibt aber bestehen. Hat sich die Versorgung der Patienten durch die Reform tatsächlich verbessert? Das gilt es zu prüfen. Es erzeugt aber Misstrauen, wenn man bei der Überprüfung dermaßen mauert. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Für die Patienten ist die Prozessqualität spürbar: der Zugang zu den Therapien, wie lange die Diagnostik dauert und die Qualität der Ergebnisse. Die Gesundheitsleistungen müssen schnell, umfassend und gratis erbracht werden. Und das aus Sicht der Patienten, aus Sicht der Angehörigen, aus Sicht der Arbeitgeber und aus Sicht der Versicherten. Das ist ein großes Spannungsfeld, denn die Pole stehen in einem gewissen Widerspruch zueinander. Wenn man an einer Schraube dreht, verändern sich auch die anderen. In einer Reform, die die Kostendämpfung zum Ziel hat, kommt es auch zu einer Veränderung der Versorgung. Der Punkt ist nun, ob das zumutbar ist, was in der Reform geplant wurde. Die Praxis gehört überprüft. Es gibt ja bereits Beispiele wie die Unfallchirurgie in Schärding, wo Reformvorhaben zurückgenommen worden sind. Sie haben die Spitalsreform mit dem Satz zusammengefasst: Die Patienten bekommen nun das, was sie brauchen, früher konnten sie sich die Dinge aussuchen. Die Spitalsreform geht davon aus, dass es zu keinem Versorgungsengpass kommt. Wenn man nun mehr Leistungen von den Spitälern in den tagesklinischen bzw. in den Ambulanzbereich überführt und es keiner Personalaufbesserung gibt, kommt es zu einer Verdichtung in diesen Bereichen. Man muss die personelle Ausstattung verbessern. Aber auch das Personal, die Ärzte, die Schwestern und Pfleger in den Spitälern erleben eine extreme Arbeitsverdichtung. Das Service für den Patienten ist dann optimal, wenn das Personal genügend Zeit hat und man die beste Behandlung anbieten kann. Sie sind selbst Ärztin und kommen nun zum Interview nach einem 29-Stunden-Dienst. Wenn ich es mir als Patient aussuchen könnte, würde ich von Ihnen gerne in den ersten fünf Stunden behandelt werden und nicht in den letzten fünf. Die Belastung ist groß, die Konzentration lässt zwangsläufig nach. Es gibt auch Dienste, die länger als 29 Stunden dauern. Diese langen Dienste sind bei dem hohen psychischen und physischen Einsatz unzumutbar, sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten. Es gibt für die Ärzteschaft keine verbindlichen Ruhezeiten. Die Konzentration sinkt, die Leistungsfähigkeit des Körpers lässt nach. Es ist sowohl meine persönliche Forderung wie auch die der Ärztekammer, dass man die Dienste zumindest auf 25 Stunden reduziert. Es ist auch ein Teil der Qualität für den Patienten, wie ausgeruht das Personal ist. Es verfestigt sich bei der Beschäftigung mit den Spitälern der Eindruck, dass es oft an professionellem Management mangelt. Ist dieser Eindruck falsch? Ich kann das nur aus Sicht des AKH sagen und da ist das Management perfekt. Ein praktisches Beispiel. Mein Neffe litt an akutem Blinddarm. Seine Mutter brachte ihn ins Krankenhaus Grieskirchen. Er wurde untersucht und dann mit der Bemerkung ins Krankenhaus Wels weitergeschickt, dass in Grieskirchen nachmittags nicht mehr operiert werden darf. Dort wurden dieselben Untersuchungen nochmals durchgeführt, obwohl beide Krankenhäuser zusammengehören. Wenn die Operation nicht mehr angeboten wird, ist das eine klare Maßnahme, die durch die Spitalsreform zu einem veränderten Zugang für die Patienten geführt hat. Das gilt es zu kontrollieren und zu überprüfen. Das ist nicht nur eine Sache der Experten, sondern auch eine der Patienten, der Arbeitnehmer, des Managements und der ärztlichen Leitung. Was ist das Essenzielle der Spitalsreform? Es braucht eine gute Kommunikation nach innen, wo alle Betroffenen eingebunden sind, damit man nachjustieren kann. Es braucht aber auch die Kommunikation nach außen. In Linz wird mit Herbst 2014 die medizinische Fakultät gestartet. Sie sind Ärztin am Linzer AKH. Was bedeutet es für Ihr Haus, dass es nun Universitätsklinik wird? Es ist eine deutliche Aufwertung des Standortes. Es zeigt aber auch, dass man die Spitalsreform ständig nachjustieren muss, denn es werden manche Abteilungen als Fachschwerpunkte des Uniklinikums geführt werden müssen – wie zum Beispiel die Augenabteilung. Die medizinische Fakultät wird zu Änderungen führen. Wenn Abteilungen standortübergreifend geführt werden, muss mir jemand einmal erklären, welche große Einsparungen es bringt, wenn man einen Leiter einspart und die Kopfzahl, die arbeitet, gleich bleibt. Ein gutes Beispiel ist die Gynäkologie in Freistadt. Der Primar ist in Pension gegangen, ein Oberarzt hat die Standortleitung übernommen. Er könnte aufgrund seiner Tätigkeit und seiner Verantwortung genauso Primar sein. Das würde keinen Cent mehr kosten. Es fällt auf, dass die Anzahl der Frauen in der Ärzteschaft steigt. Es gibt eine zunehmende Feminisierung in der Medizin. Man muss hier vermehrt nach Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familien und Beruf suchen. Das Faktum, dass die Medizin immer weiblicher wird, hat Auswirkungen auf den niedergelassenen Bereich und die Sprengeldiskussionen. Den Hausarzt, der 365 Tage 24 Stunden lang da ist, wird es nicht mehr geben. Diese frühere Idealvorstellung wird es aufgrund der Familienverhältnisse einfach nicht mehr spielen. Wenn mehr Frauen praktische Ärztinnen und Alleinerzieherinnen sind, muss man mehr Unterstützungsmöglichkeiten für den Nachtdienst anbieten. Man kann nicht verlangen, dass jemand rund um die Uhr Dienst macht. Es werden und wollen ja auch mehr Väter an der Erziehung der Kinder teilhaben. Das Familienbild verändert sich. Eine verantwortungsvolle Tätigkeit wie der Medizinerberuf sollte lange Dienstzeiten nicht einfach voraussetzen.